Schriftform und § 151 BGB

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 05.07.2012

Die Schriftform ist eingehalten, wenn die Einigung der Parteien, so wie sie stattgefunden hat, schriftlich i.S.d. § 126 BGB dokumentieret ist. An die Schriftform können grundsätzlich keine höheren Anforderungen gestellt werden, als an das Zustandekommen einer wirksamen Einigung. Deshalb kann auch eine konkludente Einigung der Parteien schriftlich dokumentiert sein. Maßgeblich ist, ob die Urkunde ihrer äußeren Form nach die Einigung der Parteien wiedergibt. Diese Grundsätze aus der BGH-Rechtsprechung vorausgeschickt - nun folgender Fall:

Die Parteien einigen sich zweimal im Rahmen eines Briefwechsels (es besteht zunächst keine von beiden Parteien unterschriebene Urkunde) darauf, dass dem Mieter Optionsrechte zur Verlängerung des Mietvertrages auf bestimmte Zeit zustehen sollen. Nach der letzten Einigung übt der Mieter abredegemäß seine Option bis zum 31.12.2023 schriftlich aus. Aufgrund der Optionsausübung bestätigt der Vermieter schriftlich, dass sich der Mietvertrag bis zum 31.12.2013 verlängert hat. Dieses Bestätigungsschreiben unterschreibt auch der Mieter und setzt das Wort "einverstanden" hinzu. Diese von ihm gegengezeichnete Ukunde legt er dem Erwerber vor, nachdem dieser gekündigt hat.

Es gibt also eine Urkunde, die den Anforderungen des § 550 BGB gerecht wird. Kann der Vermieter dennoch kündigen?

Ich meine nein. Denn ob dem Vermieter die (vollständige) Urkunde vorliegt, ist m.E. unerheblich. Schon der Fall des § 151 BGB macht deutlich, dass es Einigungen geben kann, obwohl noch nicht einmal die Annahmeerklärung zugegangen ist (ein Annahmewille muss natürlich betätigt sein). Der Missbrauchsgedanke kann nicht Platz greifen. Er ist kein ausreichender Grund, um höhere Anforderungen zu stellen (BGH v. 24.9.1997 - XII ZR 234/95). Haben die Parteien von vornherein verabredet, dass nur eine Urkunde hergestellt werden soll, die eine Partei in Besitz hält, kann die Andere auch nicht den Urkundenbeweis führen. 

 

 

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3 Kommentare

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So, wie Sie den Fall schildern, hat der Mieter das Bestätigungsschreiben von seinem Vermieter erhalten, schreibt "einverstanden" darunter, unterschreibt alles und heftet das Dokument dann in den eigenen Unterlagen ab.

Falls ich das so richtig verstanden habe, so ist m.E. keine Schriftform i.S.d. § 550 BGB gegeben. Zwar gibt es ein Dokument, dass von beiden Parteien unterzeichnet ist. Allerdings ist die unterzeichnete "Annahme" dieses Dokuments dann nicht mehr dem Vermieter zugegangen. Der Fall unterscheidet sich auch von den jüngeren Rspr. des BGH (NJW 2010, 1518) wonach es ausreicht, wenn eine von beiden Parteien unterzeichnete Urkunde in Vollzug gesetzt wird.
Im BGH-Fall ist dem Vermieter nämlich eine Ausfertigung des Mietvertrags zurückgesandt worden nachdem das schriftliche Angebot eigentlich bereits wegen Zeitablauf erloschen war. In dem von Ihnen geschilderten Fall hat der Vermieter gerade keine Urkunde erhalten. Das ist mit dem Schutzzweck des § 550 BGB (Erwerberschutz) aber kaum zu vereinbaren.

Zutreffend ist zwar, dass - wie Sie ausführen - ein Erwerber auch auf den Zugang der Annahmeerklärung nach § 151 BGB verzichten kann. Das funktioniert aber nur dann, wenn der entsprechende Vertrag nicht formbedürftig ist. Zutreffend ist auch, dass es für den Zweck des § 550 BGB ausreicht, wenn einmal eine schriftliche Urkunde bestand, auch wenn sie sodann verloren gegangen ist oder sonstwie untergegangen ist. Hier liegt das Problem aber so, dass sich zu keinem Zeitpunkt eine hinreichende Urkunde in der Sphäre des Vermieters befand.

Der Mieter wird hierduch auch nicht unbillig belastet. Wer ein Dokument unterschreibt, nur um es sodann in den eigenen Unterlagen abzuheften ohne eine Ausfertigung an den Vertragspartner zu schicken, der kann sich dann nachher kaum darauf berufen, dass es einen beidseitig unterschriebenen Vertrag gibt.

Gibt es zu dem von Ihnen geschilderten Fall Rechtsprechung? Wenn ja, würde mich das sehr interessieren. Soweit ich das mitverfolgt habe, hat sich in den letzten zwei Jahren ja nicht mehr viel in Sachen Schriftform getan. Btw: Gibt es eigentlich aktuelle Rspr. zu den sogenannten Vorsorge- oder Heilungsklauseln?

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Mir ist keine Rechtsprechung bekannt.
Im Übrigen:
Stellen Sie sich vor, die Parteien schließen mündlich einen Mietvertrag, der Vermieter erteilt eine Blankounterschrift und bittet den Mieter, die Einigung wegen § 550 BGB auszuformulieren. Dann ist die Urkunde auch nie in seinen Besitz gelangt.
Und: ich kenne keine Norm, die vorschreibt, das eine Urkunde im Besitz beider Parteien sin muss oder zumindest gewesen sein muss. §126 BGB sieht gerade den Fall vor, dass nur eine Urkunde besteht. Haben sich die Parteien vor der Erstellung der Urkunde wirksam geeinigt, sind viele Fälle denkbar, in denen die Urkunde nur im Vesitz einer Person ist und die Andere deren Vollzug nie realisiert hat.
§§ 126, 550 BGB verlangen nur die Existenz der/ einer Urkunde.

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Die Urkunde, die die Schriftformerfordernis des § 550 BGB einhält, ist m.E. der ursprüngliche Mietvertrag.

Die Verlängerungsoption, die nach Ihrer Schilderung erst im Nachhinein durch die Parteien vereinbart worden ist, stellt doch dann eine "Änderung bzw. Ergänzung" des Vertragsinhaltes dar, die grdsl. ebenfalls der Schriftformerfordernis unterliegt, jedoch von den Parteien abbedungen werden kann.

Sollte eine einfache Schriftformklausel vereinbart worden sein, schließe ich mich Herrn Dr. Lützenkirchen an, wonach der Briefwechsel über die Optionsrechte des Mieters die außervertragliche Einigung der Parteien i.S.d. § 126 BGB dokumentiert, sodass somit die Schriftform hierüber eingehalten ist. Danach besteht ein Recht des Mieters, den Mietvertrag bis zum 31.12.2023 zu verlängern. Von dieser Option hat der Mieter Gebrauch gemacht und der Vermieter hat ihm dies in einem Bestätigungsschreiben bestätigt. Eine nochmalige Bestätigung des Bestätigungsschreibens wäre lebensfremd, sodass es m.E. auch nicht der Unterschrift so wie des Zusatzes "einverstanden" bedurft hätte, um die Schriftform einzuhalten. Vielmehr befinden sich in den Unterlagen beider Parteien die entsprechenden Schriftwechsel, welche sich gegenseitig komplettieren.

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