Keine Entscheidung des BAG über Zutrittsrecht der Gewerkschaften zu Einrichtungen der Diakonie

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 11.12.2012

Das für den 11.12.2012 mit Spannung erwartete Urteil des BAG zu der Frage, ob betriebsfremde Beauftragte einer Gewerkschaft ein Recht auf Zutritt zu Einrichtungen der Diakonie haben, wird nicht gefällt werden. Die Beklagte hat den Anspruch am Tag vor der mündlichen Verhandlung anerkannt (Pressemitteilung Nr. 84/12 des BAG zum Verfahren 1 AZR 552/10).

Die Beklagte ist Mitglied im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche, sie betreibt an drei Standorten ein Klinikum mit insgesamt rund 1.300 Beschäftigten. Den Arbeitsverhältnissen liegen Arbeitsvertragsbedingungen zugrunde, die durch eine paritätisch besetzte Kommission festgelegt werden. Die Klägerin ist eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft.

Mit ihrer Klage begehrte sie, im Haupthaus des Klinikums an geeigneter Stelle über eine eigene Anschlagtafel oder über einen festen Platz an einer vorhandenen Anschlagtafel verfügen zu können, um dort durch betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte Informationsmaterial anbringen zu lassen. Sie meinte, ihre Ansprüche auf Art. 9 Abs. 3 GG stützen zu können. Ihre Koalitionsfreiheit gehe dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht der Beklagten vor. Kirchliche Belange würden durch die erhobenen Ansprüche nicht wesentlich beeinträchtigt. Der Beschluss des BVerfG vom 17.02.1981 (2 BvR 384/78, AP GG Art. 140 Nr. 9) entfalte keine Bindungswirkung mehr, weil das BVerfG ihn mittlerweile (Beschluss vom 14.11.1995 - 1 BvR 601/92, NZA 1996, 381) in einem tragenden Element seiner Begründung, der sogenannten Kernbereichstheorie, aufgegeben habe. Seit dem ersten Urteil des BVerfG hätten sich sowohl die tatsächlichen als auch die rechtlichen Verhältnisse maßgeblich geändert. Das gelte insbesondere im Hinblick auf die Rechtsprechung des EGMR in seiner Entscheidung vom 23.09.2010 (Nr. 1620/03 - NZA 2011, 279). Die Beklagte berief sich demgegenüber bislang auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht und die Bindungswirkung der Entscheidung des BVerfG vom 17.02.1981.

Während des Revisionsverfahrens hatte das BAG in einem anderen Verfahren (Beschluss vom 22.05.2012 - 1 ABR 11/11, NZA 2012, 1776) entschieden, dass auch Koalitionen, die keine Gewerkschaften iSv. § 2 Abs. 2 BetrVG sind, unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 GG ein Recht auf Zugang zum Betrieb zusteht. Allerdings betraf diese Entscheidung keine Einrichtung der Kirche oder der Diakonie, sondern ein gewerbliches Unternehmen.

Das Anerkenntnis der Beklagten kommt überraschend, weil die Klage in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg geblieben war.

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