Verhinderung von Geschwindigkeitsmessungen durch abgestelltes Fahrzeug: Straflos?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 08.07.2013

Der Angeklagte hatte seine Fahrzeuge einfach nur "in den Weg gestellt" und damit Messungen eines Geschwindigkeitsmessgerätes unmöglich gemacht. Das AG hatte wegen Nötigung verurteilt. Das wollte das OLG nicht mitmachen, sondern stattdessen den Schuldspruch in § 316b StGB ändern. § 316b StGB wäre aber falsch in einem solchen Fall, so der BGH. Also: Strafloses Verhalten?

Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat, fehlt es auf der Grundlage des vom Amtsgericht festgestellten und dem Vorlagebeschluss zugrunde liegenden Sachverhalts an einer dem Tatbestand des § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB unterfallenden Tathandlung des Angeklag-ten. Das vorlegende Oberlandesgericht kann daher mangels Tatbestandsmä-ßigkeit gemäß § 316b Abs. 1 StGB nicht von der Rechtsansicht des Oberlan-desgerichts Stuttgart abweichen.

1. § 316b Abs. 1 StGB weist eine zweiaktige Struktur auf. Der Tatbe-stand setzt für den hier allein in Frage kommenden § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB eine Störung oder eine Verhinderung des Betriebs einer der öffentlichen Ord-nung oder Sicherheit dienenden Anlage voraus. Diese Störung oder Verhinderung muss ihre Ursache (siehe nur Fischer, StGB, 60. Aufl., § 316b Rn. 6) da-rin haben, dass eine dem Betrieb dienende Sache zerstört, beschädigt, beseitigt, verändert oder unbrauchbar gemacht oder - was hier ersichtlich von vorn-herein nicht in Frage kommt - die für den Betrieb bestimmte elektrische Kraft entzogen wird.

Hier kommt allenfalls das Merkmal des Unbrauchbarmachens einer dem Betrieb dienenden Sache, dem wie auch immer technisch gestalteten Messge-rät, in Betracht, was aber entgegen der vom vorlegenden Oberlandesgericht vertretenen Auffassung ebenfalls ausscheidet.

2. Vorliegend hat der Angeklagte die beabsichtigten Geschwindigkeits-messungen allein dadurch verhindert, dass er mit seinen jeweils in Richtung des Messstrahls geparkten Fahrzeugen Messungen anderer vorbeifahrender Fahrzeuge verhinderte. Dabei wirkte er jedoch, anders als bei dem vom Oberlandesgericht Stuttgart (NStZ 1997, 342 f.) entschiedenen Fall, nicht einmal äußerlich durch Beschmieren oder bspw. Bekleben auf die Substanz der Sa-che ein. Es lag mithin keine Manipulation an dem Messgerät selbst oder einem wesentlichen Teil davon vor, die zu einer tatsächlichen Funktionsminderung geführt haben könnte, was aber Voraussetzung einer Tatbestandsmäßigkeit wäre (zur Erforderlichkeit einer Einwirkung auf die Sachsubstanz vgl. OLG Cel-le, NStZ 2005, 217; BVerfG NVwZ 2006, 583; LK-StGB/Wolff, 12. Aufl., § 317 Rn. 9, 11; SK-StGB/Wolters, 129. Lief. § 316b Rn. 10; Fischer, aaO; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 316b Rn. 5). Der Generalbundesanwalt hat inso-weit zutreffend darauf hingewiesen, dass derjenige den Tatbestand nicht er-füllt, der einen Fernsprechanschluss dadurch blockiert, dass er diesen anwählt und nicht auflegt (vgl. LK-StGB/Wolff aaO). Dem entspricht auch, dass bei Blo-ckadeaktionen gegenüber einem Zug es nicht ausreichend ist, wenn dessen Weiterfahrt durch Personen auf den Gleisen verhindert wird; erst bei einem direkten Einwirken auf die Gleise selbst kann der Tatbestand gegeben sein (OLG Celle NStZ 2005, 217 f.).
So liegt der Fall auch hier. Mit dem Parken seiner Fahrzeuge vor dem Sensor der Messeinheit hat der Angeklagte zwar weitere Messungen anderer Fahrzeuge verhindert, an einem direkten Einwirken auf die Sachsubstanz fehl-te es aber. Dies erweist sich schon daraus, dass bereits ein leichtes Versetzen des Messfahrzeuges oder (je nach Gerät) auch nur der Messeinrichtung Mes-sungen wieder möglich gemacht hätte. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt auch von den Fallgestaltungen der Oberlandesgerichte Stuttgart (NStZ 1997, 342 f. - Beschmieren des Fotoobjektivs) und München (NJW 2006, 2132 f. - Überbelichtung des Fotofilms durch Blitzlichtreflexion), bei denen eine bloße Veränderung des Standorts - auch wenn dies praktisch nicht möglich gewesen wäre - nichts an der allerdings nur vorübergehenden Beeinträchti-gung der Anlage selbst geändert hätte.

3. Der Senat ist vorliegend nicht durch die Besonderheiten des Vorlageverfahrens gemäß § 121 Abs. 2 GVG daran gehindert, ungeachtet der auf den Anlagenbegriff des § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB beschränkten Vorlagefrage die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage abweichend von dem vorlegen-den Oberlandesgericht zu beurteilen. Die grundsätzlich bestehende Bindung des Senats an die Auffassung des Oberlandesgerichts über das Vorliegen der Tathandlung gemäß § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB entfällt, weil dieses insoweit von einer rechtlich so nicht haltbaren Betrachtung ausgegangen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt in solchen Konstellationen die ansonsten bestehende Bindung an die Beurteilung der Entscheidungserheb-lichkeit durch das vorlegende Gericht nicht vor (BGH, Beschlüsse vom 22. August 1994 - 3 StR 209/84, NStZ 1985, 217, 218, und vom 14. Mai 1974 - 1 StR 366/73, BGHSt 25, 325, 328; siehe auch BGH, Beschluss vom 21. Februar 1968 - 2 StR 360/67, BGHSt 22, 94, 100 mwN). Das Oberlandes-gericht hat bei der Beurteilung des Vorliegens der Tathandlung gemäß § 316b Abs. 1 Nr. 3 StGB im rechtlichen Ausgangspunkt nicht ausreichend deutlich zwischen dem Unbrauchbarmachen der dem Betrieb einer Anlage oder Ein-richtung dienenden Sache und der dadurch verursachten Verhinderung oder Störung des Betriebs der Anlage oder Einrichtung unterschieden. Das trägt der Struktur des Tatbestandes nicht genügend Rechnung. Vor allem aber hat es in rechtlich nicht vertretbarer Weise bei dem Merkmal des Unbrauchbarmachens auf das Erfordernis einer Einwirkung auf die Sachsubstanz verzichtet. Die Not-wendigkeit einer solchen Art der Einwirkung ergibt sich für das Unbrauchbar-machen jedoch eindeutig aus dem systematischen Vergleich mit den übrigen in 
dem Tatbestand genannten Tathandlungen (Zerstören, Beschädigen, Beseiti-gen, Verändern). Dementsprechend wird - wie aufgezeigt (III.2.) - eine Sachsubstanzeinwirkung für ein tatbestandsmäßiges Verhalten vorausgesetzt.

Die Sache war daher an das Oberlandesgericht zurückzugeben.

BGH, Beschluss vom 15.5.2013 - 1 StR 469/12

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

2 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Oh mein Gott: ein ungehöriges Verhalten, das nicht strafbar ist? Der Gesetzgeber sollte diese Lücke schnellstens schließen und ein drakonisches Strafgesetz erlassen! Am besten einen Verbrechenstatbestand "Blockieren von Geschwindigkeitsmessungen", damit iSd negativen Generalprävention ordentlich abgeschreckt wird...

4

Keine sorge, das Gefahrenabwehrrrecht ("Einrichtungen des Staates") bietet noch genügend Möglichkeiten, um dem Wutbürger entgegenzutreten.

0

Kommentar hinzufügen