Zwangsweise Abgabe einer Spermaprobe?
von , veröffentlicht am 04.02.2013Der beklagte Mann und sein eineiiger Zwillingsbruder hatten mit der Mutter während der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr gehabt.
Statt der üblichen 12 hatte der bestellte Sachverständige 1033 "Marker" bei seinem Abstammungsgutachten untersucht, aber kein eindeutiges Ergebnis erzielen können. (Die Kosten hierfür sollen sich bis dahin bereits auf 100.000 € belaufen haben.) Der Sachverständige hielt es indes für nicht ausgeschlossen, dass bei Untersuchung der wholegenome Sequencing ein eindeutiges Ergebnis erzielt werden könne.
Das BVerfG hatte die klageabweisende Entscheidung des OLG Celle aufgehoben und das OLG zu weiterer Forschung Beweisaufnahme verpflichtet (BVerfG v. 18.08.2010 - 1 BvR 811/09).
Die weiter zu Rate gezogenen Sachverständigen teilten dem OLG mit, nicht eine weitere Blut-, sondern eine Spermauntersuchung der beiden Männer könne theoretisch und vielleicht das Rätsel lösen.
Eine Spermaprobe wollte aber der beklagte Mann dem Senat nicht zur Verfügung stellen. Sein Zwillingsbruder teilte mit, die Abgabe einer Spermaprobe scheitere bereits daran, dass er sich zwischenzeitlich habe sterilisieren lassen.
An dieser Stelle brach das OLG die Beweisaufnahme ab:
Nach § 178 FamFG sei zur Feststellung der Abstammung eine Untersuchung nur zur dulden, wenn sie nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft eine Aufklärung des Sachverhalts verspricht und dem zu Untersuchenden nach der Art der Untersuchung und nach den Folgen ihres Ergebnisses für ihn ohne Nachteil für seine - physische oder psychische - Gesundheit zugemutet werden kann.
Das ist hier nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme nicht der Fall.
Darum hat der Beklagte die Abgabe einer Spermaprobe mit Recht verweigert, weshalb eine zwangsweise Durchsetzung durch Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 390 ZPO schon aus diesem Grund nicht in Betracht kommt. Mithin kann hier dahinstehen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein solches Vorgehen im Hinblick auf das Recht auf Schutz der Menschenwürde und auf persönliche Freiheit in Gestalt des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 GG) grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig wäre. Gleiches gilt für den Zeugen, der zudem nach seiner schriftlichen Erklärung, hinsichtlich deren Glaubhaftigkeit Zweifel weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich sind, infolge Durchführung einer Vasektomie zur Abgabe einer Spermaprobe nicht mehr in der Lage ist.
OLG Celle v. 30.01.2013 - 15 UF 51/06
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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19 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenFalbala146 kommentiert am Permanenter Link
Eigentlich müsste man ja die beiden Zwillinge gesamtschuldnerisch den Kindesunterhalt zahlen lassen. Einer von beiden war es ja schließlich, und der andere könnte sich im Grunde nicht einmal beschweren, dass er für ein fremdes Kind zahlen soll, denn es ist ja genetisch praktisch sein eigenes. Und in der Geburtsurkunde werden einfach beide zu je 50 % als Vater eingetragen ;-))
Kann man da nicht vielleicht über den § 840 BGB etwas machen? Analog, oder so?
Untermann kommentiert am Permanenter Link
Da hatte es sich das OLG Hamm (Urteil vom 24.06.2008, Az. 9 UF 132/05) Dank eines Zufalls einfacher gemacht. Es kam schnell zu dem simplen Schluss, dass nicht feststellbar sei, wer der Vater ist.
Doch, oh Glück, einer der Zwillinge hatte einen Trauschein, der ist mehr wert wie 50% Vaterschaftswahrscheinlichkeit. Dem haben die Richter ohne weitere Tests die Vaterschaft zugewiesen. In der Presse hiess es zutreffend und pointiert dazu "Frau betrügt Ehemann mit Zwillingsbruder - Gatte zahlt für Kind".
In Kanada lief ein ähnlicher Fall anders, dort verkehrten ebenfalls eineiige Zwillinge mit einer Frau geschlechtlich. Da die Vaterschaft wie bekannt nicht eindeutig nachweisbar war, musste zum Ärger der Dame keiner der Männer zahlen, sondern der Elternteil der mit Sicherheit feststand: Sie selber.
Dass ein Kind Vater und Mutter hat, die ihm beide zum Unterhalt verpflichtet sind wird in der alles überstrahlenden hektischen Suche nach einem zahlenden Vater ausgeblendet.
Hans-Otto Burschel kommentiert am Permanenter Link
@ falbala
eine unerlaubte Handlung?
das Kind als Schaden?
@ Herrn Untermann
Das sind die Wirkungen des § 1592 Nr. 1 BGB
JustBen kommentiert am Permanenter Link
Man könnte ja versuchen, die Abgabe der Probe durch unmittelbaren Zwang durchzusetzen, (zumindest bei dem bei dem es noch biologisch machbar ist) ^^
Michael B. kommentiert am Permanenter Link
Ja,dafür bin ich auch.
Untermann kommentiert am Permanenter Link
Andererseits existiert auch § 1600 Abs. 1 Nr. 1 und 2, zumal die Mutter Mehrverkehr eingeräumt hat. Der Nachweis, dass der Zwillingsbruder der Vater ist, wäre leicht zu führen. Schwierig wird es erst, weil auch der andere Bruder diesen Nachweis führen kann...
Hans-Otto Burschel kommentiert am Permanenter Link
§ 1600 regelt, wer berechtigt ist, eine rechtlich bestehende Vaterschaft anzufechten. Dieser Fall liegt hier nicht vor.
Untermann kommentiert am Permanenter Link
Nein, aber ihre Antwort mit dem § 1592 Nr. 1 BGB bezog sich auf den von mir geschilderten Fall vor dem OLG Hamm. Dort ging es um eine Anfechtung, der zugrundeliegende biologische Sachverhalt war aber identisch.
Name kommentiert am Permanenter Link
@ Herrn Burschel:
Natürlich nicht das Kind, aber die Unterhaltbelastung kann durchaus als Schaden aufgefasst werden - wenn z.B. ein Unterhaltsvorschuss gezahlt wird.
Unerlaubte Handlung liegt natürlich keine vor.
Gast kommentiert am Permanenter Link
@ Herr Burschel
bei missglückten Sterilisationen oder bei medizinischen Kunstfehlern ist es doch meines Wissens Usus, den anfallenden Kindesunterhalt als Schaden zu betrachten.
Natürlich liegt -zumindest im engeren Sinne - hier keine unerlaubte Handlung vor ;-)) ABER deswegen meinte ich ja auch, analog... Rein vom Rechtsempfinden her fände ich es richtig, wenn beide zusammen zahlen müssten. Einer ist definitiv der Vater und der andere immerhin der Onkel, der nur zufällig nicht Vater wurde.
Name kommentiert am Permanenter Link
Das kann man von der hier dargestellten Situation ja nicht gerade behaupten - eine "Analogie" ist da an schon sehr langen Haaren herbeigezogen.
Hans-Otto Burschel kommentiert am Permanenter Link
Ich hatte den Kommentar von Falbala wegen des " ;-)) " nicht als ganz ernstgemeint aufgefasst. Ebenso ironisch waren meine Bemerkungen zur unerlaubten Handlung und "zum Kind als Schaden" (uraltes juristisches Thema) gemeint gewesen.
Michael kommentiert am Permanenter Link
Nach § 178 FamFG hat der potenzielle Kindsvater (welch lustig Wortspiel) nur ein Duldungspflicht. Interessant wäre hier, wie da die Spermaprobe entnommen werden soll. Blutprobe ist ja klar, aber nach meiner Erfahrung muss man bei dieser Sache zumindest psychisch mitwirken, manchmal auch physisch. Hier lässt uns das Gericht mit ungeklärten Fragen zurück, ähnlich der Durchsetzbarkeit des ehelichen Beischlafes.
Untermann kommentiert am Permanenter Link
Identischer Fall in Österreich aus DIE PRESSE, OHG 1 Ob 148/12i.
Der Mutter ist allerdings erst "eingefallen", dass sie mit zwei Zwillingen Geschlechtsverkehr hatte, als das Kind bereits 16 war und kein Unterhalt vom Putativvater zu holen war. Also hat man einen der Zwillinge verklagt, vermutlich den finanziell besser Gestellten. Der oberste Gerichtshof kam zum Ergebnis, dass man zwar keinem der beiden Zwillinge die biologische Vaterschaft zuordnen kann, aber wenn der Beklagte nicht beweisen kann, dasss er nicht der Vater ist, dann wird er zum rechtlichen Vater incl. Unterhaltspflicht erklärt. Beweislastumkehr.
Mehr demnächst im Drama "Unterhaltszahler verzweifelt gesucht". Bedingungen: 1. Männlich 2. Kann nicht beweisen, vor 17 Jahren mit Person XY nicht im Bett gewesen zu sein.
Name kommentiert am Permanenter Link
§ 1600d BGB:
(2) Im Verfahren auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft wird als Vater vermutet, wer der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Die Vermutung gilt nicht, wenn schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft bestehen.
(3) Als Empfängniszeit gilt die Zeit von dem 300. bis zu dem 181. Tage vor der Geburt des Kindes, mit Einschluss sowohl des 300. als auch des 181. Tages. Steht fest, dass das Kind außerhalb des Zeitraums des Satzes 1 empfangen worden ist, so gilt dieser abweichende Zeitraum als Empfängniszeit.
§ 148 ABGB:
(2) Auf Antrag des Kindes kann der Mann als Vater festgestellt werden, welcher der Mutter innerhalb von nicht mehr als 300 und nicht weniger als 180 Tagen vor der Geburt beigewohnt hat oder mit dessen Samen an der Mutter in diesem Zeitraum eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchgeführt worden ist, es sei denn, er weist nach, dass das Kind nicht von ihm abstammt.
Untermann kommentiert am Permanenter Link
Aber der Fall ist es, wie ich geschrieben hatte: Ein Kind entsteht aus Mehrverkehr mit zwei Männern, die eineiige Zwillinge sind.
Die Entscheidungen dokumentieren recht gut, wie aufgrund eines identischen tatsächlichen biologischen Sachverhalts die unterschiedlichsten rechtlichen Ergebnisse daraus generiert werden. Man kann sich dem Eindruck einer gewissen WIllkür und Beliebigkeit nicht erwehren.
Hans-Otto Burschel kommentiert am Permanenter Link
Die Entscheidungen dokumentieren lediglich, dass der deutsche und der österreichische Gesetzgeber unterschiedlich entschieden haben.
Untermann kommentiert am Permanenter Link
Ist doch schon ein bisschen mehr, oder? Bis jetzt sind zwei deutsche Entscheidungen, eine österreichische und eine kanadische zur Sprache gekommen. Alle mit identischem biologischen Sachverhalt, ein Kind entsteht aus Mehrverkehr mit zwei Männern, die eineiige Zwillinge sind.
Vielleicht geht es im Strafrecht ja anders zu. Vergewaltigung durch jemand, der einen Zwillingsbruder hat: http://www.zeit.de/news/2013-02/09/frankreich-welcher-der-zwillingsbrueder-war-es-09192605
Erstmal wurden alle beide eingeknastet.
Michael B. kommentiert am Permanenter Link
Ich wäre auch dafür ,unter Zwang durch Festhalten des beklagten Mannes und Massage seiner Prostata durch einen hinzugezogenen Urologen, in ein vorgehaltenes Probeglas ejakulieren zu lassen,weil hier ja wesentlich zu einer Aufklärung eines sehr wichtigen und weitreichenden Sachverhaltes beigetragen wird. Nur in diesem kurzen Moment müsste schon einmal das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ausser Kraft gesetzt und Zwang angewendet werden dürfen.Weil hier geht es ja um Unsummen,welche der Mutter bis zum 18 bzw 25 Lebensjahr ihres Kindes zustehen würden.