Neues aus dem Sauerland: Akteneinsicht in Lebensakte, die es wohl gar nicht gibt...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.05.2013
Rechtsgebiete: LebensakteAG MendenStrafrechtVerkehrsrecht|3451 Aufrufe

Die Akteneinsicht ist derzeitig ein Dauerbrenner. Das AG Menden hat jetzt Akteneinsicht gewährt in eine Lebensakte, über deren Existenz sich das AG gar nicht mal so sicher war:

Dem Märkischen Kreis, Fachdienst Verkehrsordnungswidrigkeiten, lserlohn, wird aufgegeben, dem Betroffenen über seinen Verteidiger Akteneinsicht in folgende Unterlagen zu gewähren: Lebensakte des Geschwindigkeitsüberwachungsgeräts,TRAFFIPAX TraffiPhot S, Identifikation MK 015
hilfsweise,
dem Betroffenen über seinen Verteidiger unter Beifügung geeigneter Unterlagen Auskunft darüber zu erteilen, welche Wartungs— und/oder Reparaturarbeiten an dem oben bezeichneten Gerät in der Zeit zwischen dem 13.6.2012 (letzte Eichung) und dem 1.12.2012 (Tattag) vorgenommen worden sind.

Gründe:
Gegen den Betroffenen ist unter dem 7.2.2013 ein Bußgeldbescheid des Märkischen Kreises wegen des Vorwurfs ergangen, am 1.12.2012 um 1.9:46 Uhr in Menden als Fahrer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen xxxxxxx auf der L 679, Abtissenkamp, die dort außerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 31 km/h überschritten zu haben.

Gegen diesen Bußgeldbescheid hat der Betroffene frist— und formgerecht Einspruch eingelegt und dann unter anderem beantragt, seinem Verteidiger die „Lebensakte" des oben bezeichneten Messgeräts zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen.

Mit Schreiben vom 7.2.2013 hat der Märkische Kreis dem Verteidiger unter Berufung auf Kommentarliteratur mitgeteilt, dass eine „Lebensakte" des Geräts nicht geführt werde und im Übrigen solche Unterlagen auch nicht zum — einsichtsfähigen — Inhalt einer Bußgeldakte gehörten.

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 21.3.2013.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 21.3.2013 ist zulässig und auch begründet.

Die von Göhler in Randziffer 49 zu § 60 OWiG vertretene Auffassung wird in der Rechtsprechung keineswegs durchgängig geteilt.

Auch das angerufene Gericht ist der Auffassung, dass angesichts einer immer komplexer werdenden Überwachungstechnik im Straßenverkehr, die nach der gerichtlichen Erfahrung entgegen vielfach geäußerter Auffassung keineswegs fehlerfrei ist, es ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit ist, dem Betroffenen die behördeninternen Unterlagen über das zum Einsatz gekommene Messgerät zur Verfügung zu stellen, die ihm überhaupt erst eine konkrete Rüge der ihn betreffenden Messung ermöglichen.

Daher war dem Antrag des Betroffenen vom 21.3.2013 stattzugeben. Für den Fall, dass tatsächlich beim Märkischen Kreis gesonderte „Lebensakten" für die eingesetzten Messgeräte nicht geführt werden, sind hilfsweise dem Betroffenen über seinen Verteidiger die oben im Einzelnen ausgeführten Auskünfte zu erteilen.

AG Menden, Beschl. v. 17.04.2013 - 8 OWi 44/13 (b)

Ein herzliches Dankeschön für die Einsendung an Rechtsanwalt Ulrich Schorner aus dem schönen Neuenrade!

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