BGH: Keine ständigen Aufsichtsratsmitglieder mit beratender Funktion in einer dem MitbestG unterliegenden GmbH

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 13.05.2012
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtAufsichtsratMitbestimmungGmbHBGH|6803 Aufrufe

 

Die Besetzung von Aufsichtsräten ist generell ein heikles Thema. Noch schwieriger gestaltet sich diese Angelegenheit bei kommunalen Unternehmen, geht das Bestreben hier doch oftmals dahin, möglichst alle relevanten (politischen) Interessengruppen im Aufsichtsrat abzubilden. Das führt dann mitunter auch zu juristischen Auseinandersetzungen, für deren letztinstanzliche Entscheidung regelmäßig der BGH zuständig ist. Aber auch das BVerwG hat sich im vergangenen Jahr zu Wort gemeldet und sich mit der Weisungsgebundenheit von kommunalen Aufsichtsratsmitgliedern befasst (BVerwG Urteil vom 31.08.2011, NJW 2011, 3735 mit Anm. Altmeppen). Eine neuere Entscheidung des BGH (30.1.2012 BeckRS 2012, 04851), deren Entscheidungsgründe vor kurzem veröffentlicht worden sind, verhält sich zur Besetzung des Aufsichtsrats einer mitbestimmten Konzernobergesellschaft in Gestalt einer GmbH. Sie beherrscht eine Vielzahl von Tochterunternehmen, die insgesamt mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigten. Die GmbH meldete eine Satzungsänderung zur Eintragung in das Handelsregister an, nach der ihrem Aufsichtsrat zusätzlich zu 20 stimmberechtigten Mitgliedern „bis zu vier Mitglieder mit beratender Funktion“ angehören sollten. Diese Mitglieder sollten vom Rat der Stadt Essen entsandt werden. Das Registergericht hatte die Erweiterung als unzulässig beanstandet. Der BGH hat diesen Rechtsstandpunkt jetzt bestätigt. Folgende vom BGH angeführten Gründe sprechen in der Tat gegen die Zulässigkeit der Satzungsänderung:

·        Die Erweiterung des Aufsichtsrates auf 24 Mitglieder verstößt gegen § 7 MitbestG, demzufolge sich der Aufsichtsrat eines Unternehmens entsprechender Größe aus höchsten jeweils 10 Vertretern der Arbeitnehmer- und der Gesellschafterseite zusammensetzen. Diese Höchstgrenze wird im Einklang mit der ganz h.M. als zwingend eingestuft.

·        Ebenso verstößt die ständige Teilnahme lediglich beratender Aufsichtsratsmitglieder gegen § 109 Abs. 1 S. 2 AktG, wonach die Zuziehung von Sachverständigen nur ausnahmsweise zur Beratung über einzelne Gegenstände zulässig ist. Mit dieser Regelung sollen insbesondere die Arbeitsfähigkeit des Aufsichtsrates und die Erhaltung der Vertraulichkeit der Sitzungen gesichert werden. Die Vorschrift soll zudem verhindern, dass Personen, die keine Verantwortung für die Entscheidungen des Aufsichtsrates tragen, nennenswerte Einflussmöglichkeiten erhalten.

·        Da die Entsendung der beratenden Aufsichtsratsmitglieder nur der Gesellschafterin zustehen soll, verletzt die Regelung auch den Grundsatz der paritätischen Zusammensetzung des Aufsichtsrates gem. § 7 Abs. 1 MitbestG.

·        Letztendlich verstößt eine entsprechende Regelung gegen den § 107 AktG zu entnehmenden Grundsatz, dass alle Aufsichtsratsmitglieder die gleichen Rechte und Pflichte haben sollen.

Die Ausführungen des BGH dürften auf GmbHs mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern, die dem DrittelbeteiligungsG unterliegen und ebenfalls einen Aufsichtsrat bilden, übertragbar sein. Offen gelassen hat der BGH, ob dasselbe auch für GmbHs gilt, die nicht dem Mitbestimmungsrecht unterliegen, einen Aufsichtsrat jedoch freiwillig einrichten. Da die vom BGH entwickelte Argumentation nur teilweise spezifisch mitbestimmungsrechtlich geprägt ist und ansonsten auf gesellschaftsrechtliche Grundsätze abhebt, dürften einer entsprechenden Erweiterung des (fakultativen) Aufsichtsrats ebenfalls durchgreifende Bedenken entgegenstehen.

 

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