Dann gehe ich halt in die V

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 31.10.2012
Rechtsgebiete: Familienrecht|2778 Aufrufe

Das BVerwG hat entschieden, dass der Vater den Kostenbeitrag für die Unterbringung seines Kindes in einer Jugendhilfeeinrichtung nicht durch einen Steuerklassenwechsel reduzieren kann, wenn dieser als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist.

Der Sohn des Klägers war wegen einer seelischen Behinderung vollstationär in einer speziellen Jugendhilfeeinrichtung aufgenommen (monatliche Kosten etwa 6.500 Euro). Daraufhin setzte das Jugendamt der beklagten Stadt nach Ermittlung des in den vergangenen zwölf Monaten von dem Kläger erzielten Durchschnittseinkommens einen monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von 635 Euro fest. Für die Bemessung des Kostenbeitrags ist nach § 93 SGB VIII das um Belastungen, insbesondere gezahlte Steuern, bereinigte Nettoeinkommen maßgeblich. Damals hatte der Kläger die Steuerklasse III und seine in geringem Umfang erwerbstätige Ehefrau die Steuerklasse V. Sie wurde auf Grund ihrer geringen Einkünfte nicht zu einem Kostenbeitrag herangezogen. Der Kläger beantragte eine Reduzierung des Kostenbeitrags unter Berufung auf sein gesunkenes Nettoeinkommen. Das Jugendamt stellte fest, dass das vom Kläger bezogene Bruttogehalt sich nicht verringert habe, sondern leicht angestiegen sei. Hingegen sei der (vorläufige) Steuerabzug des Klägers um etwa 900 Euro angestiegen, weil der Kläger freiwillig in die Steuerklasse V und seine Ehefrau in die Steuerklasse III gewechselt seien. Die Beklagte lehnte den Herabsetzungsantrag des Klägers ab, weil der Steuerklassenwechsel nur zum Zweck der Kostenbeitragsminderung erfolgt sei.
Das Verwaltungsgericht hatte die Klage abgewiesen; das Oberverwaltungsgericht hatte der Berufung des Klägers u.a. mit Hinweis darauf stattgegeben, dass die Berechnung des Kostenbeitrags auf der Grundlage des monatlichen Durchschnittseinkommens zu beanstanden sei. Außerdem sei der hier vorgenommene Steuerklassenwechsel jederzeit ohne Angabe von Gründen möglich und mangels grob unbilligen Ergebnisses auch nicht rechtsmissbräuchlich.

Die Revision des Klägers zum BVerwG hatte Erfolg.

Die Durchschnittsberechnung sei nicht zu beanstanden. Dem Oberverwaltungsgericht sei auch nicht darin zu folgen, dass die durch den Wechsel der Steuerklasse hervorgerufene Verringerung des Nettoeinkommens zwingend zu einer Herabsetzung des Kostenbeitrags führe. Die Ausübung des dem Bürger generell zustehenden Steuerklassenwahlrechts könne im Einzelfall nach dem Grundsatz von Treu und Glauben rechtsmissbräuchlich sein, wenn dafür keine schutzwürdigen Gründe vorlägen und deshalb anzunehmen sei, dass der Steuerklassenwechsel vorwiegend zur Schmälerung des dem Jugendhilfeträger zustehenden Kostenbeitrags erfolgt sei. In diesem Fall sei die Minderung des Nettoeinkommens bei der Bemessung des Kostenbeitrags zu vernachlässigen.

Ob die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs hier vorliegen, werde das Oberverwaltungsgericht noch zu prüfen haben.

BVerwG v. 11.10.2012 - 5 C 22.11 (Pressemitteilung des Gerichts)

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