Wer einer lesbischen Frau zur Therapie rät, ist befangen

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 08.05.2012

Nach Trennung und Scheidung hatte die Mutter ihr „Coming Out“ und wandte sich einer anderen Frau zu.

Das Umgangsrecht des Vaters mit der Tochter lief in den Anfangsjahren problemlos. Anlässlich eines vereinbarten Umgangstermins im Dezember 2010 weigerte sich jedoch die Tochter dann, mit ihrem Vater mitzukommen.

Das FamGericht setzte den Umgang aus und ordnete die Einholung eines Sachverständigengutachtens an.

Der Sachverständige führt in seinem Gutachten wörtlich aus:

„Gerade in diesem Fall stellt sich die Frage, ob nicht eine isolierte Therapie der Kindesmutter, um der Kindesmutter zu ermöglichen, eine ausreichende Selbstkongruenz (z. B. zu ihrer sexuellen Ausrichtung) zu finden und die Paarebene mit dem Kindesvater zu verlassen, sinnvoller sei.“

 

Ergebnis: Erfolgreicher Befangenheitsantrag der Mutter.

Das KG:

Grundsätzlich ist es auch Aufgabe eines Sachverständigen in Verfahren vorliegender Art nach möglichen Ursachen für bestimmte Verhaltensweisen, soweit sie für den Gutachterauftrag von Bedeutung sind, zu erforschen, diese zu benennen und gleichzeitig auch Möglichkeiten darzulegen, wie diese Verhaltensweisen geändert werden können. Entscheidend ist immer, dass ein Bezug zu dem Gutachtenauftrag besteht. Der Sachverständige sollte vorliegend feststellen, welche Umgangsregelung im Interesse des Kindes ist. Die Mutter hat sich nach der Trennung vom Vater einer anderen Frau zugewandt und lebt mit dieser zusammen. Diese Beziehung ist nach den Feststellungen des Sachverständigen weder für das Kind noch für den Vater problematisch, wobei letzteres auf einer Einschätzung des Sachverständigen beruht. Dass die Beziehung für die Mutter schwierig ist, kann dem Gutachten nicht entnommen werden. Gleichwohl thematisiert der Gutachter diese Beziehung im Rahmen einer Umgangsregelung im Kindesinteresse dahingehend, dass er meint, dass eine Therapie der Mutter u. a. wegen ihrer sexuellen Ausrichtung angeraten sei, damit sie die Paarebene verlassen könne. Dies begründet er anscheinend damit, dass die Mutter meine, dass der Vater dieser Beziehung nicht wohlwollend gegenüber stehe, was auf Schwierigkeiten mit ihrer eigenen sexuellen Ausrichtung in dem Sinne hindeute, dass sie erkennen müsse, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen etwas Normales seien. Mit dieser Bewertung und Empfehlung hat der Sachverständige seinen Gutachtenauftrag überschritten. Die Beschäftigung mit der Sexualität der Mutter lässt jeglichen Zusammenhang mit der Frage der Umgangsregelung im vorliegenden Fall vermissen. Es ist daher auch nicht erkennbar, weshalb es für eine Regelung des Umgangs erforderlich ist, dass sich die Mutter in einer ihr vom Sachverständigen empfohlenen Therapie mit ihrer eigenen Sexualität und ihrem Selbstverständnis hierzu befasst. Der Sachverständige hat mit dieser Therapieempfehlung sich deutlich von seinem Gutachterauftrag gelöst. Dies begründet nicht nur aus Sicht der Mutter, sondern auch aus der eines unbeteiligten Dritten die Besorgnis, dass der Sachverständige ihr gegenüber nicht mehr über eine un-parteiische Einstellung verfügt hat, wobei es - wie ausgeführt - unerheblich ist, ob der Sachverständige tatsächlich gegenüber der Mutter parteilich gewesen ist.

KG v. 25.10.2011 - 13 WF 195/11

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1 Kommentar

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Ist denn überliefert, weshalb die Tochter der lesbischen Mutter nun keinen Umgang zu dem Vater mehr wünschte, wurde sie nun auch lesbisch?

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