Der Fall Mollath in der Wiederaufnahme

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 23.02.2013

Der Fall Mollath hält mittlerweile seit gut drei Monaten die bayerische Öffentlichkeit in Atem.

Ich hatte in meinem ersten Beitrag (hier) auf einige schon aus dem schriftlichen Urteil erkennbare Schwächen der Beweiswürdigung Bezug genommen. Inzwischen hatte ich Gelegenheit, sehr viele weitere Einzelheiten zu erfahren, die meinen ersten Eindruck, dass hier etwas im Argen liegt, bestätigen bzw. noch weit übertreffen: Nicht nur die Beweiswürdigung, auch die Beweisaufnahme zu den angeklagten Taten in Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung war fehler- und lückenhaft.

Das Wiederaufnahmegesuch

In dieser Woche nun hat Mollaths Verteidiger einen Wiederaufnahmeantrag gestellt (Quelle), in dem außerdem die Verfahrensgeschichte so detailreich dokumentiert wird, wie es bisher noch nicht in der Öffentlichkeit geschehen ist. Wer Gelegenheit hatte, in die Akten dieses Falls Einblick zu nehmen, kennt diese Geschichte bereits. Und wenn man sich ein bisschen länger mit der Sache beschäftigt, hat man noch weit mehr erfahren, denn Strates Wiederaufnahmegesuch muss sich ja auf die Umstände konzentrieren, die nach § 359 StPO aus seiner Sicht als Wiederaufnahmegründe zu nennen sind. Der Antrag überzeugt mich.

Dabei nennt er nicht einmal alle aus meiner Sicht in Betracht kommende Gründe, sondern konzentriert sich weitgehend auf die Rechtsbeugungsvorwürfe gegen den Vorsitzenden der damaligen Strafkammer.

Um es kurz zu machen: Die Strafsache Mollath ist eine bisher von mir nie gesehene Ansammlung von vorsätzlichen Gesetzesverletzungen, gravierenden Verfahrensfehlern, gepaart mit schweren Verteidigungsfehlern und Versagen von kontrollierenden Instanzen. Hinzu kommt eine – angesichts der (sachlich formulierten) Schreiben Mollaths - geradezu unmenschlich erscheinende Ignoranz der jeweiligen Adressaten.

Einige solcher Fehler kommen in jedem Strafverfahren vor, aber sie werden regelmäßig korrigiert bzw. kompensiert durch die Kontrolle des Richterkollegiums, Sachverständigengutachten, der Revisionsinstanz, der Strafverteidigung, der zur Objektivität verpflichteten Staatsanwaltschaft und die regelmäßigen Überprüfungen der Unterbringung durch Strafvollstreckungskammer. Hier aber haben offenbar alle Kontrollmechanismen versagt. Es ist nachvollziehbar dass es Herrn Mollath so vorkommt, als habe man sich gegen ihn verschworen.

Reaktion bayerischer Richter und Staatsanwälte

Es ist trotzdem erstaunlich schwierig, hohe und höchste Justizjuristen in Bayern davon zu überzeugen, was sie da vor sich haben.  Die Nürnberger Justizsprecherin hat jüngst lediglich ein paar  „handwerkliche Fehler“ im Urteil eingeräumt (Quelle), und meinte damit aber nur die offenkundigen Schreib- und Verwechslungsfehler.

Herr Mollath ist derweil weiterhin im Bayreuther Bezirksklinikum untergebracht – die Strafvollstreckungskammer hat offenbar beschlossen, das Wiederaufnahmeverfahren abzuwarten, bevor man sich wieder mit Herrn Mollath befasst – auch das erscheint mir eine fragwürdige Verfahrensweise. Sobald die Strafvollstreckungskammer davon Kenntnis erhält, dass die Voraussetzungen einer Unterbringung nicht mehr oder noch nie vorgelegen haben, muss sie die Unterbringung für erledigt erklären. Die Anzeichen dafür haben sich seit November verdichtet. Und wenn nicht die neuen Tatsachen und die mittlerweile offenkundig werdenden Fehler ausreichen, dann sollte man sich ernsthaft darüber Gedanken machen, ob die Unterbringung noch verhältnismäßig ist – bevor das Bundesverfassungsgericht dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erneut in einem Unterbringungsfall Geltung verschaffen muss.

Die bayerische Justiz soll bei allem nicht pauschal unter Verdacht gestellt werden. Ich kenne viele hervorragende Juristen und aufrichtige wie nachdenkliche Menschen in der bayerischen Justiz, seien sie als Staatsanwälte oder Richter tätig. Sie können sich bisher einfach nicht vorstellen, dass Herr Mollath tatsächlich zu Unrecht untergebracht ist und empfinden deshalb die Bewertungen in der Presse, im Fernsehen und im Internet als ungerechte und geradezu unverschämte Einmischung in ein alles in allem rechtsstaatlich funktionierendes System. Ich denke, dass gerade die Reaktionen solcher Personen wie des Nürnberger Generalstaatsanwalts  und auch der Justizministerin selbst damit zu erklären sind, dass sie sich erstens loyal vor „ihre“ Behörde stellen wollen, zweitens über den Verfahrensgang unzureichend informiert wurden und drittens deshalb das Ausmaß des Unrechts in diesem Fall unterschätzen. Sie meinen, wie leider auch einige JournalistInnen von Zeit und Spiegel-Online,  im Großen und Ganzen könne man immer noch die (weitere) Unterbringung des Herrn Mollath vertreten. Und die sieben Jahre Psychiatrie habe Mollath sich letztlich durch Körperverletzung und Sachbeschädigung sowie seiner querulatorisch-wahnhaften und unkooperativen Persönlichkeit selbst zuzuschreiben. In die (rechtskräftige) Entscheidung unabhängiger Gerichte dürften sich Öffentlichkeit und Politik ohnehin nicht einmischen.

Wenn ich aber mit Juristen über die mir bekannten Einzelheiten des Falls spreche, dann gerät das Bild regelmäßig ins Wanken. Meine Gesprächspartner beginnen dann zu verstehen, dass hier möglicherweise doch gravierendes Unrecht im Gange ist und dass die öffentliche Befassung mit dem Fall Mollath nicht nur ein künstlicher Medienhype ist, um der bayerischen Justiz und ihrer Ministerin zu schaden, sondern einen realen Hintergrund hat.

Ich bin auch überzeugt davon, dass jeder redliche Volljurist bei Aktenkenntnis zu dem Ergebnis käme, zu dem ich auch gekommen bin: Hier sind so viele und so erhebliche Fehler gemacht worden, dass die Rechtskraft des Urteils und die weitere Unterbringung des Herrn Mollath nicht mehr mit rechtsstaatlicher Legitimität aufrecht erhalten werden kann.

Staatsanwaltschaft, Psychiatrie, Gericht – alle Institutionen, die sich gegenseitig auch kontrollieren sollen, haben sich teilweise unter schwerwiegender Missachtung von Normen, die einen Beschuldigten schützen sollen, instrumentalisieren lassen zu Entscheidungen, die im Lichte betrachtet gesetzes- und rechtsstaatwidrig sind. Ein Richter hat sich offenbar hinreißen lassen dazu unter grober, teilweise nur mit Vorsatz erklärbarer  Missachtung von Gesetz und Recht  ein Strafverfahren mit einem schwerwiegenden Ergebnis zu produzieren.

Dies gilt schon unabhängig von dem HVB-Bericht, der die Geldgeschäfte von Mollaths Ehefrau (also den Kern des angebliches „Wahns“ bestätigte). Und es gilt auch unabhängig von dem Anruf des Richters bei der Steuerfahndung, die Anzeige Mollaths sei wahnhaft und deshalb nicht weiter beachtlich.

Obwohl das Verfahren zahlreiche revisible Verfahrensverstöße aufwies, wurden diese in der Revision nicht auf zulässige Weise gerügt und sind jetzt für die Wiederaufnahme gleichsam „verbraucht“.

Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg?

Es war am Ende eine richtige Entscheidung der Ministerin, die Staatsanwaltschaft zu beauftragen, einen Wiederaufnahmeantrag vorzubereiten. Denn auf diesem Weg hatten nun neutrale bis dahin nicht befasste Regensburger Staatsanwälte Auftrag und Gelegenheit, die Nürnberger Akten zu prüfen. Und das Erschrecken war, wie man hört, groß. Man hat bisher wohl kaum einmal ein solches ungutes Zusammenwirken von Fehlern und Versäumnissen auf allen Ebenen feststellen können. Ich bin sicher, dass sich dieses Wissen auch in den höheren Etagen der bayerischen Justiz verbreiten wird, auch wenn nicht unbedingt öffentliche Fehlereingeständnisse die Folge sein werden. Der Generalstaatsanwalt in Nürnberg hat eine schwierige Entscheidung zu treffen, denn mit der Wiederaufnahme treten auch Versäumnisse seiner eigenen Behörde zutage. Aber ich bin sicher, er hat die nötige Professionalität, nun auch den staatsanwaltlichen Wiederaufnahmeantrag auf den Weg zu bringen – dies wäre ein vertrauensbildendes Zeichen, dass die Justiz selbst bereit ist, Fehler einzuräumen und eine Korrektur einzuleiten.

Zum Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr.3 StPO

Kurz zur rechtlichen Bewertung; dazu kann ja unten noch diskutiert werden. Der Rechtsbeugungsvorwurf stellt einen Wiederaufnahmegrund nach § 359 Nr.3 StPO dar, und damit den "absoluten" WA-Grund der strafbaren Amtspflichtverletzung eines mitwirkenden Richters. "Absolut" ist dieser WA-Grund, weil es nicht darauf ankommt, ob die Rechtsbeugung sich direkt auf die Feststellungen des  Urteils ausgewirkt hat. Das Gesetz geht vielmehr davon aus, dass jedes Urteil aufzuheben ist, wenn sich herausstellt, dass ein mitwirkender Richter sich "in Beziehung auf die Sache" strafbar gemacht hat. Dieser WA-Grund wurde allerdings bisher in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte meines Wissens noch nie bejaht.

Die anderen Gründe beziehen sich auf neue Tatsachen nach § 359 Nr.5 StPO - der häufigste WA-Grund. Hier muss im Einzelnen geprüft werden, ob diese neuen Tatsachen auch ein anderes Urteil ergeben hätten ("Erheblichkeitsprüfung").

Das LG Regensburg wird mit der Prüfung des WA-Antrags befasst sein. Die Entscheidungsoptionen habe ich am Ende des vorigen Beitrags (Update 20.02.2013) bereits dargelegt.

 

Die ausufernde Diskussion im vorherigen Beitrag wird geschlossen, sie kann natürlich weiterhin nachgelesen werden, und unter diesem Beitrag fortgeführt werden.

 

UPDATE am 7. März 2013

Die heutige Ankündigung aus dem Justizministerium, dass der seit Wochen vorbereitete Antrag der Staatsanwaltschaft Regensburg, das Verfahren im Fall Mollath zugunsten des Untergebrachten wieder aufzunehmen  "in Kürze" gestellt werde (MittBay Zeitung), kommt eigentlich nicht überraschend. Schließlich hat die Justizministerin die Staatsanwaltschaft mit einer solchen Antragstellung beauftragt. Dass die Nachricht jetzt doch bei allen, die den Fall beobachten, mit deutlich spürbarem Aufatmen registriert wird, hängt mit Folgendem zusammen: In den letzten Tagen war der Eindruck entstanden , der Nürnberger Generalstaatsanwalt, der in der Behördenhierarchie über den Regensburgern steht, habe womöglich Zweifel und würde möglicherweise den Antrag doch nicht stellen lassen. Es wurde auch der Vorwurf der "Befangenheit" des GenStA erhoben und dann heute versucht, diesem mit einem Dringlichkeitsantrag im Landtag (von den Freien Wählern und den Grünen) den Fall zu entziehen - der Antrag scheiterte allerdings  (SZ).

Rechtlich ist nach der Gesetzeslage eine staatsanwaltliche Befangenheit weitgehend  irrelevant. Aber im Fall Mollath, in dem es einerseits um die Freiheit eines seit sieben Jahren untergebrachten Menschen geht, andererseits um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die bayerische Justiz, sind eben nicht nur rechtliche, sondern auch politische und öffentlichkeitswirksame Maßstäbe anzulegen.

Dies hat der CSU-Abgeordnete Weidenbusch erkannt (SZ), als er anregte, eine Staatsanwaltschaft außerhalb des OLG-Bezirks Nürnberg mit dem Wiederaufnahmeantrag zu betrauen. Dennoch schiene es mir bedenklich, wenn eine solche Frage durch das Parlament entschieden werden sollte.

Aber wie schon oben in meinem Beitrag angemerkt: Die Nürnberger Staatsanwaltschaft hat das ursprüngliche Strafverfahren gegen Mollath betrieben. Und eine Staatsanwaltschaft hat in einem Strafverfahren nicht nur einseitig die Interessen gegen einen Angeklagten zu vertreten, sondern ist zugleich auch Wächter über die Einhaltung der Verfahrensnormen. Insofern könnten die Verfahrensverstöße, die in dem Verfahren nun zutage getreten sind – teilweise dokumentiert im Antrag Strates – auch auf Versäumnisse der Nürnberger Staatsanwaltschaft hinweisen. Der jetzige Generalstaatsanwalt war zwar damals noch nicht in dieser Funktion, so dass eine persönliche Befangenheit insofern nicht besteht, aber er sitzt dennoch strukturell "zwischen den Stühlen". Ich habe oben in meinem Beitrag schon geschrieben, dass ich in dieser Hinsicht letztlich denke, dass die Professionalität ausreichen müsste, richtig einzuschätzen, dass bei den offensichtlichen und gravierenden Fehler der bayerischen Justiz, die im Wiederaufnahmeverfahren zutage treten werden, nur durch Transparenz und Objektivität Vertrauen in die Institutionen zurück gewonnen werden kann. Mittlerweile müsste das Interesse der bayrischen Justiz deshalb dem Interesse Herrn Mollaths entsprechen.

Ein Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft wird belegen: Nicht nur Herr Mollath, seine Verteidiger und einige Internetblogger sehen, dass das rechtskräftige Urteil gegen Herrn Mollath nicht bestehen bleiben kann - auch die Staatsanwaltschaft sieht das so.

Wenn der staatsanwaltliche Antrag eingereicht ist, wird eine Kammer des LG Regensburg über beide Anträge entscheiden. Die Optionen habe ich hier (am Ende des Beitrags)  schon aufgeführt.

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1119 Kommentare

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>>Ich werde das Gefühl nicht los, Herr Strate geht aus Eigennutz ein zu hohes Risiko ein, nach der Art, wenn er damit durchkommt, schreibt er Rechtsgeschichte -- statt dass er eine Argumentation nimmt, die mehr Erfolgsaussichten hat, aber keine Rechtsgeschichte schreiben würde...<<

 

@ Anonymous

 

Das ist wahrscheinlich das, was Sie am meisten stört. Das H. Strate Rechtsgeschichte schreiben könnte und Sie nicht.

 

http://blog.strafrecht.jurion.de/2013/02/der-fall-mollath-rueckblickausblickueberblick/

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@ Anonymous

Ich lebe leider nicht in einer sog. idealen Welt.

Ferndiagnose - Wahn. Mein angebl. Glauben, war von anderen diktiert. Straftaten: keine.

Dass jeder eine Greencard besitzt, mich als deppert zu betrachten und es auch laut zu sagen, ist seit 4 1/2 Jahren mein Alltag. Ideale Welt?

Und können Sie mir erklären, warum ich mich begutachten lassen sollte? Ich habe absolut nichts getan - oder sind alle Menschen dazu verpflichtet, wenn eine demokratische Mehrheit es so wünschen?

Zurück zu Mollath.

Es wundert mich einfach, dass Dr. Leipziger beim Urteil am 08.08.2006 einen Wahn feststellen konnte. Mit der Schlussfolgerung: Herr Mollath würde zukünftig Reifen zerstechen und alle mögliche Schwarzgeld-Leute angreifen.

Wie konnte er zu dieser Schlussfolgerung kommen, wenn er nicht mal wusste, ob Herr Mollath die vorgeworfenen Straftaten begangen hatte und Herr Mollath sie auch nicht eingestanden hatte.

Sie haben recht, was Ihre Kinderschändertheorie betrifft. Deswegen ist es ja so wichtig, die Straftaten nüchtern und objektiv zu betrachten - ohne Wahnvorstellungen.

Gruss

Tine Peuler

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Die Diskussion über den Antrag der Staatsanwaltschaft ist doch in dem Augenblick überflüssig, in dem das Gericht über den Antrag von Strate entschieden hat, oder?

 

Der Antrag ist doch nur wichtig, für die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeverfahrens.

 

Und sollte dann per Beschluss gem. § 371 StPO das Urteil aufgehoben werden, wird wahrscheinlich nie in den Akten festgehalten, dass die Tatvorwürfe unzutreffend sind. Wäre Pech für Herrn Mollath, er wollte doch rehabilitiert werden!

 

Also ist - von Mollath aus gesehen - ein Antrag der StA doch nur insofern wichtig, als hier entlastende Beweise für die vorgeworfenen Taten vorgelegt werden würden.

Ein Wiederaufnahmegrund ist doch genug, Strate hat mehrere geliefert, also eh schon Fleißarbeit. Er hat juristische Denkakrobatik geleistet, statt sich mit banalen unechten Attesten und anderem, was jedem Laien erklärt hätte werden können, zu befassen.

 

 

 

 

 

 

 

 

5

Den User "Anonymous"? 

Einfach ignorieren!

 

Den Herrn, die Frau: sollte man vielleicht nichts links, aber jedenfalls rechts liegen lassen. Dann kann sich die Diskussion wieder auf die längst offen gelegten Fakten und vor allem die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG konzentrieren. Darauf kommt es an.

 

Alles andere ist nur Verschwendung von Energie; der Blick auf das Wesentliche geht verloren.

 

 

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Da die Ausführungen von "Anonymous" in Inhalt, Sprachdukus und Rhetorik an Parlamentsreden erinnern,

sei hier in Stile eines Plenarprotokolls ergänzt:

 

(Beifall bei der CSU - Fassungslosigkeit und Entsetzen im Blog und im Rest der Republik)

 

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Noch ein kurzer Nachtrag zum Vorwurf der Systemkritik und um dem desastroesen "Bild" des Richter Brixner mal etwas entgegenzusetzen: 

Christoph Strecker, seines Zeichens Richter a.D. hat unter großem Beifall heute Abend auf dem Stuttgarter Marktplatz mitgeteilt, bei der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft Berlin eine Strafanzeige wegen Subventionsbetrug (S 21) eingereicht zu haben. Vorher hat der mittlerweile "legendäre" OSta Haeussler sein Fett abgekriegt. 

 

Unter anderem fiel der für einen Richter a.D. bemerkenswerte Satz "Wenn man sich in Deutschland auf das Recht verlässt,kann es sein, dass man sich nicht zu wundern braucht, wenn man eine böse Überraschung erlebt." 

 

Es gibt durchaus auch zahlreiche "Vorzeigerichter", Beispiele für Integrität und Sachkunde. Und "unabhängige" Richter, die noch nicht pensioniert sind. 

 

Mir scheint, mittlerweile geht es auch um so etwas wie einen Richtungsstreit gegen eine Art "schwarze Justiz", die sich das Recht zur Beute gemacht hat und es mittlerweile einfach übertrieben hat - sei es zwecks  Durchsetzung von Politikzielen oder zwecks Mundtot-machen von Menschen wie Herrn Mollath. 

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@O. García: "konkret wissen, was Sie ... geschrieben hätten" Ich habe keine Patentlösung für den perfekten Wiederaufnahmeantrag in der Tasche. Der von Herrn Strate jedenfalls versucht es mit unerprobten, gewagten und daher riskanten juristischen Argumentationen. Ganz konkret habe ich schon gesagt, dass es falsch war, der Staatsanwaltschaft die "Pflicht" zu überlassen. Es wäre vermutlich der bessere Ansatz gewesen, hätte Herr Strate sich auf diese Punkte konzentriert, und sie in einer für seinen Mandanten günstigstmöglichen Form aufgearbeitet, statt alles Staatsanwaltschaft zu überlassen. Das schließt die riskantere Argumentation als Zusatz, also "Kür", dann ja nicht aus. Wer sagt, dass die Staatsanwaltschaft nicht absichtlich einen unzureichenden Antrag einreichen wird? Man kann nicht auf den guten Willen einer Staatsanwaltschaft vertrauen, dass sollte jeder Verteidiger wissen. "sondern auf ihre Argumentation, das Urteil wäre richtig, wenn man nur - wie das Gericht es tat - die Taten und den Wahn bejahte" Ich hielte das Urteil dann für im Grundsatz nachvollziehbar und diesbezüglich nicht zu beanstanden. Das heißt aber nicht, dass ich es auch für richtig halte oder seine ja zahlreich vorhandenen Fehler relativieren möchte. Richter haben grundsätzlich einen Entscheidungsspielraum im Einzelfall. Sie sagen, nach dem BGH wäre das aber alles so komplett ausgeschlossen. Ich bleibe da skeptisch, aber meinetwegen sei es so. Nur, wie gesagt, es hilft jetzt nicht mehr weiter. "Was Sie zu vergessen scheinen ist, daß das Recht der Gerechtigkeit verpflichtet ist" Nein, ich vergesse das nicht. Schließt Zweckrationalität aus, dass es Gerechtigkeit gibt? Das gehört in die Philosophie und wir müssen darüber nicht diskutieren. Ihr Zitat vom BVerfG läuft auf Systemkritik hinaus. Das Wiederaufnahmeverfahren IST doch sehr ineffektiv. "Selbstverständlich ... um eine unechte Urkunde... Frage kann nur sein ... Beruhensprüfung" Das läuft in allen praktischen Belangen auf das gleiche hinaus. "gerade nicht so, daß das Revisionsverfahren ... sämtliche Einwände gegen das Verfahren präkludiert" Sage ich gar nicht. Ich sagte, dass sie sich nur schwer für ein Wiederaufnahmeverfahren wiederbeleben lassen. D.h. es ist schwer, mit solchen Argumenten etwas in der Praxis zu erreichen. Der BGH verweist doch auch wieder nur auf § 359 Nr. 3 StPO, und den haben wir schon diskutiert: Praktisch bedeutungslos. So schließt sich der Kreis. "Kostprobe, wie es um seine Verteidigungsmöglichkeiten stand" Ach, kommen Sie. Mollath ist doch erwachsen. Wenn er einfach den erstbesten Anwalt nimmt, den ein Mitinsasse empfiehlt und diesen Anwalt dann nicht ausreichend kontrolliert, und dann noch eine Portion Pech dazukommt, dann kommt das so. Außerdem ist es so oder so meistens schon zu spät, wenn um die Revision geht. Mollath hätte von Anfang an die Anwaltsfrage klären müssen. Das mögen schwierige Umstände gewesen sein, aber dass man ihm jetzt ausnahmslos jede Möglichkeit genommen hätte, an einen ordentlichen Anwalt zu kommen, das sehe ich nicht. Im übrigen, es ist doch auch noch eine Verfassungsbeschwerde anhängig. Vielleicht hören wir ja aus dieser Richtung noch etwas.

@Robert Stegmann: "Warum sollte Herr Mollath sich erneut begutachten lassen?" Warum sollte er sich nicht erneute untersuchen lassen? Wenn er tatsächlich keinen Wahn hat, ist das ein realistische Möglichkeit, freizukommen. Alles andere hätte während des Verfahrens gerügt werden müssen, mit Rechtskraft des Urteils ist es zu spät.

@Deali: "Und ich denke darum geht es ihm - Gerechtigkeit!" Ja, er hat einen unpragmatischen Charakter. Und der wird ihm wieder und wieder zum Verhängnis. Das ist aber seine Sache.

@Mein Name: "wie bitteschön soll der untergebrachte die 'Sachverständigen' vom Gegenteil überzeugen" Es geht nicht um Überzeugung, sondern um die Frage, ob ein Wahn tatsächlich vorliegt oder nicht. Wenn keiner vorliegt, und die Untersuchung fachgerecht durchgeführt wird, dann wird sie ergeben, dass keiner vorliegt. Und wenn Mollath mit der Bewertung des Untersuchungsergebnisses nicht einverstanden ist, kann er das vor dem zuständigen Gericht monieren. Der Rest Ihres Beitrags ist Systemkritik.

@Tine Peuler: "können Sie mir erklären, warum ich mich begutachten lassen sollte?" Ich kenne Ihren Fall nicht, ich sprach von Mollath, nicht von Ihnen. "Wie konnte er zu dieser Schlussfolgerung kommen" Das spielt keine Rolle mehr, weil das Urteil rechtskräftig ist. Diese Frage hätte während des Verfahrens gestellt werden müssen.

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Anonymous schrieb:
@Mein Name: "wie bitteschön soll der untergebrachte die 'Sachverständigen' vom Gegenteil überzeugen" Es geht nicht um Überzeugung, sondern um die Frage, ob ein Wahn tatsächlich vorliegt oder nicht. Wenn keiner vorliegt, und die Untersuchung fachgerecht durchgeführt wird, dann wird sie ergeben, dass keiner vorliegt. Und wenn Mollath mit der Bewertung des Untersuchungsergebnisses nicht einverstanden ist, kann er das vor dem zuständigen Gericht monieren. Der Rest Ihres Beitrags ist Systemkritik.
Wurde sie aber nicht, und zwar keine bis heute.

Eine Kontrolle, ob die Gutachten den fachlichen Mindestanforderungen genügen, findet offensichtlich nicht statt, weder durch berufsständische Qualitätskontrollen noch durch die Justiz. Man spricht willkürlich einem Gutachter ein "Renommee" zu und akzeptiert dann den größten Mist. Nach Jahrzehnten des Wegschauens bei "Kunst"fehlern ist man wenigstens in Krankenhäusern bei Operationen dazu übergegangen, statistische Daten über Komplikationen zu erfassen, um Anhaltspunkte für Qualität und Pfusch zu erhalten - auch wenn das von Chefarzt-Halbgöttern und deren Funktionären bekämpft wurde.

Natürlich können Sie die Forderung nach Qualitätskontrollen und der Einhaltung von wissenschaftlichen Mindeststandards bei Gutachten als "Systemkritik" abkanzeln, aber damit entfernen Sie sich komplett aus der sinnvollen Diskussion - denn diese Ansprüche werden nach den krassen Fehlern der Vergangenheit zumindest von ernstzunehmenden Juristen ebenfalls erhoben.

Ist denn Ihrer Ansicht nach das Einhalten von beschlossenen Standards - sei es die fachliche Qualität von Gutachten oder dass sich Richter an die Gesetze halten - und die Forderung nach Einhaltung dieser Standards Systemkritik oder Rechtspolitik? Ist es nicht, denn man braucht dazu keine neuen Gesetze oder Vorschriften, sondern "nur" eine Fehlerkultur, Offenheit und "peer review".  Aber solche Elemente eines Qualitätsbewusstseins werden von selbstherrlichen Pfründeverteidigern bekämpft.

Und selbst wenn "Wahn" vorläge, müsste - um eine weitere Unterbringung zu rechtfertigen - auch sachlich-fachlich nachvollziehbar dargelegt werden, weshalb der Untergebrachte auch für die Allgemeinheit weiterhin eine Gefahr darstellt. Das ist offensichtlich in keinem der bisher vorliegenden Gutachten geschehen.

Auch Sie setzen "Wahn" und Gefährlichkeit ohne jede weitere Begründung gleich. Weshalb? Versuch der manipulativen Nicht-Argumentation oder schlicht Unkenntnis?

Wo steht eigentlich das Systemkritik nicht erlaubt?

Das ist doch ein sehr flaches Argument. 

Wer mit jemanden von einem Fehlurteil Betroffenen mitfuehlt, wird gerade die Schwachstelle des Systemversagens versuchen zu eliminieren.

Systemkritik ist hier ausdruecklich erwuenscht.

 

Und es steht im Urteil nirgends, dass Mollath 2013 noch wahnhaft ist.

Er wurde freigesprochen! Und hat auch Anspruch auf Freiheit. 

Wenn Sie (oder die StVK) nicht nachweisen koennen, dass die Unterbringungsvorrausetzungen noch vorliegen, ist er freizulassen.

So will es das Gesetz.

 

5

@ "Anonymous"

Sie schreiben:

Ach, kommen Sie. Mollath ist doch erwachsen. Wenn er einfach den erstbesten Anwalt nimmt, den ein Mitinsasse empfiehlt und diesen Anwalt dann nicht ausreichend kontrolliert, und dann noch eine Portion Pech dazukommt, dann kommt das so. Außerdem ist es so oder so meistens schon zu spät, wenn um die Revision geht. Mollath hätte von Anfang an die Anwaltsfrage klären müssen. Das mögen schwierige Umstände gewesen sein, aber dass man ihm jetzt ausnahmslos jede Möglichkeit genommen hätte, an einen ordentlichen Anwalt zu kommen, das sehe ich nicht.

=> Wer hat in diesem System denn die Möglichkeit, dann an einen "ordentlichen Anwalt" zu kommen, wenn die Justiz auf Totalwillkür geschaltet hat?

 

Mollath ist von seinem Pflichtverteidiger wie vom Revisionsanwalt de facto verraten worden, und Mollath weist selbst darauf hin, dass es ihm im Vorfeld des Brixner-Verfahrens nicht möglich gewesen sei, einen Anwalt zu finden, der zu sachgerechter Verteidigung bereit gewesen wäre, weil alle gewusst hätten "gegen wen" es gegangen wäre.

Genau diese Eerfahrungen machen alle, die willkürlich handelnder BRD-Justiz gegenüberstehen, und alle wissen auch, warum. Dass die engagierte Rechtsanwältin, die Kachelmann zunächst in Mannheim vertreten hatte, seitdem keine Pflichtmandate mehr bekommt, während der Gutachter, der im Falle der hessischen Steuerprüfer Falschgutachten ausgestellt hatte, unverändert gute Aufträge von der Frankfurter Justiz bekommt, sagt doch schon wirklich alles. Noch dreister könnte das System sein wahres Wesen nicht mehr entghüllen.

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@Max Mustermann: ich sage nicht, dass Systemkritik verboten wäre. Sie müssen nur sehen, dass Systemkritik (a) Herrn Mollath nicht weiterbringen wird, (b) in die Rechtspolitik gehört und (c) dort nicht isoliert auf den Einzelfall gemacht werden darf und, und (d) das alles nicht so einfach ist, wie Sie und andere es hier machen. Die Regeln des Maßregelvollzugs sind eine Abwägung zwischen dem Sicherheitsbedürftnis der Allgemeinheit, vor gefährlichen Personen geschützt zu werden, und dem Bedürftnis des Einzelnen, vor Fehleinweisungen geschützt zu werden. Schnell ändert man eine Regel, und dann wäre der Fall Mollath vielleicht so nicht entstanden, und vielleicht haben Sie 10 Fehleinweisungen verhindert, aber dafür haben Sie plötzlich dann 500 Fälle frei herumlaufen, wo auch Sie Einweisungen befürworten oder sogar fordern würden. Das heißt nicht, dass das System perfekt wäre, aber es ist auch nicht so einfach, es besser zu machen, wie Sie vielleicht denken. Die Beiträge hier tendieren dazu, Rechtspolitik zu trivialisieren. Ich habe schon gesagt, dass ich keine Patentlösungen in der Tasche habe. Und Sie und andere hier haben sie auch nicht. Gestehen Sie sich das doch einfach mal ein, und diskutieren Sie etwas nüchterner über die Sache.
Das gleiche Prinzip sollte sich Herr Strate zueigen machen. Vor lauter akademischer Argumentation übersieht er, was er da taktisch und handwerklich eigentlich für Fehler macht. Professionalität bedeutet, zuerst die Situation des Mandanten nicht noch weiter zu verschlechtern. Da lässt man sich doch nicht von der Staatsanwaltschaft an der Nase herumführen. Es war alleine schon ein schwerer Fehler, dass er sich selbst Druck gemacht hat und sich einen Termin für den Antrag selbst gegeben hat (sinngemäß "wenn die Staatsanwaltschaft bis Februar nichts von sich hören lässt, dann..."). Vernünftigerweise hätte er der Staatsanwaltschaft den Vortritt lassen sollen, dann hätte er das ganze unter Kontrolle behalten. So hat er sich ohne Not in eine ungünstige taktische Position befördert. So ist es leider oft. Leute geraten vom Regen in die Traufe, weil ihre Anwälte im entscheidenden Moment die Nerven verlieren und unüberlegte Dinge tun. Ich sehe nicht, dass ich Herrn Strates Vorgehen diesbezüglich beschönigend interpretieren sollte, nur weil er mehr oder weniger zur Fachprominenz gehört.
"Und es steht im Urteil nirgends, dass Mollath 2013 noch wahnhaft ist" Bei so etwas werden chronische Diagnosen gestellt, und die gelten praktisch gesehen für immer, solange sich die Aktenlage nicht ändert. Es gibt doch regelmäßige Prüfungen. Da hat er diverse Möglichkeiten, kann gegensätzliche Untersuchungsergebnisse, Gutachten etc. einbringen. Es ist aber mein Eindruck, dass er sich unpragmatisch all dem verweigert, nach der Art, das abgeschlossene Verfahren war ungerecht, deshalb nutze ich jetzt nicht mehr die Möglichkeiten des Systems, um zu verhindern, dass der Anscheint ersteht, dass ich damit alles legitimiere. Diese Denkweise dürfte aber eine Sackgasse sein. Schauen Sie sich doch mal die vielen weitaus schlimmeren Prozesse der Nazi-Zeit an. Selbst diesbezüglich war die Argumentation mit der Rechtsbeugung nicht von Erfolg gekrönt: "Die Aufarbeitung der NS-Justizverbrechen durch die bundesdeutsche Justiz gilt als gescheitert. Der Bundesgerichtshof bedauerte in einem Urteil aus dem Jahr 1995 selbst, dass auf Grund von 'folgenschweren Versagens der bundesdeutschen Justiz' NS-Richter nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden sind" (http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtsbeugung) Der Grundsatz ist nun mal, wie gesagt "Aus Gründen der Rechtsklarheit kann auch ein fehlerhaftes, aber rechtskräftiges Urteil grundsätzlich nicht mehr aufgehoben werden." (http://de.wikipedia.org/wiki/Wiederaufnahme_des_Verfahrens) Und wenn Sie das im Rahmen einer Systemkritik rechtspolitisch angreifen, dann, wie gesagt, bedenken Sie, dass Sie auch keine Patentlösung haben, und dass Änderungen schnell unerwartete Konsequenzen haben, und mehr Schaden als Nutzen anrichten. Also: Üben Sie ruhig Systemkritik, aber stellen Sie es auch als solche dar, und trivialiseren Sie das ganze bitte nicht. Berücksichtigen Sie, dass die wirklich guten Systemänderungen oft nicht ganz so einfach zu finden sind, und anders aussehen als das, was der öffentlichen Meinung wegen eines Einzelfalls als erstes in den Sinn kommt.

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Anonymous schrieb:

Sie müssen nur sehen, dass Systemkritik (a) Herrn Mollath nicht weiterbringen wird, (b) in die Rechtspolitik gehört und (c) dort nicht isoliert auf den Einzelfall gemacht werden darf und, und (d) das alles nicht so einfach ist

Dies hier ist ein blog mit Kommentarfunktion. Wenn Sie unter der Vorstellung leiden sollten, Sie wuerden mit Ihren Beitraegen Mollath weiterbringen oder parlamentarische Gesetzgebungsdiskussionen betreiben, kann ich Ihnen gute Aerzte empfehlen, die sich Ihnen dauerhaft annehmen werden, um Ihnen gewisse Realitätsbezuege zu erläutern.

Da hier versucht wird, die Problematik über den Einzelfall konfliktorientiert hinaus zu diskutieren, kommen vielfältige Erklärungsmodelle auf den Tisch. Das ist wirklich alles nicht so einfach, aber so ist Systemkritik halt.

 

Anonymous schrieb:

Es gibt doch regelmäßige Prüfungen. Da hat er diverse Möglichkeiten, kann gegensätzliche Untersuchungsergebnisse, Gutachten etc. einbringen.

Dazu ist Herr Mollath aber nicht verpflichtet. Die Prüfungsbehörde muss aber begründen, dass die Unterbringungsvorasusetzungen immer noch gegeben sind.

Das mag Ihnen jetzt nicht fair erscheinen, aber so ist die Gesetzeslage nun einmal. Wenn Ihnen das geltende Recht nicht gefällt, können Sie gerne Systemkritik betreiben. Ihre blosse Systemkritik wird die Fallkonstelation und Rechtslage aber nicht ändern können. So einfach ist das nicht.

 

 

 

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Anonymous schrieb:

Sie müssen nur sehen, dass Systemkritik (a) Herrn Mollath nicht weiterbringen wird, (b) in die Rechtspolitik gehört und (c) dort nicht isoliert auf den Einzelfall gemacht werden darf und, und (d) das alles nicht so einfach ist

Dies hier ist ein blog mit Kommentarfunktion. Wenn Sie unter der Vorstellung leiden sollten, Sie wuerden mit Ihren Beitraegen Mollath weiterbringen oder parlamentarische Gesetzgebungsdiskussionen betreiben, kann ich Ihnen gute Aerzte empfehlen, die sich Ihnen dauerhaft annehmen werden, um Ihnen gewisse Realitätsbezuege zu erläutern.

Da hier versucht wird, die Problematik über den Einzelfall konfliktorientiert hinaus zu diskutieren, kommen vielfältige Erklärungsmodelle auf den Tisch. Das ist wirklich alles nicht so einfach, aber so ist Systemkritik halt.

 

Anonymous schrieb:

Es gibt doch regelmäßige Prüfungen. Da hat er diverse Möglichkeiten, kann gegensätzliche Untersuchungsergebnisse, Gutachten etc. einbringen.

Dazu ist Herr Mollath aber nicht verpflichtet. Die Prüfungsbehörde muss aber begründen, dass die Unterbringungsvorasusetzungen immer noch gegeben sind.

Das mag Ihnen jetzt nicht fair erscheinen, aber so ist die Gesetzeslage nun einmal. Wenn Ihnen das geltende Recht nicht gefällt, können Sie gerne Systemkritik betreiben. Ihre blosse Systemkritik wird die Fallkonstelation und Rechtslage aber nicht ändern können. So einfach ist das nicht.

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@ "Anonymous"

 

Sie täuschen sich ganz erheblich: Der Fall Mollath ist von außerordentlicher rechtspolitischer Relevanz, weil er darlegt, wie wenig das Justiz- und Gutachtersystem taugt, wie sehr es zum Instrument rechtsfremder Interessen verkommen ist.

Auch Ihr Versuch, den Fall Mollath als eine mögliche Falschpositiv-Wertung eunzuordnen, die zwangsweise mit einem Maßstabssystem verknüpft wäre, das unliebsame Falschnegativ-Wertungen möglichst ausschließen soll, zieht absolut nicht: Im Falle Mollaths wurde nicht sorgfältig nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet und auf diese Weise ein Ergebnis hergeleitet, bei dem man sich nicht sicher sein konnte, was von Mollath zu halten gewesen sei.

Im Falle Mollath wurde mit äußerster Klarheit darauf hingearbeitet, das Bild eines gefährlichen Psychopathen an die Wand zu malen, das bei nüchterner Tatsachenbetrachtung absolut nicht herleitbar gewesen wäre.

Das System, das Sie hier verkaufen wollen, ist in den aufgeklärten Kreisen der Anstandsbürger bereits durchgefallen, das können Sie nicht mehr kitten, das kann der Staatsschutz nicht mehr kitten, egal, welche Inszenierungen er sich im Falle Mollath noch einfallen lassen sollte.

Bis gestern war das System nur bei Linken, Anarchisten und Nazis durchgefallen, deren Justizkritik sich trotz erheblicher politischer Unterschiede zwischen ihnen in großen Teilen gleichte.

Heute ist es anders, die Zustände gehen einem erheblichen Teil des Bürgertums zu weit, nicht zuletzt des intellektuellen Bürgertums.

"Anonymous", Sie kämpfen an verlorener Front. Aber immerhin wird man Sie dafür gut bezahlen.

5

@Max Mustermann: Ich behaupte doch gar nicht, Mollath weiterzubringen, oder parlamentarische Gesetzgebungsdiskussionen zu betreiben. Ich sage nur, dass man einen klaren Unterschied machen muss zwischen 1. Systemkritik, 2. Kritik am Verfahren (die nicht weiterführend ist, da abgeschlossen) und 3. möglichen Wiederaufnahmegründen. Sie, andere und vor allem Mollath (lesen Sie: "Systemkritik (a) Herrn Mollath nicht weiterbringen wird") vermischen das unzulässig und tun so, als müsse er juristisch gesehen jetzt sofort freikommen, weil ihm das System nicht gefällt. Das habe ich kritisiert.
"Die Prüfungsbehörde muss aber begründen, dass die Unterbringungsvorasusetzungen immer noch gegeben sind" Sie wiederholen sich; das Thema haben wir diskutiert -- es ist reine Formsache, solange Mollath sich nicht untersuchen lässt, weil die Aktenlage unverändert ist, bei chronischer Diagnose. Sie sehen doch, dass Mollath nicht freikommt. Das ist keine Systemkritik, sondern schlicht die Realität. Lesen Sie folgenden Aufsatz Strates: https://strate.net/de/publikationen/verteidiger_in_der_wiederaufnahme.html Da werden Sie sehen, dass Strate alles sehr ähnlich sieht wie ich. Aktuell scheint er allerdings seine eigenen Ausführungen vergessen zu haben und mehrere von den Regeln zu brechen, die er dort aufstellt. Es wäre nicht das erste mal, dass eine anerkannte Person über Fehler stolpert, vor denen sie zuvor selbst gewarnt hat, und dadurch möglicherweise erst zu ihrer Anerkennung gelangt ist.
@Refrigerator: Ihre zynische Sicht kann ich nicht teilen und kann nur davor warnen, wegen dieses Falles gleich fundamental das gesamte System in Frage zu stellen. Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie nur betonen "Im Falle Mollath wurde mit äußerster Klarheit darauf hingearbeitet, das Bild eines gefährlichen Psychopathen an die Wand zu malen" Das mag sein, aber es ist nichts neues oder ungewöhnliches. Es ist in jedem Strafverfahren so, dass es einen Belastungseifer gibt. Deshalb gibt es ja Rechte, die man in Anspruch nehmen kann, um sich zur Wehr zu setzen. Man muss das nicht, aber dass man ohne Inanspruchnahme dann ein befriedigendes Ergebnis erzielt, dafür gibts eben auch in einem Rechtsstaat keine Garantien. Der Beschuldigte hat da eben eine gewisse Eigenverantwortung. Lesen auch Sie bitte Strates Aufsatz. Strate stimmt mit mir u.a. überein, dass das System zwar seine Defizite hat, aber man es deshalb nicht komplett dämonisieren darf: "Zunächst muß sich jeder Verteidiger klar sein, daß unser Rechtsstaat zwar viele Mängel hat, im Ergebnis jedoch überwiegend die Richtigen trifft". Wie ich übrigens schon betont habe, weiß ich nicht, ob Mollath ein falsch-positiver Fall ist oder nicht. Und Sie wissen es auch nicht, machen Sie sich da doch bitte nichts vor. Auch ein komplett unhaltbares, vorsätzlich rechtsbeugerisches, willkürliches, aus niederträchtiger Motivation heraus betriebenes Verfahren kann am Ende zutreffende Feststellungen gemacht haben, und sei es rein aus Zufall. Haben Sie zwingende (!) Beweise, wonach Mollath die Reifenstecherei nicht begangen hat, oder nicht wahnhaft ist -- statt nur Einwände gegen die Begründungen, nach denen er wahnhaft sei und Reifen zerstochen habe? Sehen sie. Gäbe es diese, wäre die Wiederaufnahme sehr viel leichter zu erreichen. So versucht sich Strate an Nr. 3 statt Nr. 5, obwohl er selbst sehr gut weiß, wie wenig aussichtsreich das ist: "um den Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 5 StPO geht es in 99% aller Wiederaufnahmeverfahren" -- nicht Nr. 3.
Viele Beiträge hier scheinen von der romantischen Vorstellung eines Idealstaates geprägt zu sein. Sie sind vom Wunsch getrieben, den Staat als Götzen zu verehren zu dürfen, und so kommt eben die große Enttäuschung irgendwann mit der Feststellung, dass die Realität nicht perfekt ist und man seines eigenen Glückes auch selber Schmied sein muss. Und das akzeptiert man dann nur sehr ungern, und schnell kommen die großen utopistischen Träume, und wir wissen ja, wo das dann hinführt. "Man erkennt ... dass die Erewhonianer ein zahmes und duldsames Volk sind, das leicht an der Nase herumzuführen ist, und schnell den gesunden Menschenverstand am Schrein der Logik opfert, wenn sich ein Philosoph [wie Mollath] unter ihnen zeigt, der sie mit seinen hochfliegenden Aussagen hinfortträgt ... indem er ihnen einredet, dass ihre bestehenden Institutionen moralisch unvollkommen sind."

3

@Anonymous

Herr Mollath ist nicht nur erwachsen, er ist auch gebildet und war sich oft bewusst, welche Rechtswidrigkeiten das Rechtssystem zu verantworten hatte. Sieht man aus den Anzeigen und Briefen. Da gibt es eine Menge Bürger, die nicht mal ein Bruchteil von seinem Wissen besitzt. Aber er war und ist kein Anwalt.

Zum Prozess machen wir einen Gedankenspiel: Wir tauschen RA Dolmany aus und setzen einen Junkie von der Straße auf seinem Platz. Wäre das Verfahren für Herr Mollath schlimmer ausgegangen? Wenn ja, wie?

Sie sagen immerwieder - gelaufen ist gelaufen. Er muss jetzt beweisen, dass er seine Frau nicht verprügelt hat und die Reifen nicht zerstochen hat. Wie denn? Es wurde ja nicht mal bewiesen, dass er es war. Würde es die Sache ändern, wenn man die psychiatrische Krankenhäuser abklappert, bis man einen echten Schizophrenen findet, der dann behauptet: Ich war es. Würde dies Ihre Meinung nach, die Lage Herr Mollaths ändern?

Sie haben vollkommen recht, wenn Sie meinen, dass man als Betroffene von falsch Anschuldigungen, einen guten Anwalt braucht. Nur so, kann man Rechte wahrnehmen und sich zur Wehr setzen.

1. Dolmany wollte nicht Mollaths Anwalt sein. Wieso auch immer bleibt fragwürdig. Seiner Meinung nach war Mollath schuld.

2. Mollath wollte ihn nicht als Anwalt haben. Dazu hatte er gute Gründe. Mehrfach wurde ihm bei Gesetzwidrigkeiten keine Hilfe geleistet.

3. Dolmany hat beim Prozess einfach die Klappe gehalten. Wieso? Ich spekuliere: Entweder war ihm die ganze Sache zuwider - wusste, dass Mollath verurteilt war, ehe es überhaupt anfing. Er wollte zukünftig auch sein Butterbrot verdienen und in diesem Zusammenhang sind mächtige Feinde sehr ungünstig. Wer weiß, vielleicht hatte er Angst, dass die nächste Unterbringung sein eigene werden würde.

Und dann bleibt die Frage, wie hätte ein andere Anwalt gearbeitet. Nicht alle heißen Strate und haben sich im Laufe der Jahre einen Schutzschild erarbeitet. Ob ein andere Anwalt unter diesen ungünstigen Bedingungen anders gearbeitet hätte, bezweifle ich. Wahrscheinlich nicht ohne sein Existenz auf Spiel zu setzen. Und wie viele sind dazu bereit?

Dolmany hat sein Honorar für absolut Nichts einkassieren konnte. Und ich frage nur, damit man als Bürger einen fairen Prozess mit einem minimum an Verteidigung erwarten kann, müssen wir dann alle ein Jurastudium anfangen? Offensichtlich kann man nicht davon ausgehen, dass der Anwalt arbeitet.

Gruss

Tine Peuler

 

 

5

Tine Peuler: "er ist auch gebildet" Nun ja. Er hat im Alter von ungefähr 20 Jahren die Fachhochschulreife an einer Waldorfschule erreicht. Einen solchen Schulabschluss hat zwar einerseits nicht jeder, aber dass Mollath der Hochbegabte ist, zu dem er in verschiedenen Medien stilisiert wurde, scheint mir eher nicht zutreffend zu sein.

"Wie denn?" Das müssen Sie Mollath fragen. Wenn er es nicht war, kann er sicherlich Ansatzpunkte geben, von wo aus man dann weiterschauen kann, was man findet.  "Würde dies Ihre Meinung nach, die Lage Herr Mollaths ändern?" Nein. Es muss schon etwas belastbares her. Schauen Sie, es ist ja auch andererseits nicht ausgeschlossen, dass er die Reifen zerstochen hat. Sogar die SZ gibt zu, dass dafür Indizien gibt. Rechtsstaat heißt nicht, dass ich mit ein paar faulen Tricks irgendwie rauskommen muss, wenn die Vorwürfe tatsächlich zutreffend sind. Dass der der Verletzungen seiner Frau zugefügt hat, hat er sogar mehr oder weniger zugegeben (er habe sich eben gewehrt).

1, 2 und 3 ist irrelevant. Es lag in Mollaths Verantwortungsbereich, einen anderen Verteidiger zu wählen. Wie gesagt, er ist erwachsen und er hat die Kontrolle über den Anwalt, nicht umgekehrt.

"wie hätte ein andere Anwalt gearbeitet" Sie haben doch sicherlich inzwischen viele Kritiken am Verfahren gelesen. Da gibt es zuhauf Sachen, bei denen ein ordentlicher Anwalt hätte ansetzen können, und er hätte ihn sicher selbst dann rausbekommen, wenn alle Anschuldigungen zutreffend waren. Strate hat im übrigen keinen "Schutzschild". Es gibt bessere und schlechtere Anwälte (seine bisherigen Schritte im Fall jetzt scheinen mir eher schlecht zu sein), aber letztlich kochen sie alle nur mit Wasser. Anwälte zu Übermenschen zu machen führt nur dazu, dass man sich von seinem Anwalt steuern lässt, statt dass man ihn als das begreift, was er ist: Ein Geschäftspartner, der bezahlt wird dafür, dass er mich ordentlich vertritt und mir zur Rechenschaft verpflichtet ist. Das gleiche gilt übrigens für Bankmitarbeiter. Wenn ich den HVB-Bericht lese, sehe ich nicht die große Schwarzgeldverschwörung. Ich sehe das leider völlig typische Phänomen von gutgläubigen Kunden, die sich den Bankmitarbeitern blind anvertrauen und zur Befriedigung von deren Provisionsgier ausnutzen lassen. Es gibt ganz legale Methoden, zudem ohne Auslandsgeschäfte, Steuern weitestgehend zu umgehen. Nur bringen die den Bankmitarbeitern keine Provision. Es ist selten alles so einfach, wie es gerne gemacht wird.

2

Anonymous schrieb:

"Würde dies Ihre Meinung nach, die Lage Herr Mollaths ändern?" Nein. Es muss schon etwas belastbares her. Schauen Sie, es ist ja auch andererseits nicht ausgeschlossen, dass er die Reifen zerstochen hat.

Nur dass wir uns richtig verstehen:

Wenn ich morgen gestehe, an Sylvester im Vollsuff die Reifen zerstochen zu habe, ist das für Sie immer noch nicht "belastbar" genug????

 

Das einzige Indiz für die Reifenstecherei war blosses Kennen der Fahrzeughalter.

 

Und zu Ihrer Strate Schelte. Es liegt die historisch einmalige Situation vor, dass auch die StA einen WA Antrag stellen will. Die Ministerin selber hat eine solche Untersuchung angeordnet.

 

Gehen wir also einmal davon aus: Ende März sagt die StA:"April,April, wir konnten nichts finden, was eine WA rechtfertigen würde."

 

Dann bringt Strate den Rest auch noch zu Papier...

Wo ist das Problem???

Die Blamage für die StA wenn der WA dann angenommen wird, ist unvorstellbar!

 

 

 

5

@Anonymous

Sie vergessen einen wichtigen Punkt, den Strate in dem WA-Antrag erwähnt hat. Er war unter Betreuung - auch wenn die Gründe hierzu mehr als fragwürdig sind. Als erwachsen und vollmündig wie jeder andere Bürger konnte man ihn nicht betrachten.

Warum war er unter Betreuung? Er hat an Schwarzgeldgeschäfte geglaubt. Inwiefern er das Reifenstechen begangen hatte, wusste man zu diesem Zeitpunkt nicht. Es war keine Sicherungsmaßnahme. Also war es eine Betreuung auf Grund des Glaubens. Rechtlich alles in Ordnung? Siehe GG Art. 4

Gruss

Tine Peuler

5

Herr Anonymous meint, Herr Mollath hätte sich ja einen besseren Anwalt suchen können, er ist ja schließlich erwachsen. Dass Herr Molath dies gerne gewollt hätte und ihm de fakto unmöglich gemacht wurde durch die Justiz und  die Verantwortlichen in den Anstalten spielt dabei keine Rolle.

 

Herr Anonymous ist vermutlich auch der Meinung, dass erschossene afghanische Kinder selbst schuld an ihrem Schicksal sind, weil sie sich ja auch anderswo hätten Asyl suchen können. Vergewaltigte Frauen sind seines Erachtens vermutlich auch selbst Schuld, weil sie sich ja auch anders hätten kleiden oder einer Geschlechtsumwandlung unterziehen können.

 

Es ist zwecklos, mit ihm weiter zu diskutieren.

 

5

@Anonymus

Sie vergessen dabei die Machteinflüsse der beteiligten Personen.

 

Sehen sie sich doch einfach mal die Anzeige gegen Unbekannt wegen Freiheitsberaubung und Verleumdung des Herrn RA Schmid an und das was die Staatsanwaltschaft Bayreuth draus gemacht hat.

 

Sie hat (angeblich) gegen 16 Personen die zu den Beteiligten im Falll Mollath gehören Ermittlungen aufgenommen. Aber nicht wegen Freiheitsberaubung und Verleumdung, nein, wegen Rechtsbeugung.

 

Unter anderem hat die Staatsanwaltschaft Bayreuth auch gegen die ehemalige Ehefrau des Herrn Mollath Ermittlungen wegen Rechtsbeugung aufgenommen. Rechtsbeugung kann aber nur einem Richter oder einem Staatsanwalt angelastet werden.

 

Wegen Rechtsbeugung kann keiner der beschuldigten Personen mehr belangt werden, weil die Sache inzwischen verjährt ist. Freiheitsberaubung wäre sehr wohl ein verfolgbares Delikt des öffentlichen Rechts. Hier sträubte sich aber die Staatsanwaltschaft Bayreuth. Der Fall wurde inzwischen zwar nach Augsburg abgegeben, aber die RAin von Herrn Mollath hat bisher keinen Termin zur Akteneinsicht bekommen.

 

@Anonymus

 

Es wird auch jetzt noch getäuscht, getrickst und verweigert wo es nur geht. Und sie glauben wirklich noch, dass das alles mit rechten Dingen zugeht?

 

Robert Stegmann

5

Tine Peuler: Ich kann das aus Strates Wiederaufnahmeantrag nicht bestätigen. Das Betreuungsverfahren begann erst, nachdem Mollath Gelegenheit hatte, einen eigenen Anwalt zu wählen, oder zumindest irgendjemanden zu kontaktieren, der ihm dabei hilft, oder allerzumindest den Pflichtverteidiger soweit beauftragen, ihm diesbezüglich zu helfen. Der Pflichtverteidiger wollte ja selbst nachdrücklich entlassen werden, er hätte also sicher gerne geholfen. Warum Mollath es nicht zustandegebracht hat, einen Anwalt zu organisieren, ist aus den Akten des Wiederaufnahmeantrags heraus nicht zu klären. Brixner schreibt an Mollath: "Kontakt zur Außenwelt können Sie jederzeit aufnehmen. Dies gilt auch für die Beauftragung eines Verteidigers Ihrer Wahl." (S. 63). Das ist eine Antwort auf Mollaths Behauptung, er werde von der Außenwelt isoliert. Soweit ist diese Behauptung für mich nicht nachvollziehbar. Er unterlag der Briefkontrolle, aber Kontaktmöglichkeiten bestanden grundsätzlich.

"Rechtlich alles in Ordnung?" Ich weiß nicht, worauf Sie mit dieser Frage hinauswollen. Ich habe von Anfang an betont, dass mitnichten alles in Ordnung war mit diesem Verfahren. Das Problem ist nur, dass es jetzt rechtskräftig ist. Eine Betreuung bedeutet im übrigen nicht, dass der Betroffene entrechtet ist. Unabhängig davon hätte Mollath aber mit einer normalen Vorsorgevollmacht, wie sie eigentlich jedermann haben sollte, einem Betreuungsverfahren vorbeugen können (http://www.nah1.de/images/downloadsTK/InfoVoVo2010.pdf). Auch wenn es natürlich leider der Standardfall ist, dass solche Vorsorge nicht getroffen wird.

2

@Franzerl: Es gibt Dinge, die zumutbar sind und welche, die es nicht sind.  Was Sie auflisten gehört sicher zu denen, die nicht zumutbar sind. Aber einen Anwalt zu wählen, das können wir einem erwachsenen Menschen zumuten, denke ich, auch unter solch schwierigen Umständen.

@Robert Stegmann: Dass "getäuscht, getrickst und verweigert" wird, "wo es nur geht" ist vollkommen normal. Das können Sie auch Herrn Strates Aufsatz entnehmen: https://strate.net/de/publikationen/verteidiger_in_der_wiederaufnahme.html ("Zeugen sind verstorben oder verweigern sich, Spuren sind verwischt oder lassen sich nicht mehr untersuchen, Akten sind vernichtet oder verschwunden") So ist das eben. Ein guter Strafverteidiger lässt sich davon nicht beeindrucken und weiß, wie er damit am besten umgeht.

2

@Anonymous

Ich kann ihre Sichtweise nachvollziehen, leider ist das so.

Ihre Kritik an Strates Vorgehensweise sehe ich als unberechtigt.

"So versucht sich Strate an Nr. 3 statt Nr. 5, obwohl er selbst sehr gut weiß, wie wenig aussichtsreich das ist: "um den Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 5 StPO geht es in 99% aller Wiederaufnahmeverfahren" -- nicht Nr. 3."

Es sollte sicherlich klar sein das Nr.5  für den Großteil der Wiederaufnahmeverfahren herangezogen wird. Es ist nun mal klar das meistens neue Beweise auftauchen, andere Täter ermittelt werden usw. Es wäre ja auch schlimm wenn sich alle Gerichte sich so aufführen würden wie Brixners Strafkammer. Hier scheint es so zu sein das eben eine Kombination von Nr.3 und Nr.5 das Richtige ist.

Sollte es aber nun so sein das der Antrag abgelehnt wird dann kann Strate ja sofort einen Neuen stellen, es gibt ja anscheinend keine Fristen die vorher verstreichen müssen. Wie ich schon geschrieben habe, Mollath kann sich jederzeit begutachten lassen, so als Failsafe.

Außerdem werden ja jährlich neue Gutachten erstellt, jetzt zwar nach Aktenlage, aber ich bin der festen Meinung das kein externer Gutachter mehr so entscheiden würde wie bisher. Kröber würde sein Gutachten sofort zurücknehmen so er denn könnte. Sein exzellenter Ruf hat durch diesen Fall arg gelitten (siehe Strates: "dem ist entgegenzutreten").

Auf jeden Fall muss das System nicht nur kritisiert werden, es gehört verbessert!

5

@Mein Name: "Wurde sie aber nicht, und zwar keine bis heute." Weil Mollath sie verweigert hat. "Auch Sie setzen 'Wahn' und Gefährlichkeit ohne jede weitere Begründung gleich" Nein. Die Gefährlichkeit ergibt sich aus den zur Last gelegten Taten, nicht dem Wahn. "als 'Systemkritik' abkanzeln" Ich kanzle nichts ab, sondern fordere nur, das sauber zu trennen. "Das ist offensichtlich in keinem der bisher vorliegenden Gutachten geschehen." Doch, und zwar einfach durch die Feststellung, dass die Aktenlage unverändert ist. Reine Formsache, sagte ich bereits.

@Max Mustermann: Sie vermischen unzulässig die Stichhaltigkeit der Beweisführung im Urteil und die Anforderungen für ein Wiederaufnahmeverfahren. "Es liegt die historisch einmalige Situation vor, dass auch die StA einen WA Antrag stellen will" Das heißt nicht, dass ein Verteidiger unprofessionell und nachsichtig werden darf. Das hat es doch in Mollaths Verfahren schon genug gegeben. Und jetzt geht es gleich weiter so. "Wo ist das Problem???" Am Ende sind es oft solche vermeidbaren taktischen Fehler, die dann in der Summe den Kopf kosten.

 

2

Anonymous schrieb:

 Die Gefährlichkeit ergibt sich aus den zur Last gelegten Taten, nicht dem Wahn. 

Unsinn, die Gefährlichkeit ergibt sich aus den zu erwartenden Taten.

Diese Erwartung muss aber begründet werden.

Anonymous schrieb:

Doch, und zwar einfach durch die Feststellung, dass die Aktenlage unverändert ist. Reine Formsache, sagte ich bereits.

Das widerspricht  aber der Rechtssprechung des BVerfG und ist somit rechtswidrig.

 

Anonymous schrieb:

Am Ende sind es oft solche vermeidbaren taktischen Fehler, die dann in der Summe den Kopf kosten.

 

So ein kompletter Blödsinn. Strate kann jede Woche einen Antrag stellen, wenn er lustig ist. Was reden Sie da nur für einen Unsinn???

5

Anonymous schrieb:
Mein Name schrieb:
Und selbst wenn "Wahn" vorläge, müsste - um eine weitere Unterbringung zu rechtfertigen - auch sachlich-fachlich nachvollziehbar dargelegt werden, weshalb der Untergebrachte auch für die Allgemeinheit weiterhin eine Gefahr darstellt. Das ist offensichtlich in keinem der bisher vorliegenden Gutachten geschehen.
Doch, und zwar einfach durch die Feststellung, dass die Aktenlage unverändert ist. Reine Formsache, sagte ich bereits.
Sie verwechseln wohl Formsache mit formelhafter Herangehensweise:

- Gutachter behauptet trotz/aufgrund fachlich völlig unzureichender Herangehensweise "Wahnhaftigkeit"

- Richter phantasiert "Gefährlichkeit" hinzu

- nächster Gutachter sagt: "na wenn der eine 'Wahn' sagt und der andere 'gefährlich' und mich der Untergebrachte nicht sprechen will, dann überprüfe ich doch nicht ob die beiden Recht hatten oder Bockmist geschrieben haben, sondern schreibe das einfach wieder hin."

Selbst wenn man eine von Ihnen definierte "Gefährlichkeit nach Formsache Aktenlage" annimmt, bleibt die grandiose Missachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes der Strafvollstreckungskammer. Auch nur "Systemkritik"?

 

 

 

Mein Name schrieb:

Anonymous schrieb:
Mein Name schrieb:
Und selbst wenn "Wahn" vorläge, müsste - um eine weitere Unterbringung zu rechtfertigen - auch sachlich-fachlich nachvollziehbar dargelegt werden, weshalb der Untergebrachte auch für die Allgemeinheit weiterhin eine Gefahr darstellt. Das ist offensichtlich in keinem der bisher vorliegenden Gutachten geschehen.
Doch, und zwar einfach durch die Feststellung, dass die Aktenlage unverändert ist. Reine Formsache, sagte ich bereits.
Sie verwechseln wohl Formsache mit formelhafter Herangehensweise:

- Gutachter behauptet trotz/aufgrund fachlich völlig unzureichender Herangehensweise "Wahnhaftigkeit"

- Richter phantasiert "Gefährlichkeit" hinzu

- nächster Gutachter sagt: "na wenn der eine 'Wahn' sagt und der andere 'gefährlich' und mich der Untergebrachte nicht sprechen will, dann überprüfe ich doch nicht ob die beiden Recht hatten oder Bockmist geschrieben haben, sondern schreibe das einfach wieder hin."

Selbst wenn man eine von Ihnen definierte "Gefährlichkeit nach Formsache Aktenlage" annimmt, bleibt die grandiose Missachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes der Strafvollstreckungskammer. Auch nur "Systemkritik"?

 

 

Anonymous hat - darauf wies auch Prof. ;üller bereits hin - an der Stelle Recht: Auch dann, wenn eine nüchterne Betrachtung ergibt, dass der Urteilsspruch zu erheblichem Schaden des Angeklagten falsch war, erguibt sich nach geltendem Recht daraus an sich kein Grund für eine Wiederaufnahme, solange man zum Beleg nicht auf Tatsachen hinweisen kann, die zum Zeitpunkt des Urteils nicht bekannt waren.

 

Das ist schlichtweg skandalös, Motto: "Du wirst zwar zu Unrecht weggesperrt, aber das ist nun eben rechtskräftig!" m und dient zweifellos nicht der Gerechtigkeit, sondern dem Schutz systematischer Justizwillkür.

 

Anders verhält sich eben nur, wenn einem beteiligten Richter Gesetzesvertöße nachgewiesen werden können, wobei zumindest alle hier lesenden Personen längst wissen, dass das  gegenüber der deutschen Justiz nahezu unmöglich ist, weil jedes noch so unverständliche richterliche Handeln immer noch als legitime Ausnutzung seiner Bemessensspielräume bewertet wird.

Entsprechend sieht der Wiederaufnahmeantrag von Strate auch ganz anders aus, als Nichtjuristen es erwartet haben dürften, hat Strate nicht die nach gesundem Menschenverstand schlimmsten Verfehlungen von Gericht und Gutachtern aufgegriffen, sondern vergleichsweise harmlos erscheinende Punkte, in denen Gesetzesverstöße allerdings evident sind.

 

Die dargelegten Schwierigkeiten bei der angetrebten Wiederaufnahme von Verfahren, die eindeutig mit Fehlurteilen zu Lasten von Angeklagten abgeschlossen wurden, benötigen zweifellos dringend einer rechtspolitischen Lösung.

 

Den Prof. Henning Ernst Müller und andere möchten auf Worte aufmerksam machen, die der eindeutige Insider "Anonymous", der allerdings ebenso eindeutig Interessen vertritt, die auf eine Wahrung des Status-Quo des Justiz- und Gutachtersystems zielen, weiter oben von sich gegeben hat:

Sinngemäß erklärte er: "OK, das System mag Mängel haben, aber was haben wir, wenn wir das System abschaffen / ändern? Wahrscheinlich etwas noch viel Schlimmeres, weil man die wirklich Gefährlichen dann nicht mehr wegsperren kann. Bisher gibt es jedenfalls keine pragmatischen Vorstellungen, wie ein anderes Justiz- und Gutachtersystem funktionieren sollte."

Ja, genau das ist es. Es ist ein schwerer strategischer Fehler, die systematischen Defizite des aktuellen Systems nicht vollständig und gut begründet aufzuzeigen, es ist ein schwerer strategischer Fehler, auf die Diskussion über die Gestaltung eines wirklich akzeptablen Justizsystems zu verzichten - und begangen wird dieser Fehler aus Angst. Spätestens, wenn Beate Merk wieder einmal schreit, irgendwer wolle die ach so unverzichtbare richterliche Unabhängigkeit infrage stellen, spätestens dann sind alle wieder mucksmäuschenstill.

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@Assessor Joachim Bode

Ich stimme Ihnen zu was anonymous angeht, er scheint ein Insider zu sein. Und durch seine Kommentare hilft er mir beim Überblick sehr.

"Staatsanwälte sind gesetzlich verpflichtet, nicht nur belastende, sondern auch entlastende Umstände zu erforschen und diese später gleichermaßen zu berücksichtigen. Der richterliche Amtseid verpflichtet "nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen"."

Ach hören Sie auf. Ich habe intensiev den Kachelmannprozess verfolgt, bin sogar mal aus dem hohen Norden nach Mannheim gefahren. Was ich dort erlebt habe war wiederlich!!! Und dann werden die "Herren" noch befördert - einfach unglaublich!

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@Assessor Joachim Bode: "in Deutschland widerspricht sie einerseits dem Gesetz, andererseits auch weitgehend der Praxis - zumindest soweit ich sie überschaue. Staatsanwälte sind gesetzlich verpflichtet, nicht nur belastende, sondern auch entlastende Umstände zu erforschen und diese später gleichermaßen zu berücksichtigen." Meinem Eindruck nach entspricht die Praxis diesem Idealbild nicht, und zumindest kann man sich nicht darauf verlassen. Das meinte ich aber gar nicht mit "99% Taktik". Sondern ich meinte das vor allem aus der Perspektive des Angeklagten. Bei den meisten Angeklagten, bei denen es zu einer Verurteilung kommt, wäre dieses Schicksal durch taktisch klügeres Vorgehen vermeidbar gewesen. Der beliebteste Fehler ist ja, unüberlegte Aussagen zu machen, vor allem (aber nicht nur) gegenüber der Polizei. Im Fall Mollath (natürlich keine Verurteilung, sondern Einweisung) beruft sich der Richter im Urteil auch auf Aussagen Mollaths im Rahmen des Prozesses.

@Deali: "Sollte es aber nun so sein das der Antrag abgelehnt wird dann kann Strate ja sofort einen Neuen stellen" Das kann bereits Nachteile bringen, weil zwei Sachverhalte möglicherweise zusammengenommen stärker sind als wenn sie in getrennten Anträgen aufgeführt werden. Wofür sich überhaupt in eine solche Lage bringen? Wie Strate selbst schreibt: "Entscheidend ist: kein Schrot verschießen, sondern lieber ... einen gezielten Blattschuß wagen" (https://strate.net/de/publikationen/verteidiger_in_der_wiederaufnahme.html). Sie haben zwar Recht, dass auch Nr. 5 geltend gemacht wird. Allerdings nur Punkte, bei denen man sich streiten wird, ob sie wirklich juristisch gesehen neu oder relevant sind. Eine eigene Auseinandersetzung mit der Material der Staatsanwaltschaft aus Verteidigersicht wäre m.E. unverzichtbar. Man darf das nicht der Staatsanwaltschaft überlassen, zahnlose Tiger a la "nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen" hin oder her.

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@Max Mustermann: Ihr erster Punkt spaltet Haare, die beiden anderen sprechen nur Dinge an, die bereits diskutiert wurden.
@Mein Name: Ich denke, Sie haben verstanden, was ich mit dem Begriff Formsache meinte. Wegen der aktuellen Verhältnismäßigkeit ist Verfassungsbeschwerde anhängig, insofern keine Systemkritik, sondern offene Frage. Bin unentschieden, ob er durchkommt; einerseits lässt die Argumentation einige Fragen offen, andererseits ist das BVerfG bekannt dafür, solche öffentlichkeitswirksamen Fälle zum Anlass zu nehmen, ein Exempel zu statuieren.

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@Anonymous

"Eine eigene Auseinandersetzung mit der Material der Staatsanwaltschaft aus Verteidigersicht wäre m.E. unverzichtbar. Man darf das nicht der Staatsanwaltschaft überlassen, zahnlose Tiger a la "nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen" hin oder her."

Was kann das denn für ein ominöses Material sein das die Staatsanwaltschaft hat? In diesem Fall ist doch eigentlich alles bekannt und das einzig Neue ist der Revisionsbericht der HVB.

Also wenn es da so wichtige neue Erkenntnisse gäbe dann kann Strate die sicher einbringen wenn die Staatsanwaltschaft kneift. Zumindestens haben die ihm ja gesagt um was es geht.

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@Deali

Genau das ist der Punkt.

Man kann die StA erstmal ermitteln lassen, dann die Akten einsehen und dann daraus selber einbringen.

 

Es ist im Zusammenhang mit Diskussionsforen nur interessant zu wissen, dass besonders die konservativen Parteien ab und an Agenturen mit Bezahlschreibern anheuern, um das Meinungsbild zu beeinflussen.

Also in eindeutigen Fällen damit beauftragt sind, Zweifel zu schürren. Bezahlt werden die nach Reaktion. Also ellenweise Halbwahrheiten produzieren und provozieren und dann kassieren...sowas soll es ja geben.

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@Deali: Strate spricht selbst von einem komplementären Antrag der Staatsanwaltschaft. D.h. er schreibt seinem Inhalt (den er durch Akteneinsicht vorauszuahnen glaubt) mindestens gleiches Gewicht zu. Das Problem liegt schon darin, sich von dem Verhalten der Staatsanwaltschaft abhängig zu machen. Taktisch klüger wäre es gewesen, der Staatsanwaltschaft den Vortritt zu lassen. Sie war klar im Zugzwang, eine Grundfigur in der Taktik. Es ist wie im Schach. Wenn Sie mal gegen Fritz gespielt haben, kennen Sie diesen Spott-Spruch: "Wohl Nimzowitsch gelesen!"

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Anonymous schrieb:

@Deali: Strate spricht selbst von einem komplementären Antrag der Staatsanwaltschaft. D.h. er schreibt seinem Inhalt (den er durch Akteneinsicht vorauszuahnen glaubt) mindestens gleiches Gewicht zu. Das Problem liegt schon darin, sich von dem Verhalten der Staatsanwaltschaft abhängig zu machen. Taktisch klüger wäre es gewesen, der Staatsanwaltschaft den Vortritt zu lassen. Sie war klar im Zugzwang, eine Grundfigur in der Taktik. Es ist wie im Schach. Wenn Sie mal gegen Fritz gespielt haben, kennen Sie diesen Spott-Spruch: "Wohl Nimzowitsch gelesen!"

 

Und er wartet dann, bis zum St. Nimmerleinstag, bis der Antrag von der Staatsanwaltschaft eingereicht wird.

 

So ist die Staatsanwaltschaft in Zugzwang und muss irgend etwas liefern. Zumindest eine Begründung, warum sie auf einen eigenen Wiederaufnahmeantrag verzichtet, sofern sie es denn wirklich tut.

 

Wurde dafür Herr Hasso Nerlich zum "Pressesprecher" erkoren?

 

Robert Stegmann

 

 

5

@Anonymous

Ich fasse kurz zusammen.

Herr Mollath war bis 08.08.2006 als unschuldig zu betrachten.

Herr Mollath wurde mehrfach untergebracht, weil man ihn begutachten wollte.

Zu diesem Wunsch, sagte er "Nein Danke" und wies auf das GG hin.

Wahrscheinlich hatte er bis dahin nur Anwälte, die ihm dazu geraten hat, sich begutachten zu lassen. Denen war das GG egal.

Diese Anwälte haben Ihre Ansichten verinnerlicht: Es geht darum, dass man beliebt ist und eine pragmatische Persönlichkeit besitzt.

Kann ja sein, dass ein guter Anwalt Geld kostet und dass die Mehrheit der Bevölkerung dann von einem fairen Prozess ausgeschlossen ist. Aber grundlegende Rechte wie das GG müssten alle Anwälte kennen, auch der Schlechteste. Sonst können wir das Jurastudium abschaffen.

Verantwortung ist mit einer Wahl verbunden. Sie meinen Herr Mollath ist selber verantwortlich für sein Schicksal, er konnte und kann wählen.

Die Wahl lautete: Lass dich begutachten oder lass dich begutachten. Grob ausgedrückt er konnte zwischen Scheiße und Kacke wählen.

Die Psychiater, Anwälte und Richter hatten eine Wahl und tragen damit Schuld und Verantwortung. Nicht Herr Mollath.

Gruss

Tine Peuler

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@anonymous
Ihre Argumentation beruht wesentlich darauf, dass H. Mollath sich nicht ausreichend gewehrt und nicht geeignet kooperiert habe.

Muss ich dann annehmen, dass all die anderen Gefangenen auch einfach nicht genügend gute Anwälte hatten und sich nicht erfolgsorientiert verhalten haben?

Und die in Freiheit genau dies zu leisten vermochten?

5

@Refrigerator: Ich habe nicht gesagt, dass alles notwendigerweise schlimmer wird, wenn man das System abschafft/ändert. Ich habe nur gesagt, dass man das mit den Änderungen nicht trivialisieren darf. Allzu leicht glauben manche, eine Patentlösung in der Tasche zu haben, die aber in Wirklichkeit schlechter ist als der Status quo. Und, so möchte ich ergänzen, gegen eine radikale Abschaffung bin ich, weil solch radikalen Änderungen unvorhersehbare und unkorrigierbare Auswirkungen haben. Änderungen müssen in kleinen Schritten gemacht werden, damit sie kontrollierbar und revidierbar bleiben. Das ist das Prinzip einer rationalen und realistischen Politik. Diese kleinschrittige Methode ist demokratische Pflicht für alle regierenden Parteien, keine Frage der politischen Richtung, und wird zum Glück auch heutzutage eingehalten. Auch wenn Ihnen die Politiker gerne vorspielen, die großen Weltlenker zu sein: Sie kochen auch nur mit Wasser und wissen nicht wirklich, wo die Fahrt hingeht, wenn sie am Steuerrad drehen. Ob z.B. eine konkrete Psychiatriereform die Situation wirklich verbessert.

@Tine Peuler: Schuldzuweisungen helfen niemandem weiter und ändern nichts an der Situation. Das Grundgesetz enthält Grundrechte, nicht Grundpflichten. Herr Mollath hat das Grundrecht, sich nicht untersuchen zu lassen. Aber das heißt nicht, dass er gleichzustellen ist mit allen Vorteilen die sich möglicherwiese ergeben würden, wenn er sich untersuchen lassen würde. Es ist eine vergleichsweise humane Methode, Personen zwischen Untersuchung mit Chance auf Freiheit und keine Untersuchung mit Freiheitsentzug wählen zu lassen. Seien Sie einmal einen Moment lang froh, dass es diese Wahl wegen der Grundrechte überhaupt gibt. Die Situation ist nämlich in vielen Staaten sehr viel schlechter und auch historisch überaus viel schlechter gewesen. (Nein, das heißt nicht, dass man sie nicht noch verbessern kann.)

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@kw: Man kann das Ergebnis nicht an einem Faktor festmachen, so auch nicht an Mollaths Strategie allein. Wäre nur irgendein Faktor anders (Mollaths Strategie oder ein anderer) wäre das ganze vermutlich ganz anders ausgegangen. Ich kann hier nur über den Fall Mollath sprechen. Wie Herr Strate gehe ich davon aus, dass der überwiegende Teil der Urteile die richtigen trifft. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Bei manchen Verfahren hätte möglicherweise ein guter Anwalt ein besseres Ergebnis herausholen können. (So schätze ich es bei Mollaths Fall ein.) Bei anderen Verfahren hingegen hätte vermutlich auch der beste Anwalt nichts mehr retten können.

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Anonymous schrieb:

@kw: Man kann das Ergebnis nicht an einem Faktor festmachen, so auch nicht an Mollaths Strategie allein. Wäre nur irgendein Faktor anders (Mollaths Strategie oder ein anderer) wäre das ganze vermutlich ganz anders ausgegangen. Ich kann hier nur über den Fall Mollath sprechen. Wie Herr Strate gehe ich davon aus, dass der überwiegende Teil der Urteile die richtigen trifft. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Bei manchen Verfahren hätte möglicherweise ein guter Anwalt ein besseres Ergebnis herausholen können. (So schätze ich es bei Mollaths Fall ein.) Bei anderen Verfahren hingegen hätte vermutlich auch der beste Anwalt nichts mehr retten können.

wenn ein vorsitzender Richter verurteilen oder in die Forensik einweisen will, sei es aus eigenem Antrieb oder weil er beauftragt wurde, dann wird ihm das gelingen. Wenn Sie das nicht für möglich halten sind Sie bestenfalls naiv.

Ein Strafverteidiger mit entsprechend aufgebauter Reputation wird ihm das schwerer machen können; vielleicht traut sich der Richter dann auch einfach nicht. 

Der "normale" (Feld-, Wald- und Wiesen-)Strafverteidiger wird gegen Justizkriminalität nicht viel unternehmen können und wollen, er muß doch mit den ehrenwerten Herrschaften in Zukunft weiter zusammenarbeiten. 

Die Justiz hat sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Es fehlt die unabhängige Kontrolle der Justiz, innerhalb der Justiz selbst kann dieses nicht geleistet werden, das ist wie bei der Polizei.

Insofern haben Sie natürlich Recht, daß Systemkritik angesagt ist. 

Das darf aber niemanden daran hindern, die eklatanten und offensichtlichen Verstöße gegen geltendes Recht bei Mollath aufzuzeigen. Skandalös ist, daß diese innerhalb der Justiz durchaus bekannt waren und sind, und dort zur Tagesordnung übergegangen wird, ja man sich sogar darüber noch lustig macht, wie der Herr Hergeth bei den Lions.

 

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Closius schrieb:

... Skandalös ist, daß diese innerhalb der Justiz durchaus bekannt waren und sind, und dort zur Tagesordnung übergegangen wird, ja man sich sogar darüber noch lustig macht, wie der Herr Hergeth bei den Lions.

 

Korrektur: Richter Hergeth hat sich bei den Rotariern, nicht bei den Lions, auf Kosten Mollaths lustig gemacht !

Im Übrigen: Georg Büchner: Die Justiz ist die Hure der Mächtigen.

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@Refrigerator

 

Vielleicht muss wirklich mal eine andere Landesregierung ran, dass der Rechtsstaat wieder so wird, dass ihn jeder versteht.

Momentan verstehe ich nur Bahnhof.

Richterliche Unabhängikeit bedeutet für mich, das zunäcsht einmal die Unschuld des Beschuldigten vermutet werden muss.

Die Staatsanwaltschaft hat dann in einem Strafprozess die Anklageschrift zu verlesen und mittels Zeugen, Urkunden und anderer Beweismittel darzustellen, warum sie den Angeklagten für schuldig hält.

Im Fall Mollath kam die Staatsanwaltschaft mehr oder weniger gar nicht zu Wort. Das Verfahren wurde von Richter Eberl an den Richter Brixner weiter geleitet. Ab da hatte dieser die Fäden in der Hand. Und solange ein Richter unter Berufung auf seine richterliche Unabhängigkeit auf benannte Entlastungszeugen verzichten und nur die Belastungszeugen aufrufen darf, nur belastende Urkunden verlesen darf, die Beweisfreagen in seinem Sinn stellen darf, kann von richtierlicher Unabhängigkeit keine Rede sein.

Wenn der Angeklagte bereits verurteilt ist, bevor er einen Fuss in den Gerichtssaal gesetzt hat, dann stimmt etwas nicht in unserem Rechtsstaat.

 

Robert Stegmann

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Robert Stegmann schrieb:

@Refrigerator

 

Vielleicht muss wirklich mal eine andere Landesregierung ran, dass der Rechtsstaat wieder so wird, dass ihn jeder versteht.

 

 

=> Sie glauben bestimmt auch, dass Jesus eines Tages vom Himmel rutschen und uns den Himmel auf Erden bringen wird, nicht wahr? Mensch, Stegmann, in anderen Bundesländern sieht es nicht anders aus, die StPO ist ein Bundesgesetz, dass BVfG kann Beschwerden ohne angabe von Gründen ablehnen. und sehen Sie sich außerdem an, was die bayerischen Vertreter von SPD, Grünen, FDP (nicht) zu sagen haben!

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@kw

Mir kommt der Verdacht genau solche Bilder sollen durch derartige Propaganda erzeugt werden:

 

Mollath ist ein Einzelfall und durch sein querulatorisch-unverständiges Verhalten selber schuld an seiner Lage.

 

Das System funktioniert wunderbar, im Vorliegenden sind handwerkliche Fehler des Richters aber durchaus vorhanden, die der Angeklagte aber hätte vermeiden können, wäre er taktisch vorgegangen...

 

Pfui Teufel!! 

Wer die Diskussion seit Anfang verfolgt hat, hat mitbekommen, dass viele Juristen solches zumindest für möglich hielten. Ich glaube aber fast ausnahmslos alle sind nach bekanntwerden von Mollaths Versuchen, rechtliches Gehör zu finden mittlerweile vom Gegenteil überzeugt.

 

Und bei Mollath wird noch bei zu Tage treten. Seine Anwältin hat im telepolis Interview gesagt, es hätte schon mehrere derartige Versuche im Vorfeld gegeben....man wird sehen.

 

Auf alle Fälle wird Mollath kein Einzelfall gewesen sein. Der Selbstläufer "Verdachtsdiagnose - dann Unterbringung" lädt ja geradezu zu Missbrauch ein. 

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@Robert Stegmann: "Wenn der Angeklagte bereits verurteilt ist, bevor er einen Fuss in den Gerichtssaal gesetzt hat, dann stimmt etwas nicht in unserem Rechtsstaat." Das ist der Fregesche Denkfehler. Offensichtlich stimmte hier etwas mit dem Richter nicht; er war befangen. Das kommt aber gar nicht so selten vor und das können Sie dem Rechtsstaat nicht ankreiden. Rechtsstaat heißt nicht, dass immer und unter allen Umständen ein ideales Ergebnis garantiert ist.

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Anonymous schrieb:

@Robert Stegmann: "Wenn der Angeklagte bereits verurteilt ist, bevor er einen Fuss in den Gerichtssaal gesetzt hat, dann stimmt etwas nicht in unserem Rechtsstaat." Das ist der Fregesche Denkfehler. Offensichtlich stimmte hier etwas mit dem Richter nicht; er war befangen. Das kommt aber gar nicht so selten vor und das können Sie dem Rechtsstaat nicht ankreiden. Rechtsstaat heißt nicht, dass immer und unter allen Umständen ein ideales Ergebnis garantiert ist.

 

Rechtsstaat heißt aber, dass schlimmste Willkür zumindest im letztlichen Resulat sicher ausgeschlossen sein muss. Und in D ist das gerade nicht der Fall, wie neben vielen anderen Fällen der Fall Mollath unzweifelhaft belegt.

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Anonymous schrieb:

Das ist der Fregesche Denkfehler. Offensichtlich stimmte hier etwas mit dem Richter nicht; er war befangen. Das kommt aber gar nicht so selten vor und das können Sie dem Rechtsstaat nicht ankreiden. Rechtsstaat heißt nicht, dass immer und unter allen Umständen ein ideales Ergebnis garantiert ist.

Also, hier stimmte offensichtlich etwas mit dem Richter nicht. Trotzdem kein Wiederaufnahmeverfahren, weil Befangenheit nicht so gewichtig ist?

 

Robert Stegmann

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@ Anonymus

Ihr Vorwurf:

"Eine eigene Auseinandersetzung mit der Material der Staatsanwaltschaft aus Verteidigersicht wäre m.E. unverzichtbar. Man darf das nicht der Staatsanwaltschaft überlassen, zahnlose Tiger a la "nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen" hin oder her."

 

Die zweite Anwältin hat laut Mollath blog Akten abgefordert, aber wohl nicht alle Akten erhalten.

 

  1. 2013-02-21 Die Staatsanwaltschaft Augsburg gibt RAin Lorenz-Löblein per Fax zwei der angeforderten Aktenzeichen bekannt.
  2.  
  3. 2013-02-25 RAin Lorenz-Löblein hat einige Akten von der Staatsanwaltschaft Augsburg zur Einsicht erhalten.

 

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@ Anonymous

 

Sie schreiben:

"Ich habe nicht gesagt, dass alles notwendigerweise schlimmer wird, wenn man das System abschafft/ändert. Ich habe nur gesagt, dass man das mit den Änderungen nicht trivialisieren darf. Allzu leicht glauben manche, eine Patentlösung in der Tasche zu haben, die aber in Wirklichkeit schlechter ist als der Status quo."

 

=> Es gibt zwei Möglichkeiten der Änderung: Reformierung und Revolution. Die Reformierung ist eben gerade nicht radikal in dem Sinne, dass sie alles auf einen Schlag über den Haufen wirft, sondern lässt das Grundegerüst stehen, beseitigt aber, soweit möglich, seine Mängel. Nur, wenn das Grundgerüst absolut nicht taugt, dann muss die kreative Zerstörung her, in deren Folge eine Neugestaltung.

Ein Problem, das man im Zuge von Reformierung beseitigen könnte, sind unwissenschaftliche und intransparente Vorgehnsweisen. Vorschläge dazu gibt es seit Jahren:

- Videoprotokolle von Verhandlungen, Videoprotokolle von "Begutachtungen", jeweils auch einsehbar für den bisher nur angeblichen Souverän - für das Volk (Internet-Archive).

- Gesetzeszwang zur inhaltlichen Protokollierung von Zeugenaussagen und Wortbeiträgen anderer Prozessbeteiligter.

- Abbau formaljuristischer Hürden bei Beweis- ,Revisions- und Wiederaufnahmeanträgen und Verfassungsklagen.

- Gesetzlicher Zwang der Gerichte, rechtliches gehör zu gewähren, der auch sicher durchsetzbar ist - und nicht damit endet, dass das Verfassunggericht - wie im Falle Mollath - Beschwerden endlos unbeschieden liegen lässt oder - wie in zahllosen nicht öffentlich bekannten Fällen - einfach ohne Angabe von Gründen ablehnt.

 

Solche Reformschritte würden die Republik definitiv nicht in ein justizielles Vakuum stürzen, sie würden die Funktionalität einer sauber arbeitenden Justiz und sauber arbeitender Gutachter nicht einmal tangieren. Sie würden aber systematische Kriminalität der Gerichte und Gutachter enorm erschweren - und sie werden von Justiz und herrschender Politikerkaste rundum abgelehnt!

 

Der Krug wird solange zum Brunnen gehen, bis er bricht, und mir persönlich macht es überhaupt nichts aus, dass die Verfechter des Status Quo sich völlig kompromisslos zeigen - im Gegenteil. Mich freut das.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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