"Ich verstosse Dich", sagte diesmal die islamische Frau

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 05.06.2013
Rechtsgebiete: Familienrecht1|5367 Aufrufe

Eine Ehefrau kann nach iranischem Recht mit dem Ausspruch des «Talaq» (was sinngemäß soviel wie «Ich verstoße Dich /Ich will geschieden werden» heißt) geschieden werden, wenn die iranischen Eheleute dies in der Heiratsurkunde vereinbart haben. Diese rechtliche Einschätzung des Amtsgerichts bestätigte das Oberlandesgericht Hamm per rechtskräftigem Beschluss vom 07.05.2013 und wies die Beschwerde des Ehemanns gegen den familiengerichtlichen Scheidungsbeschluss zurück (Az.: 3 UF 267/12).

In dem vom OLG entschiedenen Fall hatten eine 23 Jahre alte Iranerin und ein 31 Jahre alter Iraner im Jahr 2009 in Karadj/Iran nach islamischem Recht geheiratet. Die von ihren Familien ausgehandelte und von den Eheleuten vereinbarte Heiratsurkunde enthält eine «Vollmacht» zugunsten der Ehefrau, nach welcher auch sie die Scheidung per «Talaq» beenden kann, sowie verschiedene Bedingungen für einen von ihr gestellten Scheidungsantrag. Aus der Ehe ging eine 2010 geborene Tochter hervor. Seit April 2011 lebte die Familie in Essen. Mitte Oktober 2011 trennten sich die Eheleute, im Juni 2012 beantragte die Ehefrau die Scheidung, die das Familiengericht des Amtsgerichts Essen im November 2012 aussprach.

Das OLG Hamm hat die Beschwerde des Ehemanns gegen den familiengerichtlichen Scheidungsbeschluss zurückgewiesen und entschieden, dass der Scheidungsantrag nach materiellem iranischen Scheidungsrecht zu beurteilen sei, weil die Eheleute dieses Recht bei ihrer Heirat vereinbart hätten. Nach der Heiratsurkunde sei danach auch die Ehefrau zum Ausspruch des «Talaq» berechtigt. Hiervon habe die Ehefrau durch ihren Scheidungsantrag und durch ihre vor den Familiengerichten abgegebenen Erklärungen, mit denen sie die Scheidung begehrt habe, Gebrauch gemacht.

Zudem lägen auch die in der Scheidungsurkunde vereinbarten Scheidungsgründe vor, betonte das Gericht. So habe der Ehemann seiner Frau während des Zusammenlebens mindestens sechs Monate lang keinen Unterhalt gezahlt. Seiner Ehefrau sei außerdem das weitere Eheleben nicht zuzumuten, weil sich der Mann ihr gegenüber schlecht benommen habe. Erkenntnisse aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren rechtfertigten den Schluss, dass der Ehemann seine Frau eifersüchtig überwacht, bedroht und beleidigt habe.

(Pressemitteilung des Gerichts)

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1 Kommentar

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Hallo Herr Burschel,

ungewöhnlich ist die Scheidungsmöglichkeit  für die Frau im islamischen Raum nicht.

Die Scheidung ist auch nach syrischem Personalstatutsgesetz (SPG) aus beidseitiger Initiative möglich:

Das SPG ermöglicht beiden Ehepartnern in Art. 95 SPG wie auch in Art. 112 SPG im Ergebnis unter den gleichen Voraussetzungen die Möglichkeit, die Scheidung zu verlangen. Hierzu wird insbesondere auf Art. 96 und Art. 99 SPG verwiesen, die beide die Gleichberechtigung der Parteien herausstellen.

Daneben sieht das SPG in Art. 96 eine Scheidungsvereinbarung zwecks einvernehmlicher Scheidung vor. Zum Abschluss einer einvernehmlichen Scheidung ist gemäß Art. 99 SPG die Vereinbarung einer Gegenleistung nicht erforderlich. Der nach Art. 88 Abs. 1 SPG erforderliche Versöhnungsversuch wird bei Einvernehmlichkeit natürlich scheitern. Für den Ablauf des gescheiterten Versöhnungsversuchs ist gemäß Art. 88 Abs. 3 SPG die richterliche Registrierung der einvernehmlichen Scheidung vorgesehen. Hierzu regelt Art. 88 Abs. 1 SPG i.V.m. Abs. 3 SPG, dass diese einer richterlichen Feststellung der Voraussetzungen und anschließend der richterlichen Registrierung bedarf. Eine nicht derart registrierte Scheidung ist im Umkehrschluss aus Art. 88 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 SPG schwebend unwirksam.

 

Rechtsanwalt Wiesel

http://www.ra-wiesel.de

 

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