BGH zur Google-Autovervollständigung: Persönlichkeitsrechte sind - auf Beschwerde hin - zu beachten

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 14.05.2013

Letztes Jahr hatte ich im Zusammenhang mit der Bettina-Wulff-Kontroverse darauf hngewiesen, dass Google-Mitarbeiter in ihrer Stellungnahme glatt lügen, wenn sie behaupten, in den Auto-Vervollständigungsalgorithmus bei den Suchvorschlägen werde nicht redaktionell eingegriffen. Es entwickelte sich hier im Blog eine lebhafte Diksussion darüber, ob Google auch für potentiell persönlichkeitsverletzende Assoziationsketten, die bei bestimmten Sucheingaben angezeigt werden, redaktionell verantwortlich zu machen ist.

In einem ähnlichen Fall hatte das OLG Köln im Herbst für Google entschieden - die Kombination eines Namens mit einem bestimmten (häufig angeklickten) Suchbegriff als Suchvorschlag sei in Ordnung, Google behaupte damit ja nicht, dass die (negative) Assoziation berechtigt sei, sondern nur, dass es sich um häufig kombinierte Suchbegriffe anderer Nutzer handelt.

Ich bin da anderer Ansicht, da ich denke, dass die häufigen Klicks zu einem großen Teil gerade durch den "interessanten" Suchvorschlag generiert werden.

Der BGH hat nun in diesem wesentlichen Punkt dem Kläger gegen Google Recht gegeben und die Entscheidung des OLG Köln insofern revidiert: Zwar liege unmittelbar noch keine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, doch hafte Google nach Kenntniserlangung (also ggf auf Beschwerde Betroffener). Dies entspricht meiner Auffassung.

Aus der Pressemitteilung des BGH

(Zitat)

"Die Suchwortergänzungsvorschläge "Scientology" und "Betrug" bei Eingabe des Vor- und Zunamens des Klägers zu 2 in die Internet-Suchmaschine der Beklagten beinhalten eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger, da ihnen ein fassbarer Aussagegehalt innewohnt, zwischen dem Kläger zu 2 und den negativ belegten Begriffen "Scientology" und/oder "Betrug" besteht ein sachlicher Zusammenhang." (...)

"Diese Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger ist der Beklagten auch unmittelbar zuzurechnen. Sie hat mit dem von ihr geschaffenen Computerprogramm das Nutzerverhalten ausgewertet und den Benutzern der Suchmaschine die entsprechenden Vorschläge unterbreitet.

Daraus folgt allerdings noch nicht, dass die Beklagte für jede Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung durch Suchvorschläge haftet. Der Beklagten ist nämlich nicht vorzuwerfen, dass sie eine Suchvorschläge erarbeitende Software entwickelt und verwendet hat, sondern lediglich, dass sie keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen hat, um zu verhindern, dass die von der Software generierten Suchvorschläge Rechte Dritter verletzen.

Nimmt ein Betroffener den Betreiber einer Internet-Suchmaschine mit Suchwortergänzungsfunktion auf Unterlassung der Ergänzung persönlichkeitsrechtsverletzender Begriffe bei Eingabe des Namens des Betroffenen in Anspruch, setzt die Haftung des Betreibers die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus. Der Betreiber einer Suchmaschine ist regelmäßig nicht verpflichtet, die durch eine Software generierten Suchergänzungsvorschläge generell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Der Betreiber ist grundsätzlich erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt.

Weist ein Betroffener den Betreiber auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern."(Zitat Ende)

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5 Kommentare

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Wenn man dem BGH hier folgt, dass die blosse Nennung der gegenständlichen Wortfolge bereits eine Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung darstellt, so muss man dies aber konsequenterweise auch für jeden Pressebericht, der sich mit diesem (aus der Wortfolge konstruierten!) Vorwurf auseinandersetzt, dasselbe schließen.

Damit wäre letztlich aber jegliche Auseinandersetzung mit dem Thema nicht mehr zulässig, was in der Konsequenz auch nicht sein kann.

 

pi

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Sehr geehrter Herr Piwinger., Sie schreiben:

Wenn man dem BGH hier folgt, dass die blosse Nennung der gegenständlichen Wortfolge bereits eine Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung darstellt, so muss man dies aber konsequenterweise auch für jeden Pressebericht, der sich mit diesem (aus der Wortfolge konstruierten!) Vorwurf auseinandersetzt, dasselbe schließen.

Damit wäre letztlich aber jegliche Auseinandersetzung mit dem Thema nicht mehr zulässig, was in der Konsequenz auch nicht sein kann.

Ihr Einwand klingt nur auf den ersten Blick nachvollziehbar, aber nicht auf den Zweiten:

Die Google-Autiovervollständigung hat eine andere Aussage als ein Pressebericht. In einem Pressebericht werden nämlich gerade nicht "Wortfolgen" als Suchvorschläge gemacht, sondern es werden konkrete Aussagen getroffen. Sind solche Aussagen persönlichkeitsverletzend, dann sind sie natürlich demselben Vorwurf ausgesetzt (das gilt schon immer und jeder Blogger wird in die Pflicht genommen). Persönlichkeitsverletzend  kann auch schon (wie in der Jauch-Sendung) eine scheinbar harmlos formulierte "Frage" sein, mit der ein ehrenrühriges Gerücht verbreitet wird.

Bei der Google-Autovervollständigung wird zwar nichts direkt behauptet oder gefragt, aber es wird eine Assoziation geweckt: Dadurch, dass (angeblich) eine große Anzahl der Menschen bei google nach dieser Wortfolge  suchen, wird ein Zusammenhang (indirekt) hergestellt, der laut BGH-Entscheidung eben auch persönlichkeitsverletzende Bedeutung haben KANN.  Ob dies tatsächlich im Einzelfall gegeben ist, muss dann ein Gericht entscheiden. Bisher hat Google sich einfach darauf zurückgezogen GAR NICHT zu reagieren, weil sie auf die auto-suggests keinen redaktionellen Einfluss habne bzw. nehmen (was eben nicht stimmt).

Letztes Jahr war es (über viele Wochen) so, dass derjenige, der bei Google irgendeine  Suche mit "B" beginnen wollte, die Wortfolge "Bettina Wulff P..." angeboten bekam - viele Millionen Menschen wurden mit dieser Assoziation konfrontiert. Um doch noch Ihren Vergleich mit der Presse zu bemühen: das wäre so, als würde die BILD diese drei Wörter hintereinander als Schlagzeile benutzen: Selbst wenn dann im Artikel darunter etwas anderes steht, kann eine solche Schlagzeile persönlichkeitsverletzend sein.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Ich verstehe, auf welchen Unterschied Sie hinauswollen. Aber kognitive Vorgänge funktionieren anders. "Einfach mit genug Dreck schmeißen, irgendwas bleibt immer hängen" ist ja eine bekannt -- und richtige -- Aussage. Das menschliche Unterbewusstsein speichert auch im sehr distanzierten Pressebericht im Zweifel den bestrittenen Zusammenhang ab. Wenn man also auf die Wirkung abzielt, so ist der Unterschied keiner.

Und das Argument der Konfrontation mit einer Assoziation ist auch durch einen Zeitungsartikel oder eine Fernsehsendung, die man beide im Vorbeigehen oder beim Zappen mitbekommen kann, auch gegeben, sogar in größerer Breitenwirkung.

Wir unterscheiden hier also auf intellektueller Ebene etwas, was in der Realität keinen Unterschied macht.

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Auch ich stimme der BGH Entscheidung ausdrücklich zu. Die Auto-Complete-Funktion kann große Auswirkungen auf die Persönlichkeitsrechte Betroffener haben, die es insbesondere vor unrichtigen bzw. diffamierenden Eingriffen zu schützen gilt. 

 

Rechtsanwalt in Sankt Augustin

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