Die undankbare Prosituierte

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 10.01.2013
Rechtsgebiete: Familienrecht4|5374 Aufrufe

 

Er, selbständiger Malermeister, hatte sie 1999 kennengelernt, als sie - was er wusste - noch der Prostitution nachging.

Im Jahr 2000 - sie lebten nun in nichtehelicher Lebensgemeinschaft - schenkte er ihr mit notariellem Vertrag ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an Teilen seines Hauses. Für den Fall der Trennung sollte das Wohnrecht nicht enden, sondern im Gegenteil, sich auf das gesamte Haus unter Ausschluss des Eigentümers erweitern.

 

2005 heirateten sie, 2008 wurden sie geschieden.

 

Er hat die Schenkung wegen groben Undanks (§ 530 BGB) mit der Begründung widerrufen, sie sei ab 2001 heimlich wieder der Prostitution nachgegangen.

 

Ihre Räumungsklage gegen ihn war vor LG und OLG erfolgreich

Der BGH (Urteil vom 13.11.2012 - X ZR 80/11) hat die Sache an das OLG zurückverwiesen.

 

Der Widerruf wegen groben Undanks setzte nicht nur objektiv eine Verfehlung des Beschenkten von gewisser Schwere voraus, sondern es sei ferner erforderlich, dass die Verfehlung auch in subjektiver Hinsicht Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten ist, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lasse, die der Schenker erwarten dürfe. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen.

Eine solche Gesamtwürdigung habe das OLG nicht vorgenommen.

 

Ausgangspunkt für die Gesamtwürdigung der Umstände zur Beantwortung der Frage, was der Beklagte als Schenker an Dankbarkeit erwarten durfte, sei hier in erster Linie die übereinstimmende Vorstellung der Parteien, die der Schenkung zugrunde lag.

 

Nach dem jedenfalls revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt stimmten die Parteien darin überein, dass die Klägerin die Prostitution aufgeben wollte. Diese gemeinsame Vorstellung der Parteien fand ihren Ausdruck einerseits darin, dass die Klägerin dem Beklagten versprach, nicht mehr als Prostituierte tätig zu sein. Auf der Grundlage dieses Versprechens übertrug der Beklagte andererseits der Klägerin das Wohnrecht, das ihr eine gesicherte neue Lebensgrundlage verschaffen sollte. Darauf sollte sich die Klägerin auch im Falle des Scheiterns ihrer Beziehung zum Beklagten verlassen können. Dazu enthielt der notarielle Vertrag die Regelung, dass das Wohnrecht bei einem Scheitern der Lebensgemeinschaft zwischen den Parteien nicht nur fortbestehen sollte, sondern der Beklagte in diesem Fall auch die von ihm gewerblich genutzten Nebenräume herausgeben und der Klägerin das alleinige Nutzungsrecht zustehen sollte.

Damit erhielt die Klägerin eine Schenkung, durch die zeitlebens, unabhängig vom Fortbestand ihrer Beziehung zum Beklagten, ihr Wohnbedarf gesichert war und die damit einen erheblichen wirtschaftlichen Wert verkörperte. Für diese Zuwendung gab es keine andere Veranlassung des Beklagten als die gemeinsame Vorstellung der Parteien, die Klägerin werde, wie sie es dem Beklagten zugesagt hatte, die Prostitution aufgeben.

Bei einer Gesamtwürdigung dieser Umstände, die zu der Schenkung geführt haben, widersprach es objektiv einer von Dankbarkeit geprägten Rücksichtnahme auf die Belange des Beklagten, wenn sich die Klägerin alsbald nach Abschluss des sie begünstigenden notariellen Vertrages über ihr Versprechen hinwegsetzte und die Prostitution wieder aufnahm. Dies lief nicht nur den im Zeitpunkt der Schenkung gemeinsamen Vorstellungen über die zukünftige Lebensgestaltung entgegen, sondern entzog der für die Schenkung maßgeblichen von dem Versprechen der Klägerin, die Prostitution aufzugeben, geprägten Entscheidung des Beklagten, der Klägerin das Wohnrecht schenkweise zu übertragen, die Grundlage.

 

Die damit objektiv gegebene schwere Verfehlung lege nahe, diese auch subjektiv als Ausdruck einer Gesinnung der Klägerin zu werten, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Schenker erwarten kann.

 

Dem OLG wurde mit auf den Weg gegeben zu prüfen, ob der Beklagte die Jahresfrist des § 532 S.1 BGB eingehalten hat.

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4 Kommentare

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Rdnr 20f.:

Für die erneute Verhandlung ist auf Folgendes hinzuweisen:
1. Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls auch zu prüfen haben, ob es sich bei der Schenkung um eine Zweckschenkung gehandelt hat. Bei einer Zweckschenkung kommt ein Rückforderungsrecht nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB in Betracht. Nach dem Vortrag des Beklagten kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch von der Klägerin die Intention des Beklagten gebilligt worden ist, mit der Schenkung dauerhaft stabile Lebensverhältnisse für die Klägerin außerhalb der Prostitution zu schaffen, und dass dieser Zweck der Schenkung verfehlt worden ist. Dabei wird das Berufungsgericht zur berücksichtigen haben, dass desto mehr für eine kausale Verknüpfung zwischen Schenkung und Schenkungszweck spricht, je größer das Interesse des Schenkers an der Zweckerreichung ist (MünchKomm.BGB/Koch, 6. Aufl., § 516 Rn. 29; Prütting/Wegen/Weinreich/Hoppenz, BGB, 7. Aufl., § 516 Rn. 15).

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