Die (angeblich) selbsttaufende Oma

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 18.09.2012
Rechtsgebiete: Familienrecht5|5227 Aufrufe

 

Sie ist evangelisch, er katholisch. 2002 wurde ihre Tochter geboren. Sie haben das gemeinsame Sorgerecht, die Tochter lebt beim Vater, u.a. mittwochs besucht sie die Mutter.

Seit Jahren streiten die Eltern erbittert, u.a. auch über die religiöse Kindererziehung. Beide Eltern waren sich allerdings bislang darüber einig, dass das Kind noch nicht getauft worden ist.

Eines Tages erhielt die Mutter vom katholischen Ortspfarrer die Nachricht,  dass die Großmutter väterlicherseits das Kind am Tage der Geburt getauft habe, da diese äußerst schwach gewesen sei.

Daraufhin verklagte die Mutter die Oma vor dem Zivil- (nicht dem Familiengereicht) mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der katholischen Kirchengemeinde M und dem Dechanten P, die von ihr abgegebene eidesstattliche Versicherung, sie habe die Tochter der Klägerin am 21.09.2002 im Allgemeinen Krankenhaus getauft, zu widerrufen.

Erfolgreich.

Oma behauptet zwar, sie habe unter Einhaltung der ordnungsgemäßen Taufformel und der Taufriten die Enkeltochter getauft und zwar mit den Worten: „Ich taufe Dich E, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ und den Kopf des Kindes mit Wasser benetzt. Dies habe sie getan, als die Mutter für einen vorübergehenden Moment das Wöchnerinnenzimmer verlassen habe, und zwar habe sie das Kind spontan getauft, um es in Gottes und der Kirche Schutzes zu wissen.

Beim Betrachten des Kindes wäre ihr deutlich geworden, wie schutzlos ein neugeborenes Kind sei.

Diese ganze Geschichte glaubte der Amtsrichter der Oma nicht.  

Jedenfalls aber sei die Mitteilung der - angeblichen - Taufhandlung erstmals nach 8 Jahren verwirkt. Der Widerruf als Folgenbeseitigung (Schadensersatz-)Anspruch wegen Eingriff in das religiöse Selbstbestimmungsrecht der Mutter des Kindes sei gerechtfertigt und auch von der Kirche zu beachten. 

AG Hagen, Urteil vom 09.07.2012 - 10 C 187/12

 

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

5 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Also selbst eine Taufe kann man per Gericht wiederufen lassen und hat sogar ein Recht darauf das es wiederufen wird.

Eine Beschneidung kann man nicht wiedrufen bzw wiederherstellen  und umso mehr ist dieses ein ungerechtfertigter Eingriff in das  religiöse Selbstbestimmungsrecht des Kindes und gehört somit verboten bis das Kind selbst entscheiden kann.

 

 

4

Dieser Streit um die Taufe ist doch ein reiner Selbstzweck, damit die Eltern prozessieren können. Es gibt eine Magdeburger Erklärung, wonach die ev. und die kath. Kirche ihre Taufen jeweilig anerkennen, so dass (zumindest in dieser Frage) der Konfessionsunterschied egal ist...

=> Kein Rechtsschutzbedürfnis.

 

...garanitert läuft dieser Mist auf VKH-Basis.

5

@ Lorgar: es geht nicht darum, welche Taufe, sondern darum, ob überhaupt Taufe oder nicht. Und das Grundrecht der Glaubensfreiheit schließt das Recht auf Atheimus ein, auch wenn religiöse Extremisten wie ein katholischer Bischof aus Fulda dies in volksverhetzender Weise verunglimpft. Wie schutzbedürftig Grundrechte von Kindern sind, kann man an der Beschneidungsdebatte sehen: immerhin ist geplant, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in seinem Wesensgehalt anzutasten.

@Hilfsassessor

 

Ja,  "die Erklärung, das getauft wurde, die muss widerrufen werden"

und damit gillt auch für die Kirche die Taufe als nicht vollzogen.

 

 

0

Kommentar hinzufügen