BVerwG: Wertabschöpfung von Werbeeinnahmen durch Landesmedienanstalten bei rechtswidrigen Sendeinhalten

von Prof. Dr. Marc Liesching, veröffentlicht am 24.05.2012

Das BVerwG hat im gestrigen Urteil (vom 23. Mai 2012 - 6 C 22.11) entschieden, dass landesmediengesetzliche Regelungen zulässig sind, nach denen private Fernsehsender an die Landesmedienanstalt nach deren Verfügung Werbeeinnahmen abführen müssen, die sie für Sendungen vereinnahmt haben, welche die Landesmedienanstalt als rechtswidrig beanstandet.

Innerhalb der konkret von der Landesmedienanstalt mabb beanstandeten Fernsehsendung gab es einzelne Beiträge, die von der mabb wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen beanstandet worden waren. Zusätzlich hatte die Landesmedienanstalt aufgrund mediengesetzlicher Grundlage eine Abschöpfung der Werbeeinnahmen der gesamten Sendung in einer geschätzten Höhe im fünfstelligen Bereich verfügt.

Schon der 11. Senat des OVG Berlin – Brandenburg hatte im Urteil 02.12.2010 (Az. 11 B 35.08) die Auffassung vertreten, dass dies aufgrund der konkreten mediengesetzlichen Regelung zulässig sei. Die entsprechende Norm – aktuell § 58 Abs. 3 des Medienstaatsvertrages BE/BB – sehe nämlich vor, dass dem Veranstalter aufgegeben werden könne, „die durch Werbung im Zusammenhang mit der beanstandeten Sendung erzielten Entgelte an die Medienanstalt abzuführen“. Da diese Norm keinen Sanktionscharakter habe, sondern lediglich kondiktionsrechtlich Gewinne aus rechtswidrigen Handlungen abschöpfe, verstoße eine solche landesgesetzliche Regelung auch nicht gegen die nur dem Bund für das Strafrecht zustehende Gesetzgebungskompetenz. Dies wurde nun vom BVerwG ausweislich der Pressemiteilung bestätigt.

Allerdings ergeben sich an dem fehlenden Sanktionscharakter von Gewinnabschöpfungsregelungen dann Zweifel, wenn diese nicht auf die konkreten aus einer rechtswidrigen Tat erlangten Vorteile abstellen – so etwa in § 73 StGB, sondern sämtliche Werbeeinnahmen abschöpfen, welche mit der gesamten Sendung erzielt worden sind. Gerade dann, wenn sich Rechtsverstöße – v.a. im Bereich der vorrangig durch zivilrechtliches Ausgleichsrecht verfolgbare Persönlichkeitsrechtsverletzungen – nur aus einzelne, kurze Sequenzen einer Gesamtsendung ergeben, geht es über den Kondiktionsgedanken hinaus, nicht nur anteilig für die Rechtsverstöße innerhalb eines kurzen Beitrags, sondern vielmehr für die gesamte Sendung alle Werbeeinnahmen abzuschöpfen. Letzteres kommt dem Sanktionscharakter einer Geldstrafe doch sehr nahe.

Überdies bestehen in diesem Zusammenhang bezüglich der mediengesetzlichen Abschöpfungsregelung auch weniger Bedenken hinsichtlich der von den Gerichten verhandelten Bestimmtheit, als vielmehr mit Blick auf Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

In Bezug auf die genannten Aspekte ist bislang die Urteilsbegründung des OVG Berlin-Brandenburg nur an der Oberfläche geblieben. Es bleibt abzuwarten, ob die noch ausstehenden Entscheidungsgründe des BVerwG insoweit tiefer gehen.

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Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Abschöpfungsregelung war ein zentrales Thema in der mündlichen Verhandlung. Interessant, dass sich dieser Aspekt in der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts nicht widerspiegelt.

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