Erneute Änderung des BtMG – Neue Strafvorschrift eingefügt

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 04.11.2012

Mit Wirkung vom 26.10.2012 ist eine weitere Änderung des BtMG in Kraft getreten. Etwas versteckt, nämlich im 2. Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012 (BGBl. I, S. 2192), wurde das sog. Dispensierverbot für Ärzte gelockert. Nach der bislang gültigen Fassung des BtMG durften Ärzte Betäubungsmittel der Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG ihren Patienten nur verschreiben oder unmittelbar an diesen anwenden. Eine Abgabe von Betäubungsmitteln durch Ärzte, d.h. ein Überlassen an ihre Patienten zur freien Verfügung, war verboten. Eine Abgabe von ärztlich verschriebenen Betäubungsmitteln war Apotheken vorbehalten (sog. Apothekenmonopol).

Mit Einfügung eines neuen § 13 Abs. 1a BtMG dürfen Ärzte nun zur Deckung eines nicht aufschiebbaren Betäubungsmittelbedarfs eines ambulant versorgten Palliativpatienten diesem Betäubungsmittel der Anlage III in Form von Fertigarzneimitteln überlassen, soweit und solange der Bedarf des Patienten durch eine Verschreibung nicht rechtzeitig gedeckt werden kann. Unter Palliativpatienten sind Schwerkranke zu verstehen, bei denen eine heilende Therapie nicht mehr möglich ist, sondern bei denen durch Linderung von körperlichen Schmerzen und sonstigen Beschwerden die Lebensqualität erhalten werden soll. Ziel des Gesetzgebers mit der Änderung des BtMG ist es, die Überbrückung von absehbaren palliativmedizinischen Krisensituationen im ambulanten Bereich zu verbessern, indem der Arzt nun betäubungsmittelhaltige Schmerzmittel an Patienten mit starken Schmerzen abgeben darf, wenn die Besorgung des Arzneimittels auf Rezept in der Apotheke nicht rechtzeitig möglich ist (s. dazu Pressemitteilung des BMG vom 28.06.2012).

Strafrechtlich abgesichert werden soll die Einhaltung dieser Regelung durch eine neu eingefügte Strafvorschrift in § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 6a BtMG, nach der sich nun strafbar macht, wer entgegen § 13 Abs. 1a BtMG ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt.

Die komplette Vorschrift des § 13 Abs. 1a BtMG lautet wie folgt:

Zur Deckung des nicht aufschiebbaren Betäubungsmittelbedarfs eines ambulant versorgten Palliativpatienten darf der Arzt diesem die hierfür erforderlichen, in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel in Form von Fertigarzneimitteln nur dann überlassen, soweit und solange der Bedarf des Patienten durch eine Verschreibung nicht rechtzeitig gedeckt werden kann; die Höchstüberlassungsmenge darf den Dreitagesbedarf nicht überschreiten. Der Bedarf des Patienten kann durch eine Verschreibung nicht rechtzeitig gedeckt werden, wenn das erforderliche Betäubungsmittel

1.

bei einer dienstbereiten Apotheke innerhalb desselben Kreises oder derselben kreisfreien Stadt oder in einander benachbarten Kreisen oder kreisfreien Städten nicht vorrätig ist oder nicht rechtzeitig zur Abgabe bereitsteht oder

2.

obwohl es in einer Apotheke nach Nummer 1 vorrätig ist oder rechtzeitig zur Abgabe bereitstünde, von dem Patienten oder den Patienten versorgenden Personen nicht rechtzeitig beschafft werden kann, weil

a)

diese Personen den Patienten vor Ort versorgen müssen oder auf Grund ihrer eingeschränkten Leistungsfähigkeit nicht in der Lage sind, das Betäubungsmittel zu beschaffen, oder

b)

der Patient auf Grund der Art und des Ausmaßes seiner Erkrankung dazu nicht selbst in der Lage ist und keine Personen vorhanden sind, die den Patienten versorgen.

Der Arzt muss unter Hinweis darauf, dass eine Situation nach Satz 1 vorliegt, bei einer dienstbereiten Apotheke nach Satz 2 Nummer 1 vor Überlassung anfragen, ob das erforderliche Betäubungsmittel dort vorrätig ist oder bis wann es zur Abgabe bereitsteht. Über das Vorliegen der Voraussetzungen nach den Sätzen 1 und 2 und die Anfrage nach Satz 3 muss der Arzt mindestens folgende Aufzeichnungen führen und diese drei Jahre, vom Überlassen der Betäubungsmittel an gerechnet, aufbewahren:

1.

den Namen des Patienten sowie den Ort, das Datum und die Uhrzeit der Behandlung,

2.

den Namen der Apotheke und des kontaktierten Apothekers oder der zu seiner Vertretung berechtigten Person,

3.

die Bezeichnung des angefragten Betäubungsmittels,

4.

die Angabe der Apotheke, ob das Betäubungsmittel zum Zeitpunkt der Anfrage vorrätig ist oder bis wann es zur Abgabe bereitsteht,

5.

die Angaben über diejenigen Tatsachen, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen nach den Sätzen 1 und 2 ergibt.

Über die Anfrage eines nach Satz 1 behandelnden Arztes, ob ein bestimmtes Betäubungsmittel vorrätig ist oder bis wann es zur Abgabe bereitsteht, muss der Apotheker oder die zu seiner Vertretung berechtigte Person mindestens folgende Aufzeichnungen führen und diese drei Jahre, vom Tag der Anfrage an gerechnet, aufbewahren:

1.

das Datum und die Uhrzeit der Anfrage,

2.

den Namen des Arztes,

3.

die Bezeichnung des angefragten Betäubungsmittels,

4.

die Angabe gegenüber dem Arzt, ob das Betäubungsmittel zum Zeitpunkt der Anfrage vorrätig ist oder bis wann es zur Abgabe bereitsteht.

Im Falle des Überlassens nach Satz 1 hat der Arzt den ambulant versorgten Palliativpatienten oder zu dessen Pflege anwesende Dritte über die ordnungsgemäße Anwendung der überlassenen Betäubungsmittel aufzuklären und eine schriftliche Gebrauchsanweisung mit Angaben zur Einzel- und Tagesgabe auszuhändigen.

 

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4 Kommentare

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@Herr Till:

 

Da es hier um ein echtes Sonderdelikt handelt, das nur von einem Arzt begangen werden kann, der das Betäubungsmittel entgegen § 13 Abs. 1a BtMG im Rahmen einer ambulanten palliativmedizinischen Behandlung überlässt, verdrängt § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 6a BtMG m.E. den § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG.

Sehr geehrter Herr Patzak,

vielen Dank für die schnelle Antwort.

Dann stellt sich mir allerdings noch die abschließende Frage ob jeder Arzt der ein Betäubungsmittel überlässt sich nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 6a BtMG strafbar macht, oder eben nur solche Ärzte die im Rahmen einer ambulanten palliativmedizinischen Behandlung entgegen § 13 Abs. 1a BtMG Betäubungsmittel überlassen.

 

Ansonsten wäre die Vorschrift ja überflüssig, denn die mit der Überlassung vergleichbare Abgabe ist im § 29 BtMG bereits geregelt.

 

Andererseits ergibt sich aus dem Wortlaut, dass jede Überlassung eines dort genannten Betäubungsmittels entgegen § 13 Abs. 1a BtMG (also sofern die dort genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind) strafbar ist.

Schließlich sollen die neuen Regelungen aber nach der Drucksache etwas Strafbarkeit nehmen und nicht neue Strafbarkeiten zu schaffen.

Daher wüsste ich gerne Ihre Einschätzung dazu.

 

Vielen Dank

Till

 

0

Sehr geehrter Till,

 

m.E. greift § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 6a BtMG ein, wenn ein Arzt im Rahmen einer ambulanten palliativmedizinischen Behandlung

1. Betäubungsmittel der Anl. I oder Anl. II

oder

2. Betäubungsmittel der Anl. III nicht in Form von Fertigarzneimitteln,

oder

3. Betäubungsmittel der Anl. III in Form von Fertigarzneimitteln in einer Menge überlässt, die die 3-Tages-Höchstdosis überschreitet.

Ein Überlassen von Betäubungsmitteln außerhalb einer ambulanten palliativmedizinischen Behandlung unterfällt - wie bisher - als unerlaubte Abgabe dem § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG.

Ein Lesetipp: RA Dr. Kotz hat einen Beitrag zum neuen Straftatbestand des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 6a BtMG in der StRR 2012, S. 451 veröffentlicht.

Mit freundlichen Grüßen

Jörn Patzak

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