Gesamtstrafenbildung: Anrechnung erbrachter Leistungen bei einbezogener Bewährungsstrafe

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 29.08.2012
Rechtsgebiete: BGHGesamtstrafeStrafrechtVerkehrsrecht|4671 Aufrufe

Wenn eine Bewährung widerrufen wird, in deren vergangener Bewährungszeit Bewährungsauflagen erfüllt worden sind, muss der Widerrufsbeschluss zur Anrechnung dieser Auflagen Stellung nehmen. Bei Gesamtstrafen ist das - was wenig bekannt ist - auch so: 

 

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Auflösung der Gesamtstrafe und Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Halle vom 7. Juli 2011 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die Revision des

 

Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

 

Das angefochtene Urteil begegnet durchgreifenden sachlichrechtlichen Bedenken, soweit eine Entscheidung über die Anrechnung von Leistungen des Angeklagten im Zusammenhang mit der im Urteil des Landgerichts Halle vom 7. Juli 2011 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung unterblieben ist.

 

Nach den Feststellungen war die Vollstreckung der im Rahmen der nach-träglichen Gesamtstrafenbildung aufgelösten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Halle vom 7. Juli 2011 zur Bewährung ausgesetzt worden. Mit Bewährungsbeschluss vom selben Tag hatte das Landgericht dem Angeklagten die Erbringung von Arbeitsleistungen auferlegt, die der Angeklagte in vollem Umfange ableistete. Angesichts dieser Feststellungen hätte sich die Strafkammer gedrängt sehen müssen, die Voraussetzungen für eine Anrechnung auf Bewährungsauflagen erbrachter Leistungen gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB i.V.m. § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB zu prüfen und in den Urteilsgründen zu erörtern (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2001 - 2 StR 43/01). Nach dieser Regelung sind Leistungen, die auf Bewährungsauflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 StGB erbracht worden sind, nicht bei der Bemessung der Gesamtstrafe zu berücksichtigen, sondern durch eine die Vollstreckung verkürzende Anrechnung auf die neue Gesamtfreiheitsstrafe auszugleichen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 1990 - 1 StR 283/89, BGHSt 36, 378).

 

Der Erörterungsmangel führt zur Teilaufhebung des Urteils. Die Frage der Anrechnung der vom Angeklagten erbrachten Arbeitsleistungen bedarf einer neuen tatrichterlichen Entscheidung, wobei zu berücksichtigen sein wird, dass die Leistungen des Angeklagten - wenn auch fehlerhaft - bei der Gesamt-strafenbildung zu seinen Gunsten Beachtung gefunden haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. März 2011 - 2 StR 43/01; vom 19. Mai 1992 - 4 StR 207/92).

 

 

BGH, Beschluss vom 19.6.2012 - 4 StR 106/12

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