Datenschutz: Neue Vorschriften im Meldegesetz (MeldFortG) - ein Eigentor?

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 09.07.2012

Ich bin natürlich auf Ihre konstruktiven Kommentare gespannt, aber bitte beachten: 

(1) Die Bundesregierung geht davon aus, dass die umstrittenen Ergänzungen im weiteren parlamentarischen Verfahren erneut verändert wird.

(2) Das Gesetz ist im Bundesrat zustimmungspflichtig.  

(3) Ein zentrales Bundesmelderegister sieht das Gesetz nicht vor .

Die  ursprüngliche Gesetzesfassung der Bundesregierung sah vor, dass die Bürger der Weitergabe persönlicher Daten durch die Meldebehörden ausdrücklich zustimmen müssen. Nach der ersten Lesung im Bundestag änderte der Innenausschuss mit den Stimmen der Koalition, der Beschluss erfolgte dann am Abend des 28. Juni binnen einer knappen Minute kurz vor Anpfiff dies Spiels Deutschland gegen Italien.  In der neuen Gesetzesfassung ist nun vorgesehen, dass die Bürger aktiv Widerspruch einlegen müssen, bevor Daten an die Werbewirtschaft u.a. wetiergegenen werden dürfen.

Verboten sein soll es künftig laut dem BT- Beschluss , Meldedaten für Werbung oder Adresshandel zu verwenden, wenn dieser Zweck bei der Anfrage nicht angegeben wurde oder der Betroffene dagegen Widerspruch eingelegt hat (Opt-out).  Ursprünglich war ein Opt-in vorgesehen. Kritiker befürchten, dass ein "Opt-out" wirkungslos sei, da für eine Melderegisterauskunft in aller Regel im die Überprüfung bereits bestehender Datensätze gebraucht würden.  Ein Opt-Out soll es nämlich nicht geben, wenn, wenn die die Anfrager vom Amt nur bereits vorhandene Daten bestätigen oder aktualisieren lassen wollen.  

Hier ein Link zu dem ursprünglichen Gesetzesentwurf: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzestexte/Entwuerfe/MeldFortG.pdf?__blob=publicationFile 

 

 

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13 Kommentare

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Man sollte anlässlich dieses Fallen darüber nachdenken, ob § 45 GOBT, der faktisch selbst bei 20-30 anwesenden Abgeordneten eine Beschlussfassung ermöglicht, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

So wäre eine Ergänzung überlegenswert, die bei offensichtlicher Unterschreitung der Zahl von mehr als der Hälfte der Abgeordneten, die Pflicht der Sitzungsleitung zur Feststellung der Beschlussunfähigkeit begründet.

Ob damit aufgrund der Vielzahl von Tagesordnungspunkten eine Überlastung der MdB droht, ist ein Aspekt, der hier keine Beachtung finden darf. Hier ist (offiziell) sogar die Bundesregierung von einer konträren Änderung durch eigene Fraktionsmitglieder überrascht worden.

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Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de stellten die Abgeordneten Hans-Peter Uhl (CSU) und Gisela Piltz (FDP) am 27. Juni, also einen Tag vor der Schlussabstimmung, im federführenden Innenausschuss einen Änderungsantrag zur Abstimmung. Dieser wurde von den anwesenden Mitgliedern von CDU, CSU und FDP gegen die Stimmen der Opposition beschlossen....

http://blog.abgeordnetenwatch.de/2012/07/09/kurz-vor-der-halbzeitpause-w...

 

Da frägt man sich was damit bezweckt werden soll und vor allem warum die beiden diesen Änderungsantrag so kurzfristig einbrachten.....

 

bombjack

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Zum einen sehe ich das inhaltliche Problem weniger beim Opt-Out an sich, als vielmehr bei der Ausnahmeregelung. Ein umfassendes Opt-Out ist hilfreicher als ein Opt-In bei dem die gleiche Ausnahmeregelung besteht.

 

Zum anderen hätte die Opposition das Gesetz ohne weiteres zu Fall bringen können, wenn Sie es ernst genommen hätten, weil es ja kein Problem gewesen wäre, die Beschlussunfähigkeit feststellen zu lassen.

 

Es gibt aber einen guten Grund, weswegen sie das nicht getan haben, und dabei geht es nicht um das "Einknicken vor der Werbelobby":

Die Auskünfte gibt es nicht kostenlos, jede Abfrage bringt Geld in die Kassen der klammen Kommunen. Ich nehme an, dass versucht wurde, durch häufigere Adressabfragen eine Zusatzeinnahme auf Kommunalebene zu schaffen - die man natürlich nicht öffentlich als solche propagieren durfte.

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Das ist nur die eine Seite der Medaille.

Die Parlamentarier haben nämlich nicht bedacht, dass die Gemeinde auch den Bürgern gegenüber darüber auskunftspflichtig sind, an welche Firmen Auskünfte erteilt worden sind. Ich kann mir schlechjterdings nicht vorstellen, dass eine derartige Abfrage gebührenpflichtig sein kann. Wenn nur ein Teil der  Einwohner einer mittleren Kleinstadt jedes halbe Jahr  die Auskunft verlangt, führt dies zu einem unvertretbaren personellem und sachlichem Aufwand bei den Kommunen, deren Widerspruch gegen die  Regelung ich bislang leider vermisse.

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ra.ströcker schrieb:
Die Parlamentarier haben nämlich nicht bedacht, dass die Gemeinde auch den Bürgern gegenüber darüber auskunftspflichtig sind, an welche Firmen Auskünfte erteilt worden sind.

Ist sie nicht, zumindest nicht bei der einfachen Auskunft - § 33 (2) 4. BDSG "Eine Pflicht zur Benachrichtigung besteht nicht, wenn die Speicherung oder Übermittlung durch Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist". Bei der erweiterten Auskunft steht die Benachrichtigungspflicht ja sowieso im MeldFortG (§ 45 (2) ).

Auch bei mir kam als erstes ein Empörungsreflex - hat sich aber zum Einen wieder gelegt, denn

- ob Widerspruch oder Einwilligung, es läuft auf ein Kreuzchen auf dem Anmeldeformular hinaus

- bisher musste z.B. in Bayern nur bei der Anmeldung aus die Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen werde, nun zusätzlich alle halbe Jahr per öffentlicher Bekanntmachung

- eine Melderegisterauskunft ist nicht billig und die Gebühr für Adresshändler prohibitiv, da hat Uhl nicht unrecht: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/uhl-und-bosbach-unions-experte....

Dagegen ist es bisher in Bayern möglich, bei einer erweiterten Registerabfrage der Übermittlung von "Familienstand, beschränkt auf die Angabe, ob verheiratet oder eine Lebenspartnerschaft führend oder nicht und Vor- und Familiennamen sowie Anschrift des Ehegatten oder Lebenspartners" zu widersprechen. Diese Möglichkeit entfällt beim Bundesgesetz.

Weshalb? Und was ist das "berechtigte Interesse", das man bei einer erweiterten Abfrage geltend machen muss?

 

 

Ich meinte auch nicht die Benachrichtigungspflicht der Behörde, sondern die Auskunftspflicht derselben, wenn der Bürger sich aktiv an die Behörde wendet.

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Danke für die fundierten Kommentare: Jetzt hat sich au EU Komissarin Reding in die Debatte eingeschaltet:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/meldegesetz-eu-kommission-kritisiert-datenschutz-in-deutschland-a-843575.html 

Zitat:

"EU-Justizkommissarin Reding mahnt die Abgeordneten im Bundestag: "Wie will der Staat von Facebook und Google Datenschutz verlangen, wenn er selbst Daten verkauft?"  

Was meinen Sie - ist etwas an diesem Argument dran?

Nein, der ist übernommen ins Melderechtsrahmengesetz MRRG,

§ 8 Auskunft an den Betroffenen (1) Die Meldebehörde hat dem Betroffenen auf Antrag Auskunft zu erteilen über
1. die zu seiner Person gespeicherten Daten und Hinweise, auch soweit sie sich auf deren Herkunft beziehen,
2. die Empfänger oder Kategorien von Empfängern von regelmäßigen Datenübermittlungen sowie die Arten der zu übermittelnden Daten,
3. die Zwecke und die Rechtsgrundlagen der Speicherung und von regelmäßigen Datenübermittlungen.

Es geht um das Argument der prohibitiven Wirkung der Abfragekosten, das Herr Dr. Uhl mangels rechtlicher Argumente bemüht.

 

Vielleicht kennt sich jemand damit besser aus, aber im bisherigen Meldewesen gibt es doch prinzipiell drei Kategorien von Auskünften:

- Einfache Melderegisterauskunft über einzelne Person

- Einfache Melderegistersuskunft über eine Liste von Personen

- Erweiterte Auskunft

- Gruppenauskunft

So jedenfalls in Bayern (Art. 31 BayMeldeG)

Wenn ich jetzt einen Blick in das entsprechende Kostenverzeichnis werfe, dann fällt mir auf, dass die einfache Auskunft auch über eine "Vielzahl namentlich bezeichneter Einwohner" pro Einzelfall abgerechnet wird, nicht - wie bei anderen Auskünften - pro Datensatz/Person.

Kann das jemand verifizieren? Nach meiner Ansicht zahlt der Dateninteressent nur einmal pro Abfrage und nicht - wie Uhl behauptet - einmal pro abgefragter Person.

Abgesehen davon ist das Argument insgesamt eher widersprüchlich. Dass eine Begrenzung auf Inkasso - anders als nach Uhls im Bayern2-Interview (Podcast) geäußert - nicht besteht, kann aus dem Entwurf entnommen werden. Dabei wäre eine solche in der Formulierung möglich gewesen. Warum also eine Änderung, der dann angeblich über die Kosten die Wirkung genommen wird?

 

@Dr. Spies (Aussage der Kommissarin Reding):

Das ist wohl eher ein polemisches denn ein rechtliches Argument. Von den Privaten verlangt man die Einhaltung der bestehenden einfachgesetzlichen Regeln und europarechtlichen Richtlinien. Im Meldewesen geht es um die Schaffung von verfassungsmäßigen Rechtsgrundlagen. Der Vergleich wäre tauglich, wenn die Meldeämter gesetzeswidrig Daten übermitteln würden.

 

 

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"Der Vergleich wäre tauglich, wenn die Meldeämter gesetzeswidrig Daten übermitteln würden."

Gerade hier wird es interessant! Zwar hat Herr Dr. Uhl recht, wenn er sagt, dass "kein Bürger in Deutschland ein Recht hat, sich zu verstecken!" Der Bürger ist also verpflichtet, gewisse Daten dem Staat zu überlassen. Insoweit greift sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht. Etwas anderes gilt aber für die Weitergabe dieser so vom Staat erhobenen Daten an private Dritte! Ich könnte mir gut vorstellen, dass das BVerfG diese Regelung als gesetzteswidrig kippt, sollte sie denn bestehen bleiben.

Ein Skandal ist dies allemal und beschämend für unseren Staat zudem!

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Jetzt hat sich zu dem Thema auch der Bundesbeauftragte Peter Schaar zu Wort gemeldet:

http://www.welt.de/politik/deutschland/article108272307/Manchmal-wird-der-Datenschutz-einfach-vergessen.html 

Zitat: "Für Auskünfte an Adresshandel und Werbewirtschaft sollten die Bürger aber ausdrücklich ihre Einwilligung geben müssen. Bei sogenannten einfachen Anfragen an die Meldeämter, etwa wenn es um die Suche nach alten Schulfreunden geht, sollte es zumindest ein Widerspruchsrecht geben ..."

Was halten Sie von dieser Unterscheidung?

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