LAG Hamm kippt Scheinwerkvertrag

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 25.07.2013

In der rechtspolitischen Diskussion um das Phänomen des Einsatzes von Fremdfirmenarbeitern auf der Grundlage von Werkverträgen hat das LAG Hamm in einer gerade bekanntgemachten Entscheidung einen bemerkenswerten Akzent gesetzt (Urteil vom 24.7.2013 - 3 Sa 1749/12). Zu entscheiden war über folgenden Sachverhalt: Der Kläger stand ab dem 5.8.2008 bei einem Reinigungsunternehmen in einem Arbeitsverhältnis. Dieses Reinigungsunternehmen hatte mit der Beklagten, dem Bertelsmann Tochterunternehmen Arvato Systems  , eine Rahmenvereinbarung über Dienstleistungstätigkeiten im Reinigungsbereich geschlossen. Der Kläger wurde von der Reinigungsfirma im Bereich Facility-Management der Beklagten, worüber keine schriftliche Vereinbarung getroffen wurde, schwerpunktmäßig mit den Tätigkeiten Wareneingang, Poststelle sowie Hausmeistertätigkeiten eingesetzt. Eine schriftliche Niederlegung des Leistungsumfangs im Bereich des Facility-Managements zwischen der Reinigungsfirma und der Beklagten erfolgte erst im November 2010. Dem Kläger war ein Arbeitsplatz in einem Büro zur Verfügung gestellt, welches vollständig mit Betriebsmitteln der Beklagten ausgestattet war, z. B. Computer mit Anschluss an das betriebsinterne Netzwerk. Für Botendienste nutzte der Kläger auch Fahrzeuge der Beklagten, obwohl die Reinigungsfirma am Standort eigene Fahrzeuge vorhielt. Von der Beklagten erhielt der Kläger auch Sicherheitsschuhe und eine Windjacke, welche auch anderen Mitarbeitern der Beklagten im Facility-Management überlassen wurde. Die im April 2012 erhobenen Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht zwischen zu der Reinigungsfirma, sondern zu der Beklagten bestehe, hat in zweiter Instanz Erfolg. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits sei – so die Hammer Richter - aufgrund gesetzlicher Fiktion ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, da der Kläger aufgrund eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages zwischen der Reinigungsfirma und der Beklagten und nicht aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages tätig geworden sei und die Reinigungsfirma die erforderliche Genehmigung für Arbeitnehmerüberlassung nicht habe. Maßgeblich für die Abgrenzung der Vertragstypen sei der Geschäftsinhalt, der sich sowohl aus den Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergeben könne. Hier hatte die Kammer festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers einerseits vom Rahmenvertrag nicht umfasst war und andererseits er hinreichende Indizien vorgetragen hat, dass er in die betriebliche Organisation bei der Beklagten eingegliedert war und deren Weisungen unterlag. Deswegen sei von unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung auszugehen. Sicherlich handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Von der bislang eher großzügigen Rechtsprechung des BAG im Hinblick auf problematische Werkverträge hebt sich die Entscheidung allerdings tendenziell ab. Evtl. sind die Instanzgerichte jetzt sensibilisiert und schauen künftig genauer hin. 

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1 Kommentar

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Sehr geehrter Herr Professor Stoffels,

 

falls es Ihnen noch nicht bekannt sein sollte... auf dejure oder direkt auf der Rechtssprechungsdatenbank NRWE  können sie nunmehr die Volltextveröffentlichung der vollst. Urteilsbegründung finden.

 

Möglicherweise möchtern Sie in einem weiteren Kommentar die Exegese nochmals differenzieren?

 

Beste Grüße

 

 

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