Ausblick 2013: Zählen Leiharbeitnehmer zur Berechnung der Betriebsgröße im KSchG mit?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 03.01.2013

Allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG genießen Arbeitnehmer nur, wenn sie in einem Betrieb beschäftigt sind, in dem regelmäßig mehr als zehn (in Übergangsfällen mehr als fünf) Arbeitnehmer - ohne die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten - beschäftigt werden (§ 23 Abs. 1 KSchG). Es entspricht bislang nahezu einhelliger Auffassung, dass dabei nur solche Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind, die in einem Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber stehen. Leiharbeitnehmer sind daher im Entleiherbetrieb nicht zu berücksichtigen. Sie zählen (nur) im Betrieb des Verleihers. Dies gilt unabhängig von der Dauer ihrer Überlassung (KR/Bader § 23 KSchG Rn. 41 m.w.Nw.).

Diese Auffassung stellt die Revision im Verfahren 2 AZR 140/12 vor dem BAG zur Überprüfung (Verhandlungstermin: 24.01.2013).

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 26.07.2007 als Hilfskraft beschäftigt und bezog zuletzt eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung von 1.700 Euro. Nach dem Lohnjournal beschäftigt die Beklagte zehn Arbeitnehmer und weitere Leiharbeitnehmer. Am 24.11.2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis fristgerecht.

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und macht u.a. geltend, dass die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt sei (§ 1 Abs. 2 KSchG). Die Beklagte ist der Auffassung, einer sozialen Rechtfertigung nicht zu bedürfen, da sie regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftige. Der Kläger meint demgegenüber, die von der Beklagten eingesetzten Leiharbeitnehmer seien bei der Berechnung der Betriebsgröße i.S. von § 23 Abs. 1 KSchG mit zu berücksichtigen. Sie würden von der Beklagten wie eigene Arbeitnehmer im Betrieb eingesetzt.

In den ersten beiden Instanzen (ArbG Nürnberg, Urt. vom 24.08.2010 - 14 Ca 9688/09; LAG Nürnberg, Urt. vom 27.07.2011 - 4 Sa 713/10) ist die Klage ohne Erfolg geblieben. Allerdings hat das BAG die vom LAG nicht zugelassene Revision auf die Beschwerde des Klägers hin zugelassen (9 AZN 1406/11).

 

 

 

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4 Kommentare

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Eine interessante Frage.

Das Nürnberger Berufungsgericht bringt außer einem Verweis auf die ganz h. M. auch ein inhaltliches Argument: dass nämlich im BetrVG die Leiharbeitnehmer kraft Gesetzesänderung 2001 bei § 7 S. 2 mitzählen, aber eben NUR da, bei der Betriebsgröße nach § 9 BetrVG hingegen nicht. Dann könne bei § 23 KSchG nichts anderes gelten, denn diese Vorschrift hat der Gesetzgeber, der andernorts tätig wurde, in diesem Punkt gerade nicht geändert. Dazu fällt mir ergänzend ein, dass der Gesetzgeber den § 23 KSchG ja nicht einmal dahin geändert hat, dass statt "Betrieb" dort von "Unternehmen" die Rede wäre. Es ist daher kaum anzunehmen, dass nun - weit über die vom Gesetzgeber nicht einmal überschrittene Schwelle vom Betrieb zum Unternehmen hinaus -  ohne Gesetzesänderung ausgerechnet die bei einem Dritten (dem Entleiher) Beschäftigten bei § 23 KSchG mitzählen sollen.  

Ein Blick auf das "Bereits-zuvor"-Urteil des BAG vom 06.04.2011 (Az.: 7 AZR 716/09) lehrt allerdings, dass es Erfurter Auslegungskunstwerke gibt, die sich - geliinde gesagt - nicht gerade übertrieben an dem orientieren, was der Gesetzgeber wollte. Dort hatte sich die Legislative 2005 ausdrücklich mit dem Problem eines eventuell "unendlichen Blicks zurück" auf frühere Arbeitsverhältnisse befasst, die Vorschrift über das Verbot befristeter Beschäftigung bei "bereits zuvor" erfolgter Beschäftigung beim selben Arbeitgeber dann aber gerade nicht geändert. Dennoch las der 7. Senat eine zeitliche Grenze aus der Norm heraus.

Lässt man also den Einwand beiseite, dass der Gesetzgeber den § 23 KSchG, der ja in den letzten Jahren nach der Methode Hüh-und-Hott so manche Veränderung erfuhr, just in puncto Leiharbeitnehmer  gänzlich unberührt ließ, dann scheint das Hinzurechnen der Leihkräfte gar nicht so abwegig. Nach der Definition des BAG (Beschl. v. 10.02.1977, Az.: 2 ABR 80/76, in: BAGE 29, 7) liegt Leiharbeit (im Gegensatz z. B. zum Einsatz im Rahmen eines Werkvertrages) vor, wenn der Betreffende in den Betrieb des Entleihers eingeliedert ist und dessen Weisungen unterliegt. Warum sollte also so jemand nach dem Wortlaut des § 23 KSchG nicht beim Entleiher "beschäftigt werden" und damit mitzählen? Gedanken mache ich mir angesichts von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG. Dort heißt es: "Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend". Kann jemand i. S. d. § 1 AÜG "vorübergehend", gleichzeit aber, um mitzuzählen, i. S. d. § 23 KSchG "in der Regel" beschäftigt sein?

 

 

 

Martin Bender schrieb:
Kann jemand i. S. d. § 1 AÜG "vorübergehend", gleichzeit aber, um mitzuzählen, i. S. d. § 23 KSchG "in der Regel" beschäftigt sein?

Ja, "in der Regel" bezieht sich nicht auf das einzelne Arbeitsverhältnis, sondern auf die Zahl der Arbeitsverhältnisse insgesamt. Da werden nur Köpfe gezählt und nicht geschaut, ob bei jeder Zählung die gleichen Köpfe sind. Wenn Arbeitnehmer befristet eingestellt werden und nach Vertragsende durch neue befristet beschäftigte Arbeitnehmer ersetzt werden, sinkt die Zahl der "in der Regel"-Beschäftigten auch nicht, auch wenn die einzelnen Mitarbeiter befristet (und damit auch vorübergehend) eingestellt waren.

 

(Ich hoffe, das erscheint jetzt nicht doppelt.)

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@ Martin Bender:

Das BAG ist ja unlängst schon einmal kreativ gewesen, nämlich bei der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern im Rahmen der Schwellenwerte des § 111 BetrVG (BAG, Urt. vom 18.10.2011 - 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221). Da könnte auch im KSchG Vergleichbares kommen.

Ich halte es zwar für richtig, dass man keine Kündigungsschutzklage bei einem Betrieb unter 10 Mitarbeitern einreichen kann, da kleine Betriebe sonst seltener Arbeitskräfte einstellen würden.

Auch ist es richtig, dass Leiharbeiter ihren Arbeitsvertrag mit der Zeitarbeitsfirma und nicht mit dem Unternehmen welches sie vorübergehend beschäftigt hat haben. Deshalb können sie strenggenommen nicht doppelt gezählt werden.

Andererseits finde ich, dass Leiharbeiter mit Aushilfskräften gleichzusetzen sind und zumindest anteilig berücksichtigt werden sollten.

 

 

www.hms-bg.de

 

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