BAG verurteilt ver.di zum Schadensersatz wegen rechtswidrigen Warnstreiks

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 20.06.2012

Das Bundesarbeitsgericht hat die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zum Schadensersatz verurteilt, weil die Gewerkschaft zu einem rechtswidrigen Warnstreik aufgerufen hatte. Die konkrete Höhe des der klagenden Arbeitgeberin entstandenen Schadens muss jetzt noch vom LAG Berlin-Brandenburg festgestellt werden.

Warnstreik von ver.di trotz Kenntnis vom Wechsel des Arbeitgebers in die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung

Geklagt hatte ein Unternehmen, das Verpackungen und Packungsbeilagen für Pharma-Produkte herstellt. Die Firma war bis zum 29.03.2009 tarifgebundenes Mitglied im Arbeitgeberverband Druck und Medien Hessen (VDMH). Mit Wirkung vom 30.03.2009 wechselte sie innerhalb des VDMH in eine sog. OT-Mitgliedschaft (Mitgliedschaft ohne Tarifbindung) und wurde zudem Mitglied im Arbeitgeberverband Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitender Unternehmen (VPU). Durch Schreiben des VPU vom 19.05.2009 und in einem Gespräch vom 22.05.2009, an dem u.a. der Geschäftsführer der Klägerin und Vertreter von ver.di teilnahmen, wurde ver.di über den Wechsel des Unternehmens von der ordentlichen in die OT-Mitgliedschaft unterrichtet. Trotzdem rief ver.di am 29.05.2009 die Beschäftigten der Klägerin zu einem Warnstreik zur Durchsetzung einer 5%-igen Lohnerhöhung in der Druckindustrie auf. Daran beteiligten sich alle gewerblichen Arbeitnehmer. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Warnstreik sei infolge ihres Statuswechsels rechtswidrig gewesen. Sie hat deshalb von ver.di Schadensersatz in Höhe von rund 35.000 Euro verlangt.

Klage erst in dritter Instanz erfolgreich

Das Arbeitsgericht und das LAG Berlin-Brandenburg hatten die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin war jetzt vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolgreich. Der Warnstreik war rechtswidrig und verpflichtet ver.di nach § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz: Wechselt ein Unternehmen während laufender Tarifvertragsverhandlungen innerhalb eines Arbeitgeberverbandes von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine solche ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) und informiert es die Gewerkschaft über diesen Statuswechsel, sind spätere gegen dieses Unternehmen gerichtete Arbeitskampfmaßnahmen zum Abschluss eines Verbandstarifvertrags unzulässig. Zum Zeitpunkt der Arbeitskampfmaßnahme gehörte die Klägerin dem Arbeitgeberverband VDMH nicht mehr als tarifgebundenes Mitglied an. Ihr vorheriger Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft war für ver.di hinreichend transparent und damit tarifrechtlich wirksam (BAG, Urt. vom 19.06.2012 - 1 AZR 775/10).

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1 Kommentar

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Tja, dumm gelaufen.

"... sind spätere gegen dieses Unternehmen gerichtete Arbeitskampfmaßnahmen zum Abschluss eines Verbandstarifvertrags unzulässig."

 

ver.di haette also vermutlich zwar warnstreiken dürfen, aber nur mit anderer Begründung:

"Weil ihr aus der Tarifbindung raus seid, wollen wir einen Haustarifvertrag."

(Die Mitgliedschaft im VPU ist nur dann relevant, wenn dieser einen Tarifvertrag mit ver.di hat, davon gehe ich nicht aus.)

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