Jeder macht seins

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 07.03.2013
Rechtsgebiete: Familienrecht|3086 Aufrufe

In dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft „macht jeder seins“, d.h., jeder Ehegatte verwaltet sein Vermögen selbständig (§ 1364 BGB) und kann den anderen durch den Abschluss von Verträgen nicht binden.

Ausnahmen

1. („nach unten“):  Bei Geschäften zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs wird jeder der beiden Eheleute verpflichtet und berechtigt (§ 1357 BGB)

2. („nach oben“):  Bei Verfügungen über das Vermögen als Ganzes bedarf es der Einwilligung des anderen Ehegatten (§ 1365 BGB). Ohne Zustimmung ist das Geschäft nichtig. Dies gilt auch, wenn das Geschäft nicht auf die Übertragung des gesamten Vermögens als solches gerichtet ist, sondern auch, wenn ein einzelner Vermögensgegenstand veräußert wird, der im Wesentlichen das ganze Vermögen des Veräußerers darstellt, und wenn der Vertragspartner dies weiß oder zumindest die Verhältnisse kennt, aus denen sich dies ergibt. Eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen kann dann vorliegen, wenn der Ehegatte - bei kleineren Vermögen - mit einem oder mehreren Einzelgegenständen mehr als 85 % seines Vermögens überträgt.

In dem vom BGH jüngst entschiedenen Fall (BGH v. 16.01.2013 XII ZR 141/10) hatte die Ehefrau im Frühjahr 2009 das Eigentum an einem Haus zur Hälfte an ihren (vorehelichen) Sohn ohne Zustimmung des Ehemannes veräußert. Im Januar 2002 übertrug sie die andere Hälfte und weitere Grundstücke an den Sohn und eine weitere voreheliche Tochter. Damit war ihr Vermögen aufgebraucht.

An dem Untergeschoss des Hauses bewilligten die Kinder ihrer Mutter ein dingliches Wohnrecht.

Der Ehemann verlangt von der Tochter Zustimmung zur Grundbuchberichtigung.

Seine Klage blieb erfolglos.

Nach Auffassung des BGH ist das im Gegenzug erhaltene Wohnrecht zu berücksichtigen. Für die Beurteilung, ob eine Verfügung im Wesentlichen das ganze Vermögen des Ehegatten erfasst, ist die Vermögenslage vor und nach der Verfügung zu betrachten.

Während sich vor der Übertragung eines Grundstücks regelmäßig der - um valutierende Belastungen - verringerte Wert des Grundstücks im Vermögen des Ehegatten befand, besteht sein Vermögen nach der Übertragung (allein) in dem dinglichen Wohnungsrecht.


Der Berücksichtigung des Wohnungsrechts steht nicht entgegen, dass dessen Bestellung eine von der Eigentumsübertragung getrennte Verfügung ist. Jedenfalls wenn die zur Eigentumsübertragung und zur Bestellung des Wohnungsrechts erforderlichen Willenserklärungen - wie im vorliegenden Fall - in einem einheitlichen Vertrag abgegeben werden und miteinander stehen und fallen, hat der Veräußerer den mit dem (Haus-)Grundstück verbundenen Wert bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht vollständig aus der Hand gegeben. Dem veräußernden Ehegatten bleibt vielmehr ein Teil des Wertes des zuvor in seinem Eigentum stehenden Grundstücks durch das Wohnungsrecht weiterhin erhalten. Das Wohnungsrecht stellt  - ungeachtet seiner Bezeichnung im Vertrag - jedenfalls wirtschaftlich betrachtet keine Gegenleistung für die Eigentumsübertragung dar, die bei der Anwendung von § 1365 BGB unberücksichtigt bliebe. Es verkörpert vielmehr einen dem Verfügenden in anderer rechtlicher Form verbleibenden Teil des mit dem Hausgrundstück verbundenen Vermögenswertes. Daher kann es auch nicht darauf ankommen, ob das Grundstück vor der Übertragung  oder erst im Übertragungsvertrag mit einem dinglichen Recht belastet wird. Schließlich kann in dem Fall, dass der übertragende Ehegatte sich ein Wohnungsrecht vorbehält, nichts grundsätzlich anderes gelten, als wenn ihm ein Wohnungsrecht an einem anderen als dem übertragenen Grundstück zusteht, was zweifelsfrei als Bestandteil des verbleibenden Vermögens zu berücksichtigen wäre.

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