Der Richter, der keine Ahnung hat, ist noch lange nicht befangen

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 17.04.2013
Rechtsgebiete: Familienrecht7|6610 Aufrufe

Der Vater, der die Mitsorge (wieder) erlangen wollte, warf der Richterin vor, die sie habe sich "seit der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Umgang im März 2009 nicht weiter fortgebildet“. Die "weiter bestehende fachliche Unkenntnis bei der Abteilungsrichterin“ werde zu „weiteren kindeswohlschädlichen Entscheidungen führen“. Zudem „offenbarten“ die Verfügungen der Abteilungsrichterin, im Verfahren betreffend die elterliche Sorge eine Kindesanhörung durchführen zu wollen, dass sie „den Inhalt ihrer Akten nicht kennt“ bzw. „dass ihr die fachliche Kompetenz fehlt".

Dehalb sei die Richterin befangen.

Abgelehnt.

Ebenso wie bei einem Sachverständigen könne auch bei einem Richter der Befangenheitsantrag nicht auf einen etwaigen Mangel an Sachkunde gestützt werden.

 Dies beruht darauf, dass ein derartiger Vorwurf schon im Ansatz nicht die für eine etwaige Besorgnis der Befangenheit entscheidende Unparteilichkeit berührt; einer etwaigen „fehlenden Fachkunde“, „unzureichenden Fortbildung“ oder mangelnder Sorgfalt sehen sich vielmehr alle Beteiligten eines Verfahrens in gleicher Weise ausgesetzt... Zudem sehen die Verfahrensordnungen gegen möglicherweise inhaltlich unzutreffende Endentscheidungen der Gerichte ein differenziertes Rechtsmittelsystem vor, in dem - soweit geboten - eine Korrekturmöglichkeit eröffnet ist. Nicht zuletzt dürfte einer - vom Beschwerdeführer erstrebten - „Qualitätskontrolle“ des zuständigen Richters unter Missbrauch des Befangenheitsrechts durchgreifend auch das verfassungsrechtlich besonders geschützte Prinzip des gesetzlichen Richters entgegenstehen.

OLG Celle v. 25.03.1013 - 10 WF 372/12

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7 Kommentare

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Ich frage mich gerade, warum ein Richter für eine Sache eingesetzt wird, der keine fachliche Kompetenz hat?

Ich setzte ja auch keinen Metzger als Feuerwehrmann ein oder Polizisten.

Und die Aktenlage sollte ein Richter vor einer Verhandlung doch sich durchlesen und dann auf Grund der Gesetzeslage entscheiden. Oder ist das ein Traumgedanke?

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"sehen sich alle Beteiligten eines Verfahrens in gleicher Weise ausgesetzt" und daraus folgend keine Befangenheit gegenüber einer Partei  ist ein schönes Argument.

Ein Familienrichter in München, der sich in einem Verfahren betreffend eine Lebenspartnerschaft über die angebliche Promiskuität in Homosexuellenkreisen ausließ, und dann abgelehnt wurde, argumentierte so:

Er sei nicht voreingenommen,  und außerdem seien ja beide Parteien homosexuell (Süddeutsche Zeitung vom 17.05.2010 "Moral mti zweierlei Maß").

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Nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit wirkt sich die Ahnungslosigkeit eines Richters überwiegend zu Lasten dessen aus, der mehr im Recht ist.

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Ein Richter, der sich auf unverschämte Weise von einer Partei anhören muss, er sei inkompent, kann aber dadurch gerade dann befangen werden, wenn er in Wahrheit kompentent ist.

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noch ein anderer Gast schrieb:

Ein Richter, der sich auf unverschämte Weise von einer Partei anhören muss, er sei inkompent, kann aber dadurch gerade dann befangen werden, wenn er in Wahrheit kompentent ist.

Dann könnte man einen unliebsamen Richter durch Pöbeleien befangen machen und so aus dem Verfahren herausschiessen.

Kan nicht richtig sein, oder?

Grob rechtsfehlerhafte Entscheidungen oder eine Vielzahl von Verfahrensfehlern kann aber nach herrschender Meinung schon die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, vor allem wenn sich die Fehler immer zulasten einer Partei auswirken.  Dann darf die Partei befürchten, daß der Richter ihr gegenüber nicht unvoreingenommen ist, auch wenn es sich "nur" um Rechtsfehler handelt.

 

Die Auffassung des OLG Celle, für die Rechtsfehlerkontrolle sei der Instanzenzug dar, ist in diesem Zusammenhang nicht zutreffend. Viele Verfahrensfehler, die zu einem unrichtigen Ergebnis führen, lassen sich nicht ohne weiteres in der Rechtsmittelinstanz heilen und nicht gegen jeden Verstoß gegen die Verfahrensordnung ist auch ein Rechtsmittel gegeben. Gerade deshalb muß auch das Ablehnungsrecht genutzt werden (dürfen), um das Gericht auf den "rechten" Weg zu führen.

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Ach, wann ist denn ein Richter schon einmal befangen? Die Richter, die über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden haben, sind in der Regel Kollegen des Abgelehnten. Man duzt  sich, man versteht sich, aber man ist nicht in der Lage, sich in die Rolle der "verständigen" Partei zu versetzen, die die Besorgnis der Befangenheit äußert.

 

Erst vergangene Woche war ich wieder nah der Verzweiflung. Ein Richter setzte mir per Fax eine ultimative Stellungnahmefrist von 30 Minuten (!)  auf eine gar nicht eilbedürftige Eingabe der Gegenseite, ohne überhaupt zu wissen, ob ich zu diesem Zeitpunkt in der Kanzlei und in der Lage sei, kurzfristig Stellung zu nehmen. Als ich für den Mandanten den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnte, sekundierte ihm sein Kollege  in dem Verwerfungsbeschluß: der Umstand, daß ich einen Befangenheitsantrag habe stellen können, sei doch der beste Beleg dafür, daß ich das Schreiben des Gerichts zur Kenntnis genommen habe und sofort hätte Stellung nehmen können... Kafkaesk.

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