Vertragliche Ausschlussklausel wird gesetzeskonform einschränkend ausgelegt

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 01.07.2013

Das BAG (Urteil vom 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, Pressemitteilung Nr. 42/13) hat sich jüngst mit der Frage auseinandergesetzt, wie die Wirksamkeit einer Ausschlussklausel zu beurteilen ist, welche die Haftung für Vorsatz nicht ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich ausklammert. Im schriftlichen Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine in der Praxis in dieser Form sehr häufig anzutreffende Ausschlussfrist vereinbart, wonach alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen sollten, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses kam es zu Auseinandersetzungen und zu einer Klage auf Schmerzensgeld wegen „Mobbings“, also eines vorsätzlichen Verhaltens des Arbeitsgebers bzw. seiner Erfüllungsgehilfen. Der Arbeitgeber berief sich auf die vereinbarte Ausschlussfrist. Zu Unrecht – wie das BAG im Ergebnis sicherlich zutreffend entschied. Die gesetzlichen Vorgaben sind eindeutig: Die Parteien eines Arbeitsvertrages können weder die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtern (§ 202 Abs. 1 BGB) noch die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner im Voraus erlassen (§ 276 Abs. 3 BGB). Zudem haftet der Arbeitgeber bei Arbeitsunfällen und Berufsunfähigkeit ausschließlich bei Vorsatz, § 104 Abs. 1 SGB VII. Bei dieser klaren Gesetzeslage sei – so das BAG -  ohne besondere Anzeichen regelmäßig davon auszugehen, dass die Parteien des Arbeitsvertrages mit der Ausschlussklausel nicht auch Fragen der Vorsatzhaftung regeln wollten. Das dürfte dann in der gleichen Weise auch für das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 BGB gelten. Unproblematisch ist diese restriktive Auslegung nicht, da das dem Transparenzgebot verpflichtete AGB-Recht doch im Allgemeinen verlangt, den Anwendungsbereich korrekt anzugeben, also ggf. ausdrückliche Ausnahmen in den Vertragstext aufzunehmen. Das eigentlich Bemerkenswerte liegt mithin in der Abwendung der Nichtigkeit der an sich zu weit gefassten Klausel. Das liegt auf der Linie der bisherigen BAG-Rechtsprechung, die bei Ausschlussklauseln allerdings wenig überzeugend von Teilnichtigkeit ausging (vgl. BAG 25. 5. 2005, NZA 2005, 1111, 1112).

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2 Kommentare

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Im Ergebnis ein Verstoß gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Andernfalls wären vermutlich in Hunderttausenden, wenn nicht in Millionen von Fällen solche Klauseln unwirksam. So aber liegt das aus Sicht der AGB-Dogmatik unbefriedigende Ergebnis vor, dass es für "Teilbarkeit" und "Teilnichtigkeit" genügt, in einer Klausel ungeschriebene "Teile" auszumachen (hier: der nicht erwähnte Vorsatz), um aus dem "Ganzen" der Klausel einen "Rest" zu destillieren, der wirksam bleibt.

Es mag wohl stimmen, dass, wenn das BAG die Unwirksamkeit der Klausel angenommen hätte, diese oft verwendete Klausel dementsprechend in vielen Verträgen unwirksam wäre.

Aber das ist bei oft verwendeten Klauseln im "normalen" Zivilrecht nicht anders. Das ist das übliche Risiko des AGB-Verwenders, wenn er versucht, vom dispositiven Gesetzesrecht zu sehr zuungunsten des Vertragspartners abzuweichen. Das Ergebnis der Prüfung der §§ 305 ff. BGB kann doch nicht davon abhängen, wie oft die Klausel verwendet wird (?!).

Im Übrigen wäre die Konsequenz der Unwirksamkeit, die Geltung des dispositiven Gesetzesrechts (welches der Gesetzgeber immerhin als gerechte Regelung erachtet), auch für Arbeitgeber nicht unzumutbar.

V. a. in solch offensichtlichen Fällen (zumindest nach "normalen" AGB-Maßstäben) wie dem vorliegenden ist der AGB-Verwender aus meiner Sicht auch überhaupt nicht schutzwürdig. 

Wie bereits erwähnt: Mit § 305c Abs. 2 BGB, dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion und 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist das Urteil schwerlich in Einklang zu bringen.

Die Rechtsprechung des BAG läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass es das AGB-Recht (wie es früher die Gesetzeslage war) in weiten Teilen einfach nicht anwendet.

Warum gerade Arbeitgeber anders als alle anderen Unternehmer im Hinblick auf das AGB-Recht besonders schutzwürdig und Arbeitnehmer dementsprechend besonders wenig schützwürdig sein sollen, erschließt sich mir nicht. Würde das BAG damit beginnen, das AGB-Recht "normal" anzuwenden, würden die Arbeitgeber sicher schnell reagieren und AGB-konforme Klauseln verwenden. Solange sie aber in dieser Hinsicht derart durch das BAG protegiert werden, haben sie nur wenig Anlass, sorgfältig auf die Einhaltung der §§ 305 ff. BGB zu achten.

Gegen eine Anwendung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB mit Augenmaß wäre überhaupt nichts einzuwenden. Davon kann vorliegend m.M.n. aber nicht mehr die Rede sein. Hier werden Grundsätze des AGB-Rechts in das Gegenteil verkehrt.

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