Malmström: Nutzung von Vorratsdaten einschränken, aber hart bleiben gegen Deutschland

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 05.07.2012

Kürzlich bin ich hier in einem Beitrag auf ein Interview mit Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger eingegangen, das in der NJW veröffentlicht wurde.

Gestern erschien praktisch ein "Antwortinterview" seitens EU-Kommissarin Malmström in der FAZ.

Ihre Erwägungen sind durchaus interessant. Danach plant sie eine veränderte Richtlinie (zusammen mit einer reformierten E-Privacy-Richtlinie, vgl. schon Herr Dr. Spies, 2010 hier im Blog), in der die Nutzung der Vorratsdaten europaweit eingeschränkt wird in der Weise, wie sie auch das BVerfG (1 BvR 256/08 vom 2.3.2010) wohl akzeptieren würde.

Auszug (Interview Malmström):

Das größte Problem ist, dass die Mitgliedstaaten die Vorratsdatenspeicherung heute nicht nur zur Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität benutzen. Nach der sogenannten E-Privacy-Richtlinie können solche Daten auch für andere Zwecke verwendet werden, etwa zur Verbrechensvorbeugung oder zur Gewährleistung der öffentlichen Ordnung, was ein sehr vager Begriff ist. Deshalb müssen wir diese beiden Richtlinien zusammen überarbeiten. Für E-Privacy ist meine Kollegin Neelie Kroes zuständig. Wir werden das zusammen machen. Die Anwendung muss strikt auf Terrorismus und schwere Kriminalität beschränkt werden. Außerdem brauchen wir einen besseren Schutz, damit Hacker nicht an die Daten kommen, die ja bei den Telekommunikationsfirmen gespeichert werden, nicht beim Staat.

Auch die Speicherdauer soll verkürzt werden.

Allerdings dauere dies alles seine  Zeit - mindestens bis zum nächsten Jahr - , und bis dahin werde sie dennoch von Deutschland verlangen, die EU-Richtlinie umzusetzen, also eine gesetzliche Regelung zu erlassen, nochmal Malmström im FAZ-Interview:

In der EU machen wir zusammen Gesetze, und dann wenden wir sie an. Deutschland hatte nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zwei Jahre Zeit, eine neue Lösung zu finden. Wir waren sehr geduldig. Aber jetzt ist Deutschland das einzige Land, in dem die Richtlinie noch nicht umgesetzt wurde. Die Kommission kann da keine Ausnahme machen, wir verklagen auch andere Länder.

Eine Quick-Freeze-Lösung, wie sie von Leutheusser-Schnarrenberger für ausreichend angesehen wird, genüge nicht.

Nach diesem Interview hat man deutlich den Eindruck, dass es hier kaum eine Kompromisslinie gibt. Um eine gesetzliche Lösung, die der Entscheidung des BVerfG entspricht und zugleich zumindest der von Malmström avisierten "neuen" Richtlinie der EU, wird der deutsche Gesetzgeber kaum herumkommen, soll eine – erfolgreiche - Klage vermieden werden.

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3 Kommentare

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"Aber jetzt ist Deutschland das einzige Land, in dem die Richtlinie noch nicht umgesetzt wurde."

 

Entweder ist sie uninformiert - oder böswillig: Die RiLi zur VDS ist auch in Tschechien und Rumänien für Verfassungswidrig erklärt worden.

Aber das scheint mir auch wieder nur die übliche selektive Wahrnehmung von Politikern zu sein.

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Wer rechnet schon mit ausgewogenen Darstellungen von obersten EU-Bürokraten, erst recht mit einer so mangelnden Legitimation aber zugleich weitreichendem Einfluss der EU-Kommission, sieht so wirklich Demokratie aus?

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"In der EU machen wir zusammen Gesetze, und dann wenden wir sie an."

Das sagt die Frau Kommissarin so salopp. Doch das Gesetzgebungsverfahren zur RL 2006/24/EG war schon ein ganz außergewöhnliches: Das kürzeste der EU-Geschichte, gestützt aus taktischen Erwägungen auf die falsche Kompetenz.

Noch dazu unterschlägt Frau Kommissarin, dass die RL derzeit vor dem EuGH aufgrund einer Vorlage des Irish High Court auf ihre Gemeinschafts-Grundrechtskonformität hin überprüft wird. Deutschland brauch auf keinen Fall diese RL, die laut Kommission selbst mangelhaft ist, den Wettbewerb behindert und bei Betreibern zu hohen Kosten geführt hat, ganz zu schweigen von ihrer einschneidenden Wirkung auf die Freiheitsrechte der Bürger. Datenschutzbeauftragter der EU Peter Hustinx nennt sie nicht umsonst die am tiefsten in die Bürgerrechte der Unionsbürger einschneidende Maßnahme, die die EU jemals getroffen hat. Auch unser Datenschutzbeauftragter Peter Schaar hat erst neulich verlautbart, dass eine Umsetzung praktisch unmöglich ist, ohne die Verfassungsidentität der BRD zu untergraben.

Sehen Sie doch nur das eigene vernichtende Urteil der Kommission in ihrer Evaluierung zur Brauchbarkeit der VDS in KOM(2011), 255 endgültig, sowie die Ausarbeitungen und Studien unseres WD des BT, in denen das Fazit jeweils lautet, dass die RL nicht grundrechtskonform ist und kein Bedürfnis einer VDS besteht, da keine Schutzlücken drohen bzw entstanden sind.

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