Was im Juni im Kartellrecht geschah …

von Dr. Rolf Hempel, veröffentlicht am 01.07.2013

Ich blicke auf den Juni zurück und habe nur einmal gebloggt und das, obwohl die "Marktteilnehmer" auf dem Kartellrechtsdurchsetzungsmarkt so fleißig waren. Zuviel für mich oder zuviel an anderweitiger Ablenkung im Anwaltsberuf (Fristen für Schriftsätze, Anmeldungen, kartellrechtliche Einschätzungen,  etc.), um dem Output der Behörden und Gerichte zeitnah gerecht zu werden.

Daher ein kleiner Rückblick auf die unterlassenen Blog-Beiträge des Monats Juni:

 

Was meint der EuGH in Donau Chemie?

Am 6. Juni 2013 entschied der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen des OLG Wien (vgl. schon hier). Er wandte seine Pfleiderer-Rechtsprechung auf die österreichische Rechtslage an und hielt eine sog. starre Regel zur Akteneinsicht, die eine konkrete Abwägung der Interessen verhindert, für europarechtswidrig.

Ich werde das in Kürze in der EuZW kommentieren und dabei ganz unterschiedliche Aspekte beleuchten.  

 

Private enforcement, die zweite.

Am 11. Juni 2013 veröffentlichte die Kommission ein ganzes Paket zu kartellrechtlichen Schadensersatzklagen, darunter den lang erwarteten und mehrfach angekündigten Richtlinienentwurf (ohne kollektiven Rechtsschutz), eine Empfehlung zum kollektiven Rechtsschutz nicht nur im Kartellrecht und einen Leitfaden zur Schadensberechnung im Kartellrecht (vgl. hier). Das alles harrt der genaueren Auswertung durch die Kommentatoren. Wenn man die Einleitung des Papiers zum Richtlinienentwurf liest, hat man den Eindruck, es gehe vor allem um den Schutz der behördlichen vor der privaten Kartellrechtsdurchsetzung. Aber das ist natürlich etwas zu eindimensional gesehen. Ich werde hierauf sicher zurückkommen.

 

Rechtsrat schützt vor Strafe nicht.

Am 18. Juni 2013 war wieder Österreich-Tag beim EuGH. Er entschied über eine weitere kartellrechtliche Vorlage aus der Alpenrepublik, diesmal an ihn herangetragen durch den OGH. Ich gebe hier nur die erste Ziffer des Tenors wieder:

"Art. 101 AEUV ist dahin auszulegen, dass ein Unternehmen, das gegen diese Bestimmung verstoßen hat, nicht der Verhängung einer Geldbuße entgehen kann, wenn der Zuwiderhandlung ein Irrtum dieses Unternehmens über die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens zugrunde liegt, der auf dem Inhalt eines Rechtsrats eines Anwalts oder einer Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde beruht."

Zumindest, dass anwaltlicher Rat nicht vor dem Bußgeld schützt, finde ich aus deutscher Sicht nicht so überraschend. Denn nach welchem Kriterium soll sich bemessen, ob sich das Unternehmen auf die Einschätzung des Anwalts verlassen können darf? Wie müsste die anwaltliche Einschätzung beschaffen sein, um beim Unternehmen die Vorwerfbarkeit entfallen zu lassen? Sollen die maßgeblichen Kriterien die gleichen sein wie die, die die Haftung des Anwalts für seinen Ratschlag gegenüber seinem Mandanten bestimmen, wenn jener seine Haftung nicht zulässigerweise beschränkt hat. Insgesamt scheint mir das sowieso ein Problem für speziell gelagerte Sonderfälle oder für Fälle überschießender behördlicher Kartellrechtdurchsetzung zu sein. Klar und eindeutig bußgeldwürdige Kartellrechtsverstöße / hard core-Verstöße sind regelmäßig nicht so schwer von zulässigen Verhaltensweisen zu unterscheiden. Und in Fällen, in denen die rechtliche Bewertung schwierig und komplex ist und zu denen es keine gesicherte Behördenpraxis oder Rechtsprechung gibt, sollten nicht im Wege des Bußgeldverfahrens, sondern im Wege des Verwaltungsverfahrens verfolgt werden. So hat das das Bundeskartellamt in der Vergangenheit auch immer gehandhabt.

Wegen einer weiteren Kommentierung des Urteils verweise ich gern auf den Blog-Beitrag einer Münchener Kollegin von mir (hier).

 

Vereinfachung der EU-Fusionskontrolle.

Am 19. Juni 2013 endete die Frist für die Einreichung von Beiträgen im Rahmen der Konsultation der Kommission zu ihrem Vorschlag für Verfahrensvereinfachungen in Verbindung mit der EU-Fusionskontrollverordnung. CMS hat auch eine Stellungnahme abgegeben. Die Vorschläge der Kommission sind nicht so sonderlich geeignet für Kontroversen. Deswegen haben wir einfach ein paar weitergehende Vorschläge für Vereinfachungen und Verbesserungen gemacht. Es ist davon auszugehen, dass die Stellungnahmen der Kartellrechtsgemeinde bald auf der Internetseite der Kommission veröffentlicht werden.

Die Kommission hat am 20. Juni 2013 gleich die nächste Konsultation zur Fusionskontrolle eröffnet. Diesmal geht es um ein auf EU-Ebene schon länger diskutiertes, inhaltliches Thema – die Kontrolle von Minderheitsbeteiligungen.  Dazu könnte man – gerade aus deutscher Sicht – ganze Romane schreiben.

 

Die neue Preisliste des Bundeskartellamts für Kartellrechtsverstöße.

Am 25. Juni 2013 veröffentlichte das Bundeskartellamt seinen neuen "Leitlinien für die Bußgeldzumessung in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren". Hintergrund für die Änderung war die BGH-Rechtsprechung zum Thema Kappungsgrenze versus Bußgeldrahmen (vgl. hier). Dreh- und Angelpunkt der Bußgeldbemessung nach den neuen Leitlinien ist die Bestimmung des Gewinn- und Schadenspotentials in Höhe von 10% des während der Dauer des Kartellrechtsverstoßes erzielten tatbezogenen Umsatzes des Unternehmens  (im Inland). Dieses dient dann als Ausgangspunkt für die weitere Bemessung. Bei dieser weiteren Bemessung kommt ein  Multiplikationsfaktor zur Anwendung, der nicht proportional zum Gesamtumsatz ist, sondern Stufen vorsieht und insgesamt degressiv ausgestaltet ist. Man müsste mal durchspielen, was das für kleine und große, nur im Inland oder auch international tätige Einprodukt- oder Mehrspartenunternehmen genau bedeutet. Jedenfalls kann man das Bußgeld anhand der Leitlinien nicht genau vorab bestimmen. Das war aber auch nicht zu erwarten. Es sind genug Bewertungsspielräume für das Bundeskartellamt vorgesehen, die es unmöglich machen, das Bußgeld vorab auszurechnen und in den Kartellpreis einzukalkulieren. Ich belasse es vorerst bei diesen Hinweisen. Das muss man sich genauer anschauen.

 

Das war's für den Juni. Mehr beim nächsten Mal.

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