BAG zum "vorübergehenden" Einsatz von Leiharbeitnehmern

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 11.07.2013

Das BAG, diesmal der 7. Senat (Beschluss vom 19.7.2013 – 7 ABR 91/11), hat erneut eine wichtige Streitfrage aus dem Recht der Arbeitnehmerüberlassung entschieden; und wiederum werden der Leiharbeit Schranken gesetzt. Diesmal ging es um die Bedeutung des seit dem 1.12.2011 geltenden § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG, wonach die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher „vorübergehend“ erfolgt. Dieser Satz sollte an sich nur der „Klarstellung” dienen, dass den deutsche Modell der Arbeitnehmerüberlassung der europarechtlichen Vor-gaben der Leiharbeits-Richtlinie entspricht. Er hat jedoch heftigen Streit über Inhalt, Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen der Norm ausgelöst. Eine verbreitete Meinung in der Literatur geht davon aus, dass weder der Leiharbeitsrichtlinie noch § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG ein Verbot der dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung entnommen werden kann. Vielmehr werde lediglich unverbindlich typologisch beschrieben, was Faktum ist: Arbeitnehmerüberlassung findet typischerweise vorübergehend statt. Das BAG sieht dies anders: Die Bestimmung enthalte nicht lediglich einen unverbindlichen Programmsatz, sondern untersage die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung. Sie diene zum einen dem Schutz der Leiharbeitnehmer. Zum andern solle sie auch die dauerhafte Aufspaltung der Belegschaft des Entleiherbetriebs in eine Stammbelegschaft und eine entliehene Belegschaft verhindern. Der Senat weist im übrigen darauf hin, dass der Streitfall keine genaue Abgrenzung des Begriffs „vorübergehend“ erfordere. Das bleibt dann wohl weiteren Entscheidungen vorbehalten.

Eine andere Frage ist, ob der Betriebsrat des Entleiherbetriebs im Falle einer nicht vorübergehenden Aufnahme eines Leiharbeitnehmers nach § 14 Abs. 3 S. 1 AÜG i.V.m. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ein Zustimmungsverweigerungsrecht hat. Der 7. Senat bejaht freilich auch diese Frage. Dabei komme es nicht darauf an, ob und ggf. welche Rechtsfolgen sich aus einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG für das Rechtsverhältnis des einzelnen Leiharbeitnehmers zum Entleiher ergäben. Nun wird man eine Pressemitteilung nicht deswegen kritisieren können, dass sie keine detaillierte Begründung bietet. Die Entscheidungsgründe werden erweisen, wie sich die Zuerkennung eines Zustimmungsverweigerungsrechts mit der ansonsten eher restriktiven Rechtsprechung des BAG vereinbaren lässt. Nach bisheriger Rechtsprechung muss nämlich die geplante Maßnahme selbst gegen eine gesetzliche Vorschrift verstoßen, die Einstellung daher selbst verboten oder vom Gesetz missbilligt sein. Die Einstellung als solche – hier die Überlassung an den Entleiher – wird jedoch nicht missbilligt. Es geht lediglich um die Bedingungen, um die Art und Weise der Überlassung (=Einstellung). Auf dieser Linie liegt es, dass die Rechtsprechung keinen Verweigerungsgrund annimmt, wenn der mit einem einzustellenden Arbeitnehmer abgeschlossene Arbeitsvertrag unzulässig befristet ist. Auch hier ist die zeitliche Komponente der Einstellung betroffen, ohne dass der Betriebsrat den Rechtsverstoß aufgreifen könnte. Die Praxis muss auf der Grundlage der Rechtsprechung künftig noch einige praktische Folgefragen lösen: Wie weit reicht die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers? Darf er den Betriebsrat mit der Auskunft bescheiden, der Einsatz des Leiharbeitnehmers sei nur vorübergehend geplant? Oder muss er eine bestimmte Überlassungsdauer nennen oder reicht eine ungefähre Zeitspanne aus? Und muss er, wenn die ursprünglich angegebene Überlassungsdauer doch überschritten werden soll, den Betriebsrat erneut beteiligen?

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7 Kommentare

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Wieso wird eigentlich immer von Leiharbeit gesprochen? Es geht um eine zeitlich begrenzte Arbeit - und ist damit eine Zeitarbeit. Ohnehin wird die Arbeit nicht geliehen/verliehen, höchsten die Arbeitskraft. Allerdings wird ein Leiharbeiter, der tatsächlich verliehen wird, quasi wie ein  "Lehnsempfänger" behandelt und ist damit von einem "Lehnsherrn" abhängig. Das Lehnswesen sollte allerdings der Vergangenheit angehören ...

Lutz Breunig schrieb:

Wieso wird eigentlich immer von Leiharbeit gesprochen? Es geht um eine zeitlich begrenzte Arbeit - und ist damit eine Zeitarbeit. Ohnehin wird die Arbeit nicht geliehen/verliehen, höchsten die Arbeitskraft. Allerdings wird ein Leiharbeiter, der tatsächlich verliehen wird, quasi wie ein  "Lehnsempfänger" behandelt und ist damit von einem "Lehnsherrn" abhängig. Das Lehnswesen sollte allerdings der Vergangenheit angehören ...

 

Weil der Gesetzgeber den Begriff selbst so verwendet. Die Silbe -leih- kommt allein im AÜG Dutzende Male in "Entleiher", "Verleiher" und eben auch in dem Wort "Leiharbeitnehmer" (z. B. § 1 a Abs. 2 Nr. 2 AÜG) vor. Übrigens: Es ändert sich an dem Faktum der Leiharbeit und daran, dass sie politisch umstritten ist, nichts dadurch, dass man dafür einen schöneren Namen erfindet. Man mag dazu "Zeitarbeit" sagen, wie Sie es tun; die Begründung, es gehe "um eine zeitlich begrenzte Arbeit", ist aber nicht die richtige Erklärung für diese Wortwahl. Wäre das richtig, dann müsste man bei einem befristeten Arbeitsverhältnis ebenso von "Zeitarbeit" sprechen. Auch Teilzeitbeschäftige kämen evtl. auf die Idee, sie verrichteten "Zeitarbeit". 

 

@Martin Bender ... Es geht mir weder um Schönheit noch um politische Argumentation sondern um eine nachvollziehbare Logik. Und wie Sie selbst feststellen, gibt es in der Tat noch weitere "zeitlich begrenzte Aktivitäten", die als "Zeitarbeit" zu kennzeichnen wären. Was spricht dagegen?

Ist auch, egal wie es genant wird. Es ist ja nicht so, dass dadurch eine Verwechslung vorliegt.

Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts gibt Betriebsräten neue Munition und erschwert den großflächigen Einsatz von Leiharbeit deutlich. (Quelle: http://www.marktundmittelstand.de/nachrichten/strategie-personal/unbefristete-leiharbeit-ist-verboten/ )

Falsch finde ich das nicht. Denn die Leiharbeit ist dafür gedacht, um z. B. Produktionsspitzen auszugleichen, ohne einen Arbeitnehmer gleich fest einstellen zu müssen. Die Unternehmen jedoch nutzen diese Möglichkeit immer mehr aus und beschäftigen Leiharbeiter fast unbefristet. Der Grund ist einfach, weil Sie sich von diesem leichter trennen können. Dieses unsichere Beschäftigungsverhältnis ist für den Beschäftigten natürlich nicht angenehm.

 

Gruß,

W.

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Ich bin zuversichtlich, dass das BAG über weitere missverständliche Sätze und Begriffe aus dem Bereich der Arbeitnehmerüberlassung zu entscheiden hat - die ursprünglich nur der „Klarstellung” dienen sollten ;-)

Es ist eigentlich ein Skandal, dass der (schwarz-gelbe) Gesetzgeber zum 1.Dez. 2011 die Bestimmung "vorübergehend" ins Arbeitnehmerüberlassungsgesetz aufgenommen hat, ohne eine zeitliche Höchstdauer  zu definieren.(2, 3 oder 4 Jahre oder weniger oder mehr ?)

So lässt man die Leiharbeiter per Rechtsunsicherheit im Regen stehen !

Und die Justiz muss per Rechtsfortbildung"Kaffeseatzleserei" betreiben,was denn nun " vorüberghehend" bedeutet. Ist es vierlleicht doch als dauerhaft zu verstehen ? Der betroffene Leiharbeite, dersich zu klsagen traut,muß ggfs. jahrelang auf eine höchstrichterliche Entscjheidung des BAG warten,weil die Landesarbeitsgerichte die Revision zugelassen haben (grundsätzliche Bedeutung). Inwischen hat ihn, den  auf Festeinstellung klagenden Leiharbeiter, der lange ununterbrochen bei einer Firma beschäftigt war, ohne mit dieser Einsatz- Firma einen Arbeitzsvertrag zu haben(!), die Einsatzfirma längst zur Zeitarberitsfirma zuurückserviert, die ihn dann wieder woanders einsetzt.

DANKE, lieber GESETZGEBER !

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