Schulträger muss seinen Lehrern Reisekosten für Schulfahrten erstatten

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 16.10.2012

Nach einem neuen Urteil des BAG muss der Schulträger den bei ihm beschäftigten Lehrern die Reisekosten für Klassenfahrten und Wandertage auch dann voll erstatten, wenn diese zuvor auf Kostenerstattung formularmäßig verzichtet haben.

Land NRW lässt Lehrer formularmäßig auf Reisekosten für Klassenfahrten verzichten

Die Klägerin ist an einer Gesamtschule des beklagten Landes (Nordrhein-Westfalen) als Lehrerin beschäftigt. Sie beantragte als Klassenlehrerin für ihre Klasse die Genehmigung einer mehrtägigen Studienfahrt nach Berlin. In dem in der Gesamtschule hierfür verwandten Formular heißt es ua.: „Die … zu zahlende(n) Reisekostenvergütung(en) ist/sind durch die für unsere Schule vorgesehenen Haushaltsmittel nicht mehr gedeckt; da die Veranstaltung trotzdem durchgeführt werden soll, verzichte(n) ich/wir … auf die Zahlung der Reisekostenvergütung.“ Anlässlich der genehmigten Studienfahrt entstanden der Klägerin Reisekosten in Höhe von 234,50 Euro, wovon ihr 28,45 Euro erstattet wurden. Die Erstattung der übrigen Reisekosten lehnte das Land unter Hinweis auf die Verzichtserklärung der Klägerin im Antragsformular ab. Nach den "Wanderrichtlinien" des Landes NRW sind Schulfahrten Bestandteile der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schulen. Die Teilnahme an Schulfahrten gehört zu den dienstlichen Aufgaben der Lehrkräfte, wobei die Leitung in der Regel der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer obliegt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat ihr stattgegeben und der Klägerin den Differenzbetrag in Höhe von 206,05 Euro zugesprochen (Urt. vom 03.02.2011 - 11 Sa 1852/10).

Damit verstößt es gegen seine Fürsorgepflicht und handelt treuwidrig

Die Revision des Landes NRW hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dem Land sei es unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) wegen unredlichen Erwerbs der eigenen Rechtsstellung verwehrt, sich auf die von ihm vorformulierte Verzichtserklärung der Klägerin zu berufen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar finden nach § 23 Abs. 4 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) für die Erstattung von Reisekosten die für die Beamtinnen und Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen entsprechende Anwendung. Das Gesetz über die Reisekostenvergütung der Beamtinnen und Beamten des Landes NRW sieht insoweit vor, dass Dienstreisende vor Antritt einer Dienstreise schriftlich erklären können, keinen Antrag auf Reisekostenvergütung zu stellen. NRW verstößt jedoch mit der Praxis, Schulfahrten grundsätzlich nur zu genehmigen, wenn die teilnehmenden Lehrkräfte auf die Erstattung ihrer Reisekosten verzichten, grob gegen seine Fürsorgepflicht. Mit der generellen Bindung der Genehmigung von Schulfahrten an den Verzicht auf die Erstattung von Reisekosten stellt NRW die bei ihm angestellten Lehrkräfte unzulässig vor die Wahl, ihr Interesse an einer Reisekostenerstattung zurückzustellen oder dafür verantwortlich zu sein, dass Schulfahrten, die Bestandteil der Bildungs- und Erziehungsarbeit sind, nicht stattfinden (BAG, Urt. vom 16.10.2012 - 9 AZR 183/11).

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