Europäischer Verbraucherschutz: eine Katastrophe - eine Fallstudie

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 27.01.2013

Stolz brüstet sich die Europäische Kommission der Verbesserungen des europäischen Verbraucherschutzrechts und subventioniert mit viel Geld grenzüberschreitende Schutzeinrichtungen. Aber eine einfache Fallstudie zeigt, dass sich im grenzüberschreitenden Onlinehandel nicht viel verbessert hat.

 

Meine ältere Tochter lebt seit vielen Jahren in den Niederlanden und studiert in Rotterdam. Sie bestellte Anfang 2012 bei www.besteleenmuursticker.nl  ein Poster für die Wand. Sie zahlte auf Anforderung per Vorkasse; die Ware kam nie. Sie mahnte per Mail; keiner Reaktion. Telefonnummern des Unternehmens erweisen sich als nie abgehörte Anrufbeantworter mit teurer Warteschleife (heute gibt es noch einmal eine Telefonnummer). Zu spät las sie im Internet, dass sehr viele sich über das Unternehmen beschwerten und ihre Ware oder ihr Geld nie zurück erhielten.

 

Soweit klassische Indizien für einen Internetbetrug. Aber wer hilft nun? Die niederländische Polizei reagiert genau so wenig wie die deutsche. Niederländische Verbraucherschutzorganisatioonen erklärten, sie seien für Beschwerden deutscher Staatsangehöriger nicht zuständig. Die deutschen Verbände lehnten ebenfalls dankend ab - der Fall habe doch in den Niederlanden gespielt. Das Fraudehelpdesk in den Niederlanden erklärte sich für unzuständig: "We advice you to get in contact with the Europäische Verbraucherzentrum http://www.eu-verbraucher.de/de/startseite/ They might be of better help." Doch von dort (aus Kehl) kam gleich mehrfach die kurze Rückmeldung, dass man dafür nicht zuständig sei - der Fall sei ja ein rein niederländischer.

 

Und so schließt sich der Kreis. Doch die Odysee durch den Dschungel europäischer Verbraucherschutzorganisationen zeigt eins: Es ist immer noch kaum möglich, bei grenzüberschreitenden Käufen seine Rechte als Verbraucher effektiv durchzusetzen. Enttäuschend sind daher insbesondere die schnoddrigen Reaktionen des "Europäischen Verbraucherzentrum" in Kehl - was bringt eigentlich eine solche Organisation? Und was ist mit den Informationspflichten - eine Sanktionierung unvollständiger Impressa findet in den Niederlanden offensichtlich nicht statt. Und auch sonst warten die vielen Opfer von besteelenmuursticker.nl auf ihr Geld.

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13 Kommentare

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Besten Dank für diese Infos, die sehr hilfreich sind. Ich hatte auch schon über die IP recherchiert und kam nur dazu, dass hier ein Firmenkonglomerat sitzt. Aber weiter kam ich auch nicht; erinnert mich alles an Burat und Schmidchen. TH

Welche "effektive" Hilfe sich Vater und Tochter von den Verbraucherschutzorganisationen erhofften, bleibt schleierhaft. Was stellt der Herr Professor sich denn vor  -  dass da so eine Art schnelle Eingreiftruppe sitzt, die den Laden zügig aushebt, die Bösewichter verhaftet und das vorgefundene Vermögen an die Geschädigten verteilt?? Genauso schleierhaft ist, warum hier, wenn doch offenbar ein klarer Betrugsfall vorliegt, eine Einschaltung der zuständigen Strafverfolgungsorgane gar nicht in Betracht gezogen wird.

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Da haben Sie was falsch gelesen, Herr Gastmann. Ich habe mich zuerst bei der Polizei in Deutschland und den Niederlanden gemeldet und Strafanzeige gestellt - ohne einen Hauch von Erfolg/Reaktion. Liebe Grüsse TH

Mir ist nicht ganz klar, warum das Europäische Verbraucherzentrum in dieser Sache das Hauptproblem sein sollte.

Eine Inländerin (zumindests dem Wohnsitz nach) bestellt im Inland bei einem mutmaßlich dubiosen Online-Dienst.

Ist es in einem solchen Fall nicht auch angemessen, dass primär inländisches Recht und inländische Organisationen bzw. Behörden (sprich: niederländische) zuständig sind?    

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Zu 7: Klar, wenn eine inländische Einrichtung sich für zuständig erachten würde. Aber das war bei Hoeren nicht der Fall. Ich habe das Gleiche erlebt! Katstrophales Chaos!

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Ich habe das gleiche umgekehrt erlebt. Bin Niederländer. Habe in Deutschland als Student gelebt und mir etwas bei einem Elektroversand per Internet bestellt. Das Zeug kam nicht - mein Geld war weg. Und niemand fühlte sich zuständig - die deutschen Behörden nicht - ich sei ja Niederländer. Die Niederländer nicht, denn das sei ja ein deutscher Fall. Und dieses komische Zentrum auch nicht; denn es fehle ja an einem grenzüberschreitenden Kauf.

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Nochmal: Es ist nicht die Aufgabe von Verbraucherschutzorganisationen, die Strafverfolgung von Betrügern zu betreiben, weder grenzüberschreitend noch national. Wenn Polizei und Staatsanwaltschaft nicht reagieren (was auch nicht immer heißen muss, dass nichts getan wird  -  gut Ding will schlicht manchmal Weile haben), muss eben dort insistiert werden.

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Das sehe ich anders. Gerade Verbraucherschützer müssen bei Betrügereien zulasten von Verbrauchern vorgehen und helfen; man denke an Burat und die Internetabzocke.

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Also ich sehe es auch so, dass es nur bedingt ein Anliegen des Verbraucherschutzes ist. Die Handlung des Versands ist meiner Meinung nach schlicht und einfach Betrug, dafür ist die Polizei und Staatsanwaltschaft zuständig.

Die Auskünfte der Verbraucherschutzorganisationen sind zwar auch nicht in Ordnung, aber offensichtlich beschränken sie sich nur auf bestimmte Aufgaben für die sie finanziert werden.

Ursache des Übels dürfte aber die mangelnde europäische Rechtsordnung sein, die zwar jeden Verdächtigen an ein anderes Mitgliedsland ausliefert und das ohne Prüfung des Sachverhalts, wenn der Bürger aber was will, dann gibt es noch viele kleine Schranken. Warum kann EU-Bürger nicht in jedem EU-Land Anzeige erstatten, wenn er in diesem Land lebt und geschädigt wurde?

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Als ich Ihre Reaktion über die leidvolle Erfahrung Ihrer Tochter in der NJW gelesen habe, war ich zuerst leicht amüsiert, nach dem Motto "Willkommen im Club", wurde dann jedoch nachdenklich:

Glaubt Herr Prof. Dr. Hoeren womöglich tatsächlich, Verbraucherschutzvorschriften und -institutionen seien ernsthaft dazu bestimmt, einen effektiven Schutz von Verbraucherrechten zu gewährleisten?

Sicher: In einer Gesellschaft bzw. einer politischen Union, deren scheinbar einzig selig machendes Ziel ein ordentliches Wirtschaftswachstum ist, spielt der längst völlig auf seine Eigenschaft als Verbraucher reduzierte Bürger eine wichtige Rolle: Er muss konsumieren und soll hierzu möglichst nachhaltig ermuntert werden (können). Dazu gehört auch ein Gefühl der Sicherheit, das durch Vorschriften und Institutionen vermittelt werden soll.

Aber: Würde jemand, der den Verbraucher tatsächlich effektiv schützen will,

- diesem tatsächlich eine Belehrung über seine Rechte mit dem Inhalt zumuten, wie der deutsche Gesetzgeber dies z.B. in den diversen Widerrufsbelehrungen tut?

- zulassen, dass Verbraucher über 10 Jahre lang durch Abofallen abgezockt werden, bevor etwas dagegen unternommen wird?

- dem Verbraucher eigene Rechtsschutzmöglichkeiten versagen und darauf verweisen, sich an z.T. völlig überlastete Verbände mit Klagebefugnis zu wenden?

- tradierte Rechtsgrundsätze wie den Minderjährigenschutz zu Gunsten von Gewinninteressen von Mehrwertdiensteanbietern durch die Gerichte über den Haufen werfen zu lassen (vgl. z.B. LG Saarbrücken 9 O 312/08 zu § 45 i TKG)?

- zulassen, dass die Bundesnetzagentur Hinweise auf betrügerische Machenschaften unter Nutzung von TK-Einrichtungen regelmäßig dahin bescheidet, man möge sich doch zivilrechtlich gegen "unberechtigte Forderungen" zur Wehr setzen?

- zulassen, dass Arzneimittelzulassungen für Indikation A zurückgegeben werden können, um den gleichen Wirkstoff für Indikation B für den zig-fachen Preis anbieten zu können (ja, auch das hat m.E. mit fehlendem Verbraucherschutz zu tun)?

Die Liste der hier spontan aufgeführten Beispiele ließe sich endlos fortsetzen.

Nö, sorry, nach allem, was ich in 15 Jahren anwaltlicher Tätigkeit, als Vater einer schon mit 9 Jahren sehr Internet-affinen Tochter und, last but not least, als Verbraucher erlebt habe und weiterhin täglich erlebe, glaube ich definitiv nicht an ein ernsthaftes Bestreben des Staates, Verbraucher wirklich effektiv schützen zu wollen. Verbraucher haben keine Lobby.

Die Diskussionen hier über das Für und Wider von Zuständigkeiten belegen, wie erfolgreich sich das vermeintliche Bestehen von Verbraucherschutz verkaufen lässt....

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