Auch der Richter, der die Wahrheit sagt, kann befangen sein

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 05.02.2013
Rechtsgebiete: BefangenheitFamilienrecht5|3986 Aufrufe

In dem Scheidungsverfahren stritten sich die Beteiligten um den Beginn der Trennung und um die Frage, ob für den Ehemann ein Härtefall (§ 1565 II BGB) vorliegt. Nachdem der antragstellende Ehemann einen Versäunmnisbeschluss gegen sich hatte ergehen lassen, äußerte der Richter im Einspruchstermin, dass der Antragsteller-Vertreter mit diesem Verfahren das Geld seines Mandanten verbrenne.

 

Der prompt folgende Befangenheitsantrag war in 2. Instanz erfolgreich.

 

Der Richter habe mit seiner Äußerung den Rahmen sachbezogener Auseinandersetzung verlassen hat, indem er die Prozessführung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers in dessen Gegenwart durch bissige Ironie herabwürdigt habe. Eine Differenzierung zwischen der Besorgnis der Voreingenommenheit gegenüber dem Rechtsanwalt einerseits und dem Beteiligten selbst andererseits sei bei dieser Sachlage unangebracht, weil jedenfalls mit der Verfahrensführung auch das Anliegen des Beteiligten in der Sache abfällig kommentiert worden sei. Ferner werde der Äußerung der unsachliche Charakter nicht dadurch genommen, dass die sie veranlassende Rechtsansicht zutreffen mag, da es hier gerade nicht um die Richtigkeit der Rechtsansicht geht sondern um die Form ihrer Äußerung.

Es sei betont, dass es durchaus Aufgabe des Richters sein kann, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung die rechtlichen und tatsächlichen Aspekte eines Verfahrens auch kontrovers mit den Beteiligten zu diskutieren, wobei es nachvollziehbarer Weise auch zu gereizten Reaktionen aller Beteiligter kommen kann, denen gegenüber der Richter sicherlich nicht verpflichtet ist, emotionslos zu reagieren. Will er aber vermeiden, Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit zu wecken, ist es seine Aufgabe, nach einer etwaigen durch ihre Wortwahl unangemessenen Äußerung die Souveränität aufzubringen, gegenüber den Beteiligten klarstellende Worte zu finden, kraft derer die Beteiligten nachvollziehen können, dass eine Abwertung eines Beteiligten oder seines Anliegens nicht beabsichtigt war. Auch eine solche Klarstellung erfolgte vorliegend jedoch nicht.

OLG Köln v. 31.10.2012 - 4 WF 121/12

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5 Kommentare

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Was ist denn an der gegenständlichen Äußerung bzw. ihrer Veranlassung eine Rechtsansicht? Die Überflüssigkeit von Säumniskosten (auch unter prozesstaktischen Abwägungen) ist doch eine Tatsachenfrage?

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Ob ein Richter befangen ist oder nicht, hat absolut nichts damit zu tun, ob er die Wahrheit sagt oder nicht.

Es kommt nur darauf an, was er denkt.

Was er sagt, bestimmt nur darüber, ob das raus kommt.

 

Wenn der Richter sagt, "Ich mag Sie nicht."

So ist das vermutlich erstens die Wahrheit und zweitens ein Grund, ihn für befangen zu erklären.

Wenn er das nicht sagt, sondern nur denkt, so ist er ganz genauso befangen, nur ist das dann nicht nachweisbar.

 

Ein Umstand, den die meisten Richter sicher auszunutzen wissen.

 

 

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Sicher gibt es Kollegen, die ihre Mandanten mindestens grob fahrlässig in eine große Kostenlast stürzen. Trotzdem finde ich richterliche Bemerkungen wie die vorliegende oder den Hinweis, der Mandant sei wohl schlecht beraten, o.ä., völlig unangebracht.

 

Der Richter kann den Fall nämlich gar nicht umfassend beurteilen, weil das, was in der Gerichtsakte landet, oftmals nur den Bruchteil dessen widerspiegelt, was tatsächlich Hintergrund des Verfahrens ist. Auch hat der Richter in der Regel keinen Durchblick, was kanzleiinterne Abläufe angeht. Ferner ist er nicht darüber informiert, was eine Partei mit ihren Anträgen tatsächlich bezweckt.  Manchen Menschen ist es zum Beispiel völlig gleichgültig, was es kostet, Hauptsache, die Gegenseite wird geärgert und hat ebenfalls Kosten. Die Kostenstrategie ist mitunter nicht die schlechteste. Gerade wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits von der Erhebung zahlreicher Beweise, insbesondere der Einholung von Sachverständigengutachten abhängt, obsiegt häufig die Partei, die den Rechtsstreit finanziell länger durchhält.

 

Oftmals verfügen die Parteien auch über Rechtsschutzversicherungen, so daß das Kostenargument völlig ins Leere läuft. So kann man manch intensiv vorbereiteten Vergleichsvorschlag des Gerichts, der auf der Kostenkeule beruht, gleich mit einem Wort versanden lassen: "Rechtsschutzversicherung".

 

Außerdem gibt es immer wieder stinkreiche Kamikaze-Mandanten, denen mit Belehrungen und guten Worten nicht beizukommen ist. Die wollen einfach durch alle Instanzen fechten, koste es, was es wolle. Und damit kommen sie häufig durch, weil der Gegner sich das nicht leisten kann (s.o.).   Recht zu bekommen ist leider immer noch eine Frage des Geldbeutels. Daran ändern in vielen Fällen auch BerH und PKH/VKH nichts.

 

 

 

 

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