Strafbarkeit korrupter Ärzte - FDP tritt auf die Bremse

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 05.01.2013

Laut FAZ von gestern will Gesundheitsminister Bahr (FDP) das ärztliche Berufsrecht, nicht aber das Strafrecht verschärfen, um gegen Bestechung und Bestechlichkeit von Ärzten vorzugehen:

„Wir denken darüber nach, das Berufsrecht der Ärzte zu ändern“, hieß es. Damit solle es den Ärztekammern leichter gemacht werden, schwarze Schafe in den eigenen Reihen zu finden und zu bestrafen. Allerdings sind die Länder für das Berufsrecht zuständig.(Quelle)

Da Bahr bzw. der Bund gar nicht zuständig ist für solche berufsrechtlichen Änderungen, handelt es sich eher um eine unverbindliche Anregung des Ministers, der mit der Ärzteschaft eine (noch?) wichtige Wählerbasis der FDP nicht vergrätzen will. Dabei ist die Mehrheit der Ärzte wohl inzwischen ziemlich sauer über diejenigen ihrer Kollegen, die sich mit halbseidenen Pharma-Kontakten Nebeneinkünfte verschaffen und damit das Vertrauen der Patienten in die Ärzte insgesamt aufs Spiel setzen.

Bahr will dagegen keineswegs an das Strafrecht ran:

Als ausgeschlossen gilt die von Kassen und Opposition verlangte Verschärfung des Strafrechts, nach dem selbständige Ärzte nicht wegen Bestechlichkeit belangt werden können. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hatte mehrfach deutlich gemacht, er werde Kassenärzte nicht zu „Angestellten der Krankenkassen“ machen. Die Therapiefreiheit dürfe nicht ausgehöhlt werden.(Quelle)

Sollten dies die einzigen Argumente sein, die Bahr gegen eine entsprechende Änderung des § 299 StGB hat, dann sind sie ziemlich schwach:

Weder ist für eine entsprechende Änderung erforderlich, Ärzte zu "Angestellten der Kassen" zu machen (1.), noch wäre die Therapiefreiheit betroffen (2.).

 

1.  § 299 Abs. 1 StGB lautet:

(1) Wer als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Die bisherige Diskussion de lege lata drehte sich darum, ob der Arzt unmittelbar "Beauftragter" (nicht Angestellter)  der Krankenkassen sei, was der BGH im vergangenen Jahr als zu weite Interpretation mit gut vertretbaren Gründen ablehnte (siehe meine früheren Beiträge im Beck-Blog hier und hier). Das hindert den Gesetzgeber aber überhaupt nicht daran, durch entsprechende Erweiterung zusätzlich Ärzte in § 299 StGB einzubeziehen (oder in einem § 299 a StGB speziell  für das Gesundheitssystem), ohne ihren Status als Ausübende eines freien Berufs anzutasten. 

 

2. Die Therapiefreiheit - d.h., dass der Arzt über die für den Patienten angemessene Therapie frei entscheidet  - ist weit mehr durch Budgetierung und Bürokratisierung betroffen als durch die Strafbarkeit einer Annahme von Vorteilen, die etwa Pharmaunternehmen/Apotheken/Ausstatter dafür gewähren, dass bestimmte Medikamente oder Hilfsmittel vorzugsweise verschrieben werden. Im Gegenteil: Wäre klar, dass  Ärzte sich ggf. strafbar machen, wenn sie sich Vorteile versprechen lassen, wäre dadurch die Therapiefreiheit (im Interesse der Patienten) eher gesichert als eingeschränkt. Bahr wirft hier eine Nebelkerze. Schließlich geht es darum, dass über den Umweg über die Preise letztlich alle Versicherten für unberechtigte Vorteile einige weniger Ärzte aufkommen müssen.

 

Wenn der Chef der Bundesärztekammer Montgomery noch 2009 im Fernsehen (hart aber fair) behaupten kann, korruptes Verhalten von Ärzten sei eben nicht strafbar und deshalb "ganz normales, natürliches Verhalten" (vgl. damaliger Beck-Blog Beitrag dazu), zeigt sich, wie wenig manche Ärzte offenbar auf das berufsrechtliche Verbot geben. Erst wenn entsprechendes Verhalten strafbar ist, beginnt bei solchen Ärzten - das ist eine Minderheit der Ärzte -  (und ihrem Chef Montgomery) ein Umdenken.

Schade, dass sich das Justizministerium von Frau Leutheusser-Schnarrenberger nun ebenfalls von einer Verschärfung des Strafrechts distanziert.(Quelle)

Allerdings: Vor dem Hintergrund, dass die Abgeordneten des Bundestags bislang auch keine effektive Korruptionskontrolle in den eigenen Reihen durchsetzen, muss man bei der derzeitigen Koalition wohl eher pessimistisch sein.

 

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5 Kommentare

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das Antikorruptionsgesetz wollen unsere politiker auch nicht unterschreiben. korruptes verhalten sehen politiker und ärzte als normales natürliches Verhalten. und nicht als strafbar an. wie schön.

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Na ja, Herr Bahr und Frau L-S sind eben durch und durch  liberal. Sie bleiben sowohl bei der Vorratsdatenspeicherung untätig als auch beim Korruptionsstrafrecht.

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Hoffe es ist erlaubt auch eine nur bedingt mit diesem Thema verwandte Frage zu stellen: Gestern gab es folgenden Artikel bei der SZ http://www.sueddeutsche.de/bayern/vorsaetzliche-koerperverletzung-strafb...

Diesen fand ich doch sehr verwirrend. Erfüllt nicht nach BGH jeder ärztliche Eingriff den Tatbestand der Körperverletzung, wobei der Ausschluss der Strafbarkeit dann auf der Stufe der Rechtswidrigkeit erfolgt? Wie wäre dies dann bei der fehlenden Approbation? Keine Einwilligung möglich, da keine Legitimation zur "Entgegennahme" der Einwilligung?!

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Vermutung aufgrund der SZ-Meldung : Die Patienten hatten wohl bei "Mang" unterschrieben und waren wahrscheinlich auch einverstanden von einem "Arzt" seiner Klinik operiert zu werden. Diese Einwilligung betraf aber nicht  die Operation durch einen Nicht-Arzt.

Ach natürlich, dh es liegt in diesem speziellen Fall garkeine Einwilligung vor, da diese ja auf eine vollumfängliche Information zurückzuführen ist, welche es hier gerade nicht gab. Somit war die Körperverletzung rechtswidrig.
Danke für den Gedankenanstoß, Herr Prof. Dr. Müller!

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