Der biologische Vater bleibt draußen

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 13.11.2012
Rechtsgebiete: AbstammungFamilienrecht11|6696 Aufrufe

Die Kindesmutter hatte während der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr sowohl mit ihrem nicht getrennt lebenden Ehemann als auch mit ihrem zwischenzeitlichen Liebhaber. Nach der Geburt lebten die Eheleute mit dem Kind weiterhin zusammen.

 

Gemäß § 1592 Nr. 1 BGB gilt der Ehemann als der Vater des Kindes.

 

Dies wollte der Liebhaber nicht hinnehmen und betrieb die Vaterschaftsanfechtung mit dem Antrag, selbst als Vater festgestellt zu werden.

 

Hilfsweise hat er beantragt, das Kind (bzw. die Eltern) zu verpflichten, in die genetische Abstammungsuntersuchung einzuwilligen und die Entnahme einer Speichelprobe, hilfsweise Blutprobe, zu dulden, die nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft entnommen werden muss (§ 1598 a BGB).

 

Das OLG Nürnberg (Beschluss v. 06.11.12 - 11 UF 1141/12) hat beide Anträge abgewiesen. Es vertritt die Auffassung,  auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sei der (potentielle) leibliche Vater nicht berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, wenn zwischen dem Kind und seinem (rechtlichen) Vater eine sozial-familiäre Beziehung besteht.

 

Der EGMR habe in zwei Entscheidungen vom 22.03.2012 (Az.: 45071/09 und 23338/09) klargestellt, dass es sich um ein gänzlich anderes und viel weitergehendes Ziel handelt, den Status als rechtlicher Vater eines Kindes zu erhalten und die Vaterschaft eines anderen Mannes zu beenden, als lediglich zum Zweck des Umgangs mit dem Kind die biologische Vaterschaft klären zu lassen. Es sei zwar konventionsrechtlich verpflichtend, sicherzustellen, dass der biologische Vater nicht vollständig aus dem Leben des Kindes ausgesperrt werden könne, wenn es keine einschlägigen Kindeswohlgründe dafür gebe. Aus Art. 8 EMRK könne jedoch nicht die Verpflichtung abgeleitet werden, dem biologischen Vater zu erlauben, die Vaterschaft des rechtlichen Vaters anzufechten oder ein statusunabhängiges Verfahren zur Klärung der leiblichen Vaterschaft zur Verfügung zu stellen. Der EGMR habe in den beiden genannten Entscheidungen vom 22.03.2012 ausdrücklich betont, dass die Entscheidung, ob dem vermeintlichen biologischen Vater die Vaterschaftsanfechtung zu gestatten ist, innerhalb des staatlichen Ermessens- und Beurteilungsspielraums liegt

Auch der Ausschluss des biologischen Vaters aus dem Kreis der nach § 1598a BGB klärungsberechtigten Personen sei konventionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal dann, wenn - wie hier - eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu seinem rechtlichen Vater besteht. Ein Verstoß gegen die EMRK ergibt sich entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers auch nicht aus den genannten Entscheidungen des EGMR. Vielmehr hat der EGMR dort, wie bereits ausgeführt, ein Recht auf Klärung der leiblichen Vaterschaft in einem statusunabhängigen Verfahren verneint. Der Gerichtshof hat hierzu dargelegt, dass aus der Konvention und aus der Rechtsprechung des EGMR nicht nur keine Pflicht erwächst, dem vermeintlichen biologischen Vater zu gestatten, die Stellung des rechtlichen Vaters anzufechten, sondern auch keine Pflicht, eine separate Klage im Hinblick auf die Feststellung der biologischen - im Gegensatz zur rechtlichen - Vaterschaft zuzulassen. Die Entscheidung, eine gesonderte genetische Untersuchung zur Klärung der Abstammung eines Kindes nicht zu gestatten, liege innerhalb des staatlichen Ermessensspielraums (vgl. EGMR, Az. 23338/09 Rn. 78, 80).

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11 Kommentare

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Demzufolge ist das OLG Nürnberg der Ansicht, dass das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung frühestens mit dem 18. Lebensjahr des Kindes einsetzt?

Und wie soll dem Kind dieses Recht dann garantiert werden, wenn die Zieheltern die Möglichkeit haben, jedweden Kontakt zum biologischen Vater des Kindes zu verhindern und es damit in Unkenntnis seines tatsächlichen Vaters zu lassen?

Hopper schrieb:

Das Umgangsrecht des biologischen Vaters  hat der EGMR doch bestätigt!

 

Und wie kann dieses durchgesetzt werden, wenn der potentielle Vater gar nicht beweisen darf, dass er der Vater ist?

Kann dann jeder ein Umgangsrecht durchsetzen, der seine Vaterschaft behauptet?

Oder wird der Vater auf diesem Wege doch wieder vor die Tür gestellt?

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Mehrverkehr sollte verboten werden... Moralisch fragwürdig, biologisch unberechenbar, rechtlich kompliziert. Entspräche es nicht zumindest der Billigkeit, sämtliche damit verbundenen Folgekosten der Frau aufzuerlegen...? ;-)

 

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Schon erstaunlich, diese rechtskonstruierte Vielfalt an Vätern. Vätergeschmacksrichtungen:

 

Zusammenleben mit der Mutter, gemeinsame Sorge: Mitentscheidung auch im Alltag.

Gemeinsame Sorge, nicht zusammenlebend: Mitentscheidung nur in wichtigen Angelegenheiten.

Ohne Sorgerecht: Keine Entscheidungen, aber volle Unterhaltspflicht und Umgangsrecht.

Ohne Sorgerecht, ohne Vaterschaftanerkennung, biologische Vaterschaft: Kein Unterhalt, aber eventuell Umgang, Klärung der biologischen Vaterschaft (die aber schon vorher klar sein muss, um sie klären zu lassen?).

Ohne Sorgerecht, ohne Vaterschaftanerkennung, ohne Beweis biologischer Vaterschaft: Nix, Vater auf Abruf. 

Samenspender: Unterschiedliche Rechte und Pflichten bis hin zur späteren Unterhaltspflicht: http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/gefaehrliche-samenspende-wenn-aus-nettigkeit-unterhaltspflicht-wird/2/

Dann gibts noch Putativväter, Stiefväter, vermutete Väter, juristische Doktorväter, Aufstiegs- und Abstiegsmöglichkeiten ("Laufbahn"?) in obigem Schema. Vielleicht sollte man auch Vaterschaft verbieten, damit es einfach für die Richter wird. Moralisch fragwürdig, biologisch unberechenbar, rechtlich kompliziert.

Und das alles nur, um Vätern so wenig Rechte wie möglich geben zu müssen.

Dass Väter auch einfach nur Väter sein dürfen, lässt sich eben nur noch mit solchen abenteuerlichen Konstruktionen verhindern.

 

Ich würde mich für so etwas schämen.

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Stimmt, den sozialen Vater, dessen Rechte in §1687b und §1685 BGB benannt werden. Gehört so etwa in die obere Mitte der nach Rechten und Möglichkeiten geordneten langen Väterliste.   Im Gegensatz zur Begründung des OLG Nürnberg sehe ich aber keine unbedingte Freigabe des EGMR. Rn 80 von 233338/09 wird nicht freigegeben, sondern eingeschränkt: "It remains to be determined whether the decision-making process, seen as a whole, was fair and provided the applicant with the requisite protection of his interests safeguarded by Article 8". Das EGMR sagt: Es gibt einen Ermessensspielraum der Mitgliedsstaaten, aber ob die Entscheidungsverfahren selber in Ordnung sind wäre noch zu prüfen. Ein kleiner, aber feiner Unterschied, der dem Vater den Weg ans EGMR eröffnen könnte.   Ob diese kalten Zwangsadoptionen (vollzogen einfach durch abwarten der Frist in §1600b BGB) im Sinne der betroffenen Kinder sind, bleibt die andere Frage.

Ich finde diese Rechtsprechung nicht konsequent.

Ebenso wie man in § 1598a BGB dem rechtlichen Vater das Recht zugesteht, nach Klärung der Abstammung über eine eventuelle Vaterschaftsanfechtung nachzudenken, sollte auch der potentielle Erzeuger die Möglichkeit haben, seine biologische Vaterschaft zu klären, bevor er ein Umgangsrecht mit dem Kind beantragt.

Insoweit scheint mir auch der auf der EGMR-Rechtsprechung aufbauende Referentenentwurf ( http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/RefE_Gesetz_zur_Staerkung_der_Rechte_des_leiblichen_nicht_rechtlichen_Vaters.pdf?__blob=publicationFile) überarbeitungswürdig. Dieser sieht nämlich bislang vor, dass die behauptete Abstammung im Verfahren auf Regelung des Umgangs/Erteilung von Auskünften über das Kind inzident geprüft werden soll.

Im Interesse aller Beteiligten wäre es besser, die Abstammungsfrage vorweg zu klären und dann zu entscheidne, wie man mit der sich daraus ergebenden Situation umgeht.

 

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Die Rechtsprechung ist leider nicht konsequent und aus meiner Sicht auch nicht haltbar.

Wenn betont wird, dass der Europäische Gerichtshof die Möglichkeit gibt, dass ein biologischer Vater Umgang mit seinem Kind haben könne, so ist dies im Grund nach dt. Recht nur gemäß §1685 BGB als enge Bezugsperson möglich. Das BVerfG: Beschluss vom 20.09.2006 - 1 BvR 1337/06 stellt klar, dass eine BESTEHENDE Beziehung durch Art. 6 GG geschützt wird, nicht dagegen der Aufbau der Beziehung. In diesen Fällen scheidet das Umgangsrecht aus.

Wenn also ein Mann behauptet, er sei der leibliche Vater eines Kindes, welches in der Ehe zwischen der Kindesmutter und ihrem Mann geboren wurde, so ist der Ehemann der (rechtliche) Vater des Kindes. Dann stellt sich rechtlich die Frage, wie der leibliche Vater das Umgangsrecht erhalten kann? Die Vaterschaft anfechten kann er nicht, wie die Entscheidung zeigt. Einen DNA- Test kann er rechtlich nicht einholen, weil dieser nicht verwertbar ist.

Daher sollte man dem leiblichen Vater, der glaubhaft machen kann, dass er in der Empfängsniszeit mit der Frau geschlechtlich verkehrt hat, die Möglichkeit geben, einen DNA-Test gemäß §1598a BGB zu machen. Die Voraussetzung der sozialfamilären Beziehung gemäß §1600 Abs. 2 BGB sollte entfallen.

Ich habe die obige Entscheidung hier auch besprochen und kommentiert.

Rechtsanwalt Klaus Wille

Fachanwalt für Familienrecht

www.anwalt-wille.de oder www.unterhalt24.com

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