"Eine Reform des Unterhaltsrechts würde es mit mir nicht geben"

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 24.01.2013
Rechtsgebiete: Unterhaltnachehelicher UnterhaltFamilienrecht16|6663 Aufrufe

 

sagte Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger zur Eröffnung des 19. Deutschen Familiengerichtstag im September 2011 (zitiert nach Viefhues)

 

Auf eine Anfrage der MdB Ingrid Hönlinger, ob nach der Unterhaltsrechtsreform dem erforderlichen Vertrauensschutz in den Fällen, in denen sich unterhaltsbedürftige Ehegatten nicht mehr auf die geänderte Rechtslage einstellen können (so genannte Altehen) ausreichend Rechnung getragen wird, hatte der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler noch am 15.10.2012 mitgeteilt:

„Bereits in seiner jetzigen Fassung ermöglicht § 1578b BGB also die Gewährung hinreichenden Vertrauensschutzes. Insoweit erwägt das Bundesministerium der Justiz eine gesetzliche Klarstellung, dass die Ehedauer auch ungeachtet des Vorliegens ehebedingter Nachteile einer Beschränkung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt entgegenstehen kann. Die Meinungsbildung hinsichtlich der näheren Ausgestaltung einer solchen Klarstellung ist noch nicht abgeschlossen“ (BT-Drs. 17/11095, S. 27).

 

Doch es kam anders:

 

Ab dem 01.03.2013 erhält § 1578b BGB Abs 1 die folgende Fassung

(1) Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. (2) Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen oder eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre. (3) Nachteile im Sinne des Satzes 2 können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben.

 

Versteckt ist diese Änderung in Art. 3 des Gesetzes zur Durchführung des Haager Übereinkommens vom 
23. November 2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen sowie zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des internationalen Unterhaltsverfahrensrechts (!!!)

Die sonst bei Gesetzesänderungen übliche Anhörung von Verbänden und Sachverständigen erfolgte nicht.

Und was bedeutet nun diese Änderung?

1. Die Neuregelung bezieht sich gerade nicht nur auf Altehen (sonst hätte man eine Übergangsvorschrift erlassen müssen), sondern durch die Änderung des materiellen Rechts auch auf alle neu geschlossenen und noch zu schließenden Ehen.

2. Sie zeichnet entgegen der Gesetzesbegründung nicht nur die Rechtsprechung des BGH nach, sondern geht über sie hinaus. Die lange Ehe ist jetzt nicht mehr ein Abwägungskriterium unter vielen, sondern wird als gleichrangig neben dem ehelichen Nachteil besonders herausgestellt.

3. Über Abs. 2 gilt dies auch für die Befristung des Unterhalts

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16 Kommentare

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Da eine Gesetzesänderung ein Abänderungsgrund im Sinne der §§ 238 und 239 FamFG ist, können nun auch bereits erledigte Fälle der letzten Jahre wieder aufgerollt werden.

 

Herr Burschel, werden Sie in Zukunft überhaupt noch die Zeit finden, diesen Blog zu führen?  :-)

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Mitleser schrieb:

Da eine Gesetzesänderung ein Abänderungsgrund im Sinne der §§ 238 und 239 FamFG ist, können nun auch bereits erledigte Fälle der letzten Jahre wieder aufgerollt werden.

 

richtig.

Und im Hinblick auf die Präklusion stellt sich die Frage, ob nach den Äußerungen der Ministerin und ihres Staatsekretärs (noch) mit einer derartigen Gesetzesänderung gerechnet werden konnte.

Die Reform der Reform ist die blinde Umsetzung von Parteitagsbeschlüssen, deren Meinungsfindung auf dem Hörensagen beruht und die Praxis nicht berücksichtigt. Besonders negativ ist, dass hier auch keine Anhörung von Sachverständigen erfolgt ist. Dagegen kann die Anhörung beim Sorgerecht für unverheiratete Väter nicht lange genug dauern...

zink.tobias schrieb:

Die Reform der Reform ist die blinde Umsetzung von Parteitagsbeschlüssen, deren Meinungsfindung auf dem Hörensagen beruht und die Praxis nicht berücksichtigt.

 

Das kann nicht sein. Alle Parteitagsbeschlüsse kann man nachlesen, bei FDP und CDU ist nichts dergleichen zu finden.

 

Die eindeutig gelogenen und sich widersprechenden Begründungen in der Bundesdrucksache 17/11885  zur Beschlussempfehlung, die Lüge der Ministerin in der Überschrift hier, die Verwischungstricks und die extreme Eile, mit dem der Beschluss durchgemogelt wurde können ihre Ursache nur in der Angst vor einer Diskussion in Öffentlichkeit und Parlament haben. Die Mitglieder des Rechtsausschusses und die Ministerin wissen sehr genau, dass sie mit der Wiedereinführung der Prinzipien "Einmal Chefarztgattin, immer Chefarztgattin" und "lebenslang leistungsloses Einkommen Dank Datum auf dem Trauschein" kräftig Gegenwind bekommen hätten. Der ganze Vorgang ist einer Demokratie zwar höchst unwürdig, aber diese Juristen störte das nicht, es kam nur darauf an, die Reform durchzutricksen.

 

Inhaltlich ist hier schon fast alles gesagt. Die Züge fahren ohnehin in eine ganz andere Richtung, heiraten wird täglich stärker zu einem unterhaltsrisikolosen  Rentnerhobby, während sich unter anderem im Bundesland von Herrn Burschels Amtsgericht europaweite Rekorde zu nichtehelichen Geburten abzeichnen. Damit löst sich auch so manch anderes Problem, zum Beispiel besagter §1578b BGB Abs. 1. Zeit für den Rechtsausschuss, noch schnell einen Zwangsverheiratungsparagrafen bei der nächsten "Reform" einzuschmuggeln. Oder wie man im Stil der Zeit sagen würde "Gleichstellung der Paarbeziehungen". Die Ideen dazu haben einige Juristen bereits geliefert, beispielsweise Nina Dethloff auf dem 67. Deutschen Juristentag. Sie fordert, Vermögensausgleich und Unterhaltsansprüche als Normalfall für nichteheliche Partnerschaften einzuführen.

Nichts Neues: Mit Grausen denke ich da noch an das "Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung", welches eine gravierende Kindesunterhaltserhöhung für Geringverdiener in sich barg. Oder die Anknüpfung der Mindestunterhalte an den Kinderfreibetrag, weshalb jede umjubelte Erhöhung des letzteren automatisch Kindesunterhaltszahler belastet.

Kennt jemand solche verschleierte Gesetzesänderungen auch außerhalb des Familienrechts?

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Was macht Sie so sicher, dass die Mitglieder des Rechtsauschusses "genau gewusst" haben, was ihre Beschlussempfehlung tatsächlich bedeutet?

Herr Burschel,

sollte man nicht zumindest vermuten, dass der Rechtsausschuss weiß, was er tut?

 

Wenn der Anteil an Juristen im Rechtausschuss ähnlich hoch ist, wie im Bundestag, darf man doch eigentlich erwarten, dass sie etwas davon verstehen oder?

Oder trauen Sie ihren Kollegen das nicht zu, Herr Burschel

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Ersonnen und dem Bundestag vorgelegt haben diese Änderung folgende Personen des Rechtsausschusses:  
  • Ute Granold. Volljuristin, viele Jahre praktizierende Familienrechtsanwältin.
  • Jörn Heinz Adolf Wunderlich. Volljurist, Staatsanwalt, dann Richter. Trennungsvater.
  • Sonja Amalie Steffen. Volljuristin, Fachanwältin für Familienrecht, eigene Kanzlei. Getrennt von ihrem Mann.
  • Ingrid Hönlinger. Volljuristin, Anwältin, eigene Kanzlei.
  • Stephan Thomae. Volljurist, Anwalt.
  Sollten diese Kollegen tatsächlich keinerlei Ahnung von dem gerhabt haben, was sie da als Gesetz formuliert und vorgelegt haben? Das wäre mehr als befremdlich.

Nicht ganz, Herr Untermann

 

Die vorgeschlagenen Änderungen {Art. 3 mit der Änderung des § 1587b} entsprechen einem Änderungsantrag, der von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP im Rechtsausschuss eingebracht und einstimmig angenommen wurde. 

17/10492

Ich bin mir nicht sicher, ob die Mitglieder des Rechtsausschusses gemerkt haben, dass sich die Änderung in dieser Form nicht nur auf die Altehen aus der Zeit vor der U-Reform in 2008 bezieht (vgl. die og. Anfrage der MdB Hönlinger wg. der Altehen).

"Gesetze sind wie Würste. Man sollte besser nicht dabei sein, wenn  sie gemacht werden" (wohl fälschlich Bismarck zugeschriebenes Zitat)

Hopper schrieb:

Ich bin mir nicht sicher, ob die Mitglieder des Rechtsausschusses gemerkt haben, dass sich die Änderung in dieser Form nicht nur auf die Altehen aus der Zeit vor der U-Reform in 2008 bezieht (vgl. die og. Anfrage der MdB Hönlinger wg. der Altehen).

 

Meine entsprechende höfliche Anfrage bei den unterschreibenden Juristen des  Rechtsausschusses ist bis jetzt unbeantwortet. Sollte doch noch etwas kommen, werde ich darüber berichten.

 

Keine Antwort ist allerdings auch eine Antwort. Das setzt nahtlos den stillen Coup d'état gegen die Reform des § 1578b BGB fort, der hier kalt ausbalowert und durchgezogen wurde. "Lupenreine Demokraten", diese Juristen.

 

Nur gut, dass "Otto Normalverbaucher" von bestehenden Gesetzen erst dann etwas mitbekommt, wenn er unmittelbar davon betroffen ist.

Wäre es anders, dann würde die Heiratsrate rapide in den Keller gehen, um die Scheidungs- und Scheidungsfolgekosten so gering wie möglich zu halten.

Viel mehr Geld bliebe im eigenen Geldbeutel.

 

Robert Stegmann

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Wenn nicht mal der Juristen bestehende Rechtsausschuss weiß was er tut, würde das zumindest den elenden Zustand des Familien"rechts" erklären.

 

 

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Und hier spricht die Ministerin persönlich, mit der es keine Reform des Unterhaltsrechts gibt. Sie wiederholt die Lüge, dass es sich nur um eine Festigung bestehender Rechtssprechung handeln würde. Zudem ist diese "sich festigende" Rechtssprechung schon Jahre alt, ein darüber hinaus gehendes Regelungsbedürfnis bestand überhaupt nicht.

 

Ausser, wenn man das tut, was getan wurde: Weit darüber hinaus gehen und den wichtigsten Grundsatz der Reform 2008 kippen.

Das schreiende Unrecht, dass man 2008 beschlossen hatte, zu berichtigen war wichtig und nötig!

Es kann nicht angehen, dass im Scheidungsfalle der Frau jede weitere Teilhabe am schliesslich GEMEINSAM erwirtschafteten Wohlstand und der GEMEINSAM erreichten wirtschaftlichen Sicherheit einfach abgesprochen wird!

- So frei nach der Devise: "Die Kinder sind groß, das Geld reicht für 'ne Putze, - der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen!"

Es lebe der zweite Frühling!

Die billig entsorgte Altehefrau darf zurück auf "Los" und soll gefälligst sehen wo sie bleibt! - Während er den erreichten Lebensstandart künftig alleine geniesst.

Wer DAS 2008 verbrochen hatte,- der gehört geschlagen!

Und an euch Herren, die ihr jetzt seitenweise das Internet vollheulen, weil die neue Regelung - Gott bewahre - auch heute geschlossene Ehen in Zukunft tangieren könnte: Heiratet einfach nicht! Oder lebt ECHTE Partnerschaft! Dann habt ihr auch kein Problem!   

Was soll das Gejammer gegen "Einmal Chefarzgattin - immer Chefarztgattin?"
Nach langer Ehe: NA KLAR!
Da ist dieser Erwerbsstatus, da ist dieser Lebenserfolg, schliesslich auch von Beiden gemeinsam geschaffen worden!
Und gehört auch so geteilt!
 
Dass IHM dann womöglich das Geld fehlt, um mit einer neuen, jüngeren Krankenschwester neu anzufangen, kann nun wirklich keinen Grund sein, die eheliche Solidarität derart aufzuweichen, wie man es 2008 getan hatte!
- Übrigends auch klammheimlich!

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"Es kann nicht angehen, dass im Scheidungsfalle der Frau jede weitere Teilhabe am schliesslich GEMEINSAM erwirtschafteten Wohlstand und der GEMEINSAM erreichten wirtschaftlichen Sicherheit einfach abgesprochen wird!"

Der GEMEINSAM erarbeitete Wohlstand hat nichts mit Unterhalt zu tun und wird seit eh und je beim Zugewinnausgleich verteilt.

 

"Die billig entsorgte Altehefrau darf zurück auf "Los" und soll gefälligst sehen wo sie bleibt! - Während er den erreichten Lebensstandart künftig alleine geniesst."

Und der billig entsorgte Altehemann hat weiterhin den zweiten Frühling seiner Ex zu finanzieren, die zwar seines Körpers überdrüßig geworden ist aber nicht seines Geldes.

 

"Was soll das Gejammer gegen "Einmal Chefarzgattin - immer Chefarztgattin?"

Womit hat sich die ehemalige Chefarztgattin die Vollversorgung verdient?

Durch putzen, kochen und sonstige Vergnügungen?

Was davon vollbringt sie denn heute noch davon, nachdem sie sich von ihm getrennt hat?

Bei allen übrigen Verträgen entfällt bei Kündigung ja auch die Erbringung von Leistungen beider Parteien.

Nur nicht im Scheidungsrecht.

Da kann die Frau einfach einseitig und weiterhin die vollen Bezüge, nur die Pflicht auch eine Gegenleistung zu erbringen entfällt völlig

 

"Heiratet einfach nicht! Oder lebt ECHTE Partnerschaft! Dann habt ihr auch kein Problem!"

Genau. Und auf diese Idee kommen ja auch immer mehr Männer, vor allem die gut verdienenden, was von den Versorgung und Sicherheit suchenden Frauen ja auch zunehmend bejammert wird.

 

"Wer DAS 2008 verbrochen hatte,- der gehört geschlagen!"

Nana, wie wollen doch nicht das Klischee, dass Frauen grundätzlich nur Opfer sein können beschädigen.

 

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In meinen Augen, ist diese Gesetzesänderung ein Rückfall in das letzte Jahrhundert, in dem nach einer Scheidung der Status "geschieden" verliehen wurde und dieser bis zum Tod oder Wiederheirat getragen wurde. Heute sagt man wohl als Ergebnis der gesellschaftlichen Entwicklung einfach: "ledig" oder "unverheiratet". 

Ich frage mich wieso nach einer bspw 15 j. Ehe unter Umständen 40 jahrelang der Unterhalt gezahlt werden soll, und zwar über die Massgabe hinaus wirtschaftliche bzw ehebedingte Nachteile auszugleichen?   

Ich habe das unglaubliche Glück im letzten Jahr, nach 8 Jahren Unterhaltszahlung einen Abfindungsvetrag abgeschlossen zu haben. Die aktuelle Gesetzesänderung hätte in guter Kenntnis meiner Exfrau und ihres RA's nämlich dazu geführt, dass ich (als quasi "Chefarzt") lebenlang zahlen würde. Sie würde niemals sich anstrengen, um in ihrem alten Beruf einzusteigen. Stattdessen würde sie 100%tig weiterhin nur halbtags arbeiten und 40 jahrelang meinen Status beibehalten. Ich würde mich 40 jahrelang fragen mit welchem Recht ich mehr leisten muss als sie.  Ich gehe jedoch davon allerdings aus, dass ich ohne diesen Abfindungsvetrag dieses Jahr ausgewandert wäre....

 

 

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