LSG Nordrhein-Westfalen: Zeitarbeitsfirmen müssen Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 15.05.2012

 

Bei zahlreichen Zeitarbeitsfirmen sind nach dem CGZP-Beschluss des BAG vom 14.12.2010 (NZA 2011, 289) Betriebsprüfungen durchgeführt wurden, um etwaige Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen geltend machen zu können. Diese sind auf die Differenz zwischen dem Entgelt der bei den jeweiligen Kunden beschäftigen vergleichbaren Stammarbeitnehmern und der von dem Zeitarbeitsunternehmen an die Beschäftigen gezahlten Vergütung gerichtet. Ob die betroffenen Unternehmen gegen den von dem jeweils zuständigen Rentenversicherungsträger erlassenen Nachforderungsbescheid einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können, ist unter den Sozialgerichten umstritten. Die erste zu diesem Komplex ergangene Eilentscheidung einer zweiten Instanz der Sozialgerichtsbarkeit stammt vom LSG Bayern (Beschluss vom 22. März 2012- L 5 R 138/12 B ER). Dieses hielt den Rentenversicherungsträger nach den auch in Betriebsprüfverfahren geltenden Regelungen des SGB X für verpflichtet, zuerst den früheren bestandskräftigen Prüfbescheid aufzuheben. Weil dies im zu entscheidenden Fall nicht erfolgt war, erachtete das LSG Bayern den neuen Prüfbescheid für den überschneidenden Zeitraum als rechtswidrig. In eine andere Richtung weist nun eine neue Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 13.5.2012, L 8 R 164/12 B ER – ebenfalls in einem Eilverfahren ergangen). Die Deutsche Rentenversicherung ist hiernach berechtigt, Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern. Der Grundsatz des „equal pay“ (gleicher Lohn für gleiche Arbeit) hätte – so das LSG - nur durch einen wirksamen Tarifvertrag außer Kraft gesetzt werden können. Ein solcher habe aber nicht vorgelegen. Zwar habe der „Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister“ (AMP) mit der „Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ (CGZP) einen Tarifvertrag geschlossen, aufgrund dessen Leiharbeitnehmer eine geringere Vergütung erhalten haben, als die Stammbelegschaften der Entleiher. Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte sei die CGZP jedoch nicht in der Lage gewesen, wirksame Tarifverträge abzuschließen. Daher sei jahrelang nicht nur zu geringer Lohn gezahlt worden, sondern auch die Sozialversicherungsträger hätten zu niedrige Beiträge erhalten. Diese könnten nun – bis zur Grenze der Verjährung – nachgefordert werden. Der Arbeitgeber könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Rentenversicherung in der Vergangenheit bereits Betriebsprüfungen durchgeführt und keine Beiträge aufgrund der Tarifunfähigkeit der CGZP nachgefordert habe. Denn Betriebsprüfungen hätten nur Stichprobencharakter. Sie seien dazu bestimmt Beitragsausfälle zu verhindern. Sie dienten jedoch nicht dazu, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm Entlastung zu erteilen. Der Arbeitgeber könne sich auch nicht darauf berufen, er habe auf die Rechtmäßigkeit des Tarifvertrages mit der CGZP vertraut. Es gibt – so das LSG - keinen Rechtsgrundsatz, wonach der gute Glaube an die Wirksamkeit eines Tarifvertrages oder die Tariffähigkeit einer Vereinigung geschützt ist. Eine endgültige Klärung wird hier wohl erst eine Revisionsentscheidung des BSG im Hauptsacheverfahren herbeiführen können – und das wird sicherlich noch geraume Zeit in Anspruch nehmen. Zwischenzeitlich ist noch eine weitere Entscheidung des LSG Hessen (vom 14.5.2012, AZ L 1 KR 95/12 B ER) hinzugekommen, das ebenfalls zu Gunsten des Sozialversicherungsträgers entschieden hat.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen