OLG Bamberg: Konkrete Anhaltspunkte für Testierunfähigkeit erforderlich

von Dr. Claus-Henrik Horn, veröffentlicht am 28.07.2012

Üblich sind zwei Angriffspunkte gegen die Wirksamkeit von Testamenten: Testamentsfälschung und Testierunfähigkeit. Das OLG Bamberg hatte sich mit einem Erbscheinsverfahren zu beschäftigen, in dem die Schwester des Verstorbenen gegen das einige Tage vor dem Tod errichtete notarielle Testament die Testierunfähigkeit des Verstorbenen einwendete (Beschluß vom 19.6.2012, 6 W 20/12; § 2229 Abs. 4 BGB)). In diesem Testament hatte der Verstorbene seine Lebensgefährtin zur Alleinerbin eingesetzt und so seine Schwestern enterbt.

Das OLG Bamberg bestätigte die Entscheidung des Nachlassgerichts, dass ein psychiatrisches Sachverständigengutachten nicht eingeholt werden müsste. Dieses ist nur erforderlich, wenn konkrete Anhaltspunkte bestehen, an der Testierfähigkeit zu zweifeln. Allein der Umstand, dass der Erblasser sich im fortgeschrittenen Stadium einer Krebserkrankung befunden hat, stelle keinen solchen Anhaltspunkt dar.

 

Dieses belegt, wie wichtig es ist, bei der Vertretung von Beteiligten im Erbscheinsverfahren Sachverhalt einzuführen, wonach Indizien für die Testierunfähigkeit bestehen. Etwas zweifelhaft ist aber an dem Beschluss des OLG Bamberg, dass es seine Entscheidung auch auf eine schriftliche Stellungnahme des das Testament beurkundenden Notars stützt. Wie nicht anders zu erwarten war, führt der Notar aus, dass der Verstorbene testierfähig war. Regelmäßig verfügen indes Notare nicht über eine psychologische Ausbildung, um tatsächlich Feststellungen über die Frage der Testierfähigkeit treffen zu können. Hierzu reicht auch das Urteil eines Hausarztes nicht aus.

Der Unterzeichner ist Verfahrensbevollmächtiger bei einem Erbscheinsverfahren, in dem sich die Gegenseite auf die Testierfähigkeit beruft und der das Testament beurkundende Notar zu der Testierfähigkeit ausgeführt hat. Die vom Gericht bestellte Gutachterin hat indes die Testierunfähigkeit bestätigt. Die Entscheidung des Nachlassrichters steht noch aus.

 

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3 Kommentare

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Den kleinen Seitenhieb gegen den Notar kann ich gut nachvollziehen. Ich denke, dass  die meisten ihre Arbeit wohl gut und sorgfältig machen. Andererseits werden recht gedankenlos Formulierungen wie die der bestehenden Testierfähigkeit aufgenommen, wo man eigentlich nur schreiben kann, dass dem Notar keine Anhaltspunkte vorgelegen haben, die gegen die Testierfähigkeit sprechen.

Und dann gibt es auch die Schrottimmobilien-Mitternachtsnotare und die Hausnotare von Firmenbestattern, die in kurzer Zeit die Bestellung ersichtlich sozial Schwacher zum Geschäftsführer diverser GmbHs beurkunden.

Es ist auch erstaunlich, wer so alles den Notaren persönlich bekannt sein soll, so dass keine Ausweisdaten in den notariellen Urkunden auftauchen.

Und kürzlich baten mich türkischstämmige Nachbarn, einen Grundstückskaufvertrag durchzusehen. Die Ehefrau sprach praktisch kein Deutsch. Die Notarin, die die potentiellen Käufer schon persönlich gesehen hatte,  hatte keine Skrupel, in den Vertrag aufzunehmen, dass die Hinzuziehung eines Dolmetschers nicht erforderlich sei...

 

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Da hatte ich doch tatsächlich den seltsamen Fall, dass eine vietnamesische Ehefrau innerhalb von 7 jahren sämtliche Deutschkenntnisse verloren hatte.

2005: Abschluss eines Kaufvertrages über ein Mehrfamilienhausgrundstück vor einer deutschen Notarin ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers und ohne Erwähnung, dass es vielleicht Zweifel an den Deutschkenntnissen der Ehefrau geben könnte (es hat wohl ausgereicht, dass sie wohl nur gelächelt und genickt hat).

2012: Verkauf eben dieser Immobilie unter Hinzuziehung eines Dolmetschers (herrlicher Singsang), weil ich im Vorfeld feststellte, dass sie kaum ein Wort Deutsch versteht geschweige denn sprechen kann.

Da wundert man sich schon! 

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Ich hatte hier ebenfalls bereits über den Beschluss des OLG Bamberg berichtet und ebenfalls die Frage aufgeworfen, ob die Entscheidung nach dem mitgeteilten Sachverhalt richtig sein kann.

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