Rechtsreferendare in der Anwaltsstation - Beitragspflicht zur Sozialversicherung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 24.04.2013

Die Bundesländer beschäftigen die Rechtsreferendare heute nicht mehr im Beamten-, sondern in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. Das spart ihnen spezifisch beamtenrechtliche Aufwendungen wie Beihilfe in Krankheitsfällen, begründet im Gegenzug aber die Sozialversicherungspflicht. Das LSG Hamburg hatte jetzt über die Frage zu entscheiden, ob und von wem die Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten sind, wenn Referendare neben ihrer Ausbildungsvergütung von dritter Seite Arbeitsentgelt erhalten. Dies betrifft insbesondere die Anwaltsstation, während derer viele der ausbildenden Anwaltskanzleien ihren Referendaren eine zusätzliche Vergütung zukommen lassen. Das LSG sah - jedenfalls im Geltungsbereich des hamburgischen Juristenausbildungsgesetzes - nicht etwa die Anwaltskanzlei, sondern die Freie und Hansestadt Hamburg als verpflichtet an, die Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Daran ändere der Umstand nichts, dass die Stadt auf "Ob" und Höhe der zusätzlichen Vergütung keinen Einfluss habe (LSG Hamburg, Urt. vom 28.11.2012 - L 2 R 16/10, NZS 2013, 300):

1. Die Freie und Hansestadt Hamburg ist grundsätzlich alleinige Arbeitgeberin der von ihr nach dem derzeit geltenden Hamburgischen Landesrecht in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis beschäftigten Rechtsreferendare.

2. Werden diese einer Ausbildungsstation (hier: einer Rechtsanwaltskanzlei) zugewiesen, und erhalten sie von den dortigen Ausbildern in Anerkennung des wirtschaftlichen Nutzens ihrer zu Ausbildungszwecken ausgeübten Tätigkeit neben der von der Freien und Hansestadt Hamburg gezahlten Unterhaltsbeihilfe eine über der Geringfügigkeitsgrenze liegende zusätzliche Vergütung, handelt es sich sowohl bei der Unterhaltsbeihilfe als auch bei der zusätzlich gezahlten Vergütung um Arbeitsentgelt aus einem einheitlichen, nicht abtrennbaren (Ausbildungs)-Beschäftigungsverhältnis.

3. Hieraus folgt, dass die Freie und Hansestadt Hamburg zur Zahlung des auf die Unterhaltsbeihilfe und die zusätzliche Vergütung entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrags zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung verpflichtet ist. Dass der zusätzlichen Vergütung eine Vereinbarung zwischen der Ausbildungsstelle und den Referendaren zu Grunde liegt, auf welche die Freie und Hansestadt Hamburg keinen Einfluss hat oder nimmt, führt zu keiner anderen Beurteilung. ...

Da die Rechtsfigur des "einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses" und die daraus resultierende Behandlung des Arbeitsentgelts auf Bundesrecht beruht (§ 7 Abs. 1, § 14 Abs. 1 SGB IV), hat das Urteil über die Grenzen der Freien und Hansestadt Hamburg hinaus bundesweite Bedeutung.

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4 Kommentare

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Angesichts des ausdrücklichen Hinweises auf die Vergütung, die "über der Geringfügigkeitsgrenze" liegt, stellt sich die Frage, ob sich eine andere Bewertung ergibt, wenn die zusätzliche Vergütung unter der Grenze liegt.

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@ TW. Wenn man - wie das LSG - ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis annimmt, kommt es auf die Höhe der zusätzlichen Vergütung (allein) nicht an. Entscheidend ist lediglich, dass die Gesamtsumme aus "Unterhaltbeihilfe" und zusätzlicher Vergütung mehr als 450 Euro beträgt - und das dürfte trotz der skandalös niedrigen Unterhaltsbeihilfe wohl in allen Bundesländern der Fall sein, weil allein diese bei rund 1.000 Euro liegt.

Vielen Dank für die schnelle Reaktion!

Wenn ein "einheitliches Beschäftigungsverhältnis" angenommen wird, müsste die zusätzliche Vergütung der Wahl- bzw. Anwaltsstation auch nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI iVm § 32 Abs. 3 S. 3 JAG NRW rentenversicherungsfrei sein, oder liege ich da falsch? Ebenso stellt sich die Frage, warum in den meisten Fällen für die zusätzliche Vergütung Lohnsteuerklasse 6 zugrunde gelegt wird?

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@ TW

§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI: Ja, die Beschäftigung ist, solange sie im Rahmen der Ausbildung erfolgt, versicherungsfrei. Das hat das BSG schon vor 35 Jahren so entschieden (Urt. vom 31.5.1978 - 12 RK 25/77, BeckRS 1978, 30415387). Damals waren die Referendare zwar noch Beamte, aber das ändert an der rechtlichen Beurteilung insoweit nichts. Voraussetzung ist natürlich, dass nach Landesrecht - wie in § 32 Abs. 3 Satz 4 JAG NRW - eine beamtenähnliche Versorgung gewährleistet ist. Das trifft offenbar nicht auf alle Bundesländer zu.

Steuerrecht: Davon verstehe ich zu wenig. Möglicherweise erfolgt hier eine andere rechtliche Beurteilung, weil die Entgelte von zwei verschiedenen "Arbeitgebern" stammen.

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