Der Nazi und seine Kinder (Teil 2)

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 29.01.2013
Rechtsgebiete: Familienrecht|3797 Aufrufe

 

In der Vergangenheit musste das BVerfG gelegentlich den Instanzgerichten aufzeigen, welche verfassungsrechtliche Bedeutung das väterliche Umgangsrecht hat. Nun hat das Bundesverfassungsgericht (was sich in der hier geschilderten einstweiligen Anordnung schon andeutete), - soweit ersichtlich erstmals - einem OLG die Grenzen des Umgangsrecht verdeutlicht.

 

Der Kindesvater ist in der rechtsradikalen Szene aktiv. Die Mutter war hier ebenfalls engagiert, hat sich aber im Januar 2005 abgewandt und an einem Aussteigerprogramm teilgenommen. Sie hat ihren Namen und diejenigen ihrer Kinder ändern lassen und hat mehrfach ihren Wohnsitz gewechselt.

Das OLG Dresden hat dem Kindesvater mit Beschluss vom 23.07.2012 (20 UF 770/08) an jedem ersten Samstag im Monat, beginnend ab dem 6. Oktober 2012, für die Dauer von zwei Stunden begleiteten Umgang mit seinen drei Kindern gewährt und zur Sicherstellung der Durchführung des Umgangs Umgangspflegschaft angeordnet wurde. Zur Begründung hatte das OLG Dresden ausgeführt, der Senat könne nicht feststellen, dass bei einem Umgang der Kinder mit ihrem Vater zu befürchten wäre, dass seine Kinder oder die Mutter der Kinder Angriffen aus der rechtsradikalen Szene ausgesetzt wären, die eine Gefährdung des Wohls der Kinder oder auch der Kindesmutter bedeuten würden. Insbesondere die von der Kindesmutter vorgelegten und vom Senat eingeholten Auskünfte der Polizei- und Verfassungsschutzbehörden ließen eine konkrete Gefährdung der Kindesmutter und ihrer Kinder nicht erkennen.

Ganz anders das BVerfG: Auf die Verfassungsbeschwerde der Mutter hat das BVerfG festgestellt, dass der Beschluss des OLG Dresden die Mutter in ihrem Grundrecht nach Art. 6 II 1 GG verletzt und den Beschluss daher aufgehoben. 

Das BVerfG wirft dem OLG Dresden vor:

1. Es habe bei der Entscheidung über die Ausübung des Umgangsrechts nach § 1684 BGB dem mit dem Wohl der Kinder in engem Zusammenhang stehenden Schutz der Beschwerdeführerin vor Gefahren für Leib und Leben nicht ausreichend Rechnung getragen.

Das Oberlandesgericht hat zwar vor dem Hintergrund der Zugehörigkeit des Kindesvaters zur rechtsextremen Szene und der besonderen Aussteigersituation der Mutter umfangreiche Erkundigungen hinsichtlich des Vorliegens einer Gefährdungslage eingeholt. Jedoch hat es im Rahmen seiner Entscheidung der Gefährdung der Mutter und der damit einhergehenden mittelbaren Gefährdung der Kinder zu geringes Gewicht beigemessen. Aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ergeben sich Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung der Beschwerdeführerin, durch Rechtsextremisten erheblichem körperlichem oder seelischem Druck ausgesetzt zu werden. Ob die Kinder derselben Gefahr unmittelbar und eigenständig ausgesetzt sind, kann dahinstehen. Das Wohl der in der Obhut der Mutter aufwachsenden Kinder ist von der körperlichen Unversehrtheit ihrer Mutter abhängig, hinter deren Schutz das Umgangsrecht des Vaters hier zurücktreten muss.

2. Die angegriffene Entscheidung befasse sich ferner nicht hinreichend mit denkbaren nachteiligen Folgen der angeordneten Umgangskontakte für die Kinder. Zum einen gehe das Oberlandesgericht nicht der Frage nach, welche Auswirkungen die Durchführung von Umgangskontakten unter ihren alten Identitäten auf die Kinder haben kann (a). Zum anderen habe sich das Oberlandesgericht nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, ob die Kinder dem Umgang mit dem Vater nicht mittlerweile derart ablehnend gegenüberstehen, dass die Anordnung von Umgangskontakten gegen ihren Willen eine seelische Schädigung hervorrufen könnte (b).

BVerfG v. 13.12.2012 - 1 BvR 1766/12 -

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen