Keine Staatsimmunität bei arbeitsrechtlicher Klage eines Botschaftsangestellten ohne hoheitliche Tätigkeit

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 21.07.2012

 

 

In der Bundeshauptstadt Berlin dürften die ausländischen Vertretungen (in der Summe) zu den größten Arbeitgebern gehören. Arbeitsrechtlich ist dies ein schwieriges Terrain, da der Rechtsschutz durch deutsche Arbeitsgerichte umstritten ist. Zuletzt häuften sich die Berichte über die prekäre Situation von Hausangestellten hochrangiger Diplomaten. Auch die deutschen Arbeitsgerichte waren schon damit beschäftigt (vgl. u.a. den Blog-Beitrag vom 14.11.2011). Aber auch die die Arbeitsbedingungen des in Deutschland bei ausländischen Botschaften beschäftigten Botschaftspersonals bedürfen mitunter der Überprüfung. Und ganz konkret: Können bei Botschaften beschäftigte Mitarbeiter vor deutschen Arbeitsgerichten gegen eine ihnen gegenüber ausgesprochene Kündigung vorgehen? Nunmehr hat sich - auf Vorlage des LAG Berlin-Brandenburg - auch der EuGH zum Rechtsschutz des betroffenen Botschaftspersonals geäußert (Urteil vom 19.07.2012, Aktenzeichen: C-154/11, Rs. Mahamdia). Herr Mahamdia, der die algerische und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, arbeitete für den algerischen Staat als Kraftfahrer bei der algerischen Botschaft in Berlin. Er hat vor den deutschen Gerichten Klage gegen seine Kündigung erhoben und verlangt eine Vergütung. Algerien macht demgegenüber geltend, dass es als fremder Staat in Deutschland von der Gerichtsbarkeit befreit sei; diese Immunität sei durch das Völkerrecht, wonach ein Staat nicht der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates unterworfen werden könne, anerkannt. Außerdem beruft sich Algerien auf die in dem Arbeitsvertrag zwischen ihm und Herrn Mahamdia enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung, der zufolge im Fall von Streitigkeiten ausschließlich die algerischen Gerichte zuständig sind. In diesem Zusammenhang ersucht das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg den Gerichtshof um Auslegung der Verordnung Nr. 44/20011 (Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1), die u. a. Regelungen über die gerichtliche Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge enthält. Diese Regelungen sollen dem Arbeitnehmer als der schwächeren Vertragspartei einen angemessenen Schutz gewährleisten. So kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber, wenn dieser seinen Wohnsitz außerhalb der Europäischen Union hat, vor den Gerichten des Mitgliedstaats verklagen, in dem sich die „Niederlassung“ dieses Arbeitgebers befindet, in der der Arbeitnehmer seine Arbeit verrichtet. Der EuGH antwortet in dem Sinne, dass eine Botschaft eines Drittstaats in einem Mitgliedstaat in einem Rechtsstreit über einen Arbeitsvertrag, den diese Botschaft im Namen des Entsendestaats geschlossen hat, eine „Niederlassung“ im Sinne der Verordnung darstellt, wenn die von dem Arbeitnehmer verrichteten Aufgaben nicht unter die Ausübung hoheitlicher Befugnisse fallen. Wie jede andere öffentliche Einrichtung könne eine Botschaft nämlich zivilrechtliche Rechte und Pflichten erwerben bzw. übernehmen. Das sei der Fall, wenn sie Arbeitsverträge mit Personen schließt, die keine hoheitlichen Aufgaben verrichten. Darüber hinaus könne eine Botschaft einem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit gleichgestellt werden, der auf Dauer nach außen hervortritt. Außerdem weise eine Streitigkeit im Bereich der Arbeitsverhältnisse wie die vorliegende einen hinreichenden Zusammenhang mit dem Betrieb der betreffenden Botschaft in Bezug auf die Personalangelegenheiten auf. Soweit sich Algerien auf Immunität beruft, stellt der Gerichtshof klar, dass diese Immunität nicht absolut gilt. Sie sei allgemein anerkannt, wenn der Rechtsstreit hoheitliche Handlungen betrifft. Sie könne hingegen ausgeschlossen sein, wenn sich der gerichtliche Rechtsbehelf auf Handlungen bezieht, die nicht unter die hoheitlichen Befugnisse fallen.

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