Vollmachtstricks: Außergerichtliche Vollmacht?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 05.05.2012
Rechtsgebiete: VollmachtStrafrechtVerkehrsrecht3|16023 Aufrufe

Die so genannten Vollmachtstricks (eigentlich sind es ja gar keine) sind immer wieder für Rechtsprechung gut. Hierbei geht es in der Regel darum, dass beschränkte Vollmachten vorgelegt werden, was zu nicht wirksamen Zustellungen und dann auch zu einer Verjährung in OWi-Sachen führen könnte/sollte. Einer der Fälle ist die "außergerichtliche Vollmacht". Diese sah hier so aus:

 

Die Vollmacht ermächtigt insbesondere

1. zu außergerichtlichen Verhandlungen aller Art

2. zum Abschluss eines Vergleichs oder einer sonstigen Einigung zur Vermeidung eines Rechtsstreits

3. zur Begründung oder Aufhebung von Vertragsverhältnissen, zur Abgabe und Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen (z. B. Kündigungen)

4. in Unfallsachen zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen Schädiger, Fahrzeughalter und deren Versicherer

5. zur Stellung von Strafantragen sowie zu deren Rücknahme

6. zur Akteneinsicht

7. es wird gebeten, Bußgeldbescheide direkt an den Betroffenen zuzustellen

8. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Bevollmächtigte für die Zustellung von Bußgeldbescheiden im Original ausdrücklich nicht ermächtigt ist. Erbeten wird eine Kopie oder Abschrift der Bescheide.

 

Das KG ( KG: Beschluss vom 17.10.2011 - 3 Ws (B) 144/11 - 2 Ss 68/11    BeckRS 2012, 04589) hierzu:

 

Mit der Rechtsbeschwerde wird gerügt, Rechtsanwalt Sch. sei, wie sich aus der zu den Akten gereichten Vollmacht ergebe, nicht zur Entgegennahme von Zustellungen für den Betroffenen ermächtigt gewesen. Der Erlass des Bußgeldbescheides habe daher die Verjährungsfrist nicht nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen, weil dieser nicht innerhalb von zwei Wochen nach Erlass wirksam zugestellt worden sei. Mithin sei nach Ablauf von drei Monaten nach Anhörung des Betroffenen mangels weiterer die Verjährung unterbrechender Handlungen Verfolgungsverjährung eingetreten. Bei Eingang der Akten beim Amtsgericht sei die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit daher bereits verjährt gewesen.

Diese Ansicht trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Die Zustellung des Bußgeldbescheides an Rechtsanwalt Sch. war entgegen der in der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht wirksam. Rechtsanwalt Sch., der sich für den Betroffenen bei der Bußgeldbehörde gemeldet hat, war Verteidiger im Sinne von § 51 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 OWiG und damit kraft Gesetzes zur Empfangnahme von Zustellungen ermächtigt. Der Erlass des Bußgeldbescheides und dessen ordnungsgemäße Zustellung innerhalb von zwei Wochen nach Erlass (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG) haben daher die bis dahin dreimonatige Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3 1. Alt. StVG) wirksam mit der Folge unterbrochen, dass die Verjährungszeit danach sechs Monate betrug (§ 26 Abs. 3 2. Alt. StVG).

Der Senat bejaht, abweichend von ähnlich gelagerten Fällen einer außergerichtlichen Vollmacht, die den Entscheidungen des OLG Hamm (DAR 2004, 105), des Brandenburgischen OLG (ZfS 2005, 571) und des Senats (VRS 112, 475) zugrunde lagen, das Vorliegen eines Verteidigungsverhältnisses und einer Verteidigervollmacht. Zwar ist weder dem Schriftsatz, mit dem sich Rechtsanwalt Sch. für den Betroffenen gemeldet hat, noch der beigefügten Vollmacht ausdrücklich zu entnehmen, dass Rechtsanwalt Sch. sich bei der Verwaltungsbehörde als Verteidiger des Betroffenen gemeldet hat. Ob eine Verteidigervollmacht besteht, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Bevollmächtigung bedarf dabei keiner bestimmten Formulierung. Unabhängig davon, ob die Formulierung „Verteidigung“ im Einzelfall gebraucht wird, ist aus den äußeren Umständen, insbesondere aus den Willensbekundungen, den Betroffenen zu vertreten, zu beurteilen, ob ein Verteidigerverhältnis vorliegt (vgl. OLG Brandenburg, VRS 113, 434).

Deshalb ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob aus der Gesamtheit der erkennbaren Umstände auf das Vorliegen einer Verteidigervollmacht geschlossen werden kann. Allein die Bezeichnung „Außergerichtliche Vollmacht“ spricht dabei nicht gegen die Stellung eines Verteidigers. Denn ein solcher kann, wie sich insbesondere aus § 51 Abs. 3 OWiG ergibt, auch schon im (noch) außergerichtlichen Verfahren vor der Verwaltungsbehörde für den Betroffenen tätig werden. Die diesbezügliche Formulierung stellt daher lediglich eine Beschränkung auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt dar (vgl. Senat, Beschluss vom 30. März 2009 - 3 Ws (B) 52/09).

Aus dem Wortlaut der Vollmacht ergibt sich, dass diese nicht nur auf die in dem begleitenden Schriftsatz allein ausdrücklich beantragte Akteneinsicht beschränkt war, sondern den Rechtsanwalt umfassend zur Vertretung des Betroffenen in der bezeichneten Angelegenheit, nämlich dem unter dem angegebenen Aktenzeichen gegen den Betroffenen anhängigen Bußgeldverfahren, bevollmächtigte. Dafür sprechen schon die diversen (beispielhaft) ausdrücklich aufgeführten Befugnisse des Rechtsanwalts wie außergerichtliche Verhandlungen aller Art, Abgabe und Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen sowie die Beantragung von Akteneinsicht für den Betroffenen. Dem Gesamtzusammenhang dieser Umstände ist eindeutig zu entnehmen, dass Rechtsanwalt Sch. den Betroffenen im Bußgeldverfahren als Verteidiger vertreten sollte und wollte.

Ferner sind über den Wortlaut der eingereichten Vollmacht hinaus bei der Frage, ob ein Verteidigungsverhältnis vorliegt, auch die Gesamtumstände des Auftretens eines Rechtsanwaltes für den Betroffenen zu berücksichtigen (vgl. Thüringer OLG, VRS 112, 360). Anhaltspunkte dafür, dass Rechtsanwalt Sch. andere Interessen des Betroffenen als gerade dessen Verteidigung wahrnehmen sollte und wollte, sind nicht ersichtlich. Sein Mandant war als Betroffener angehört worden und ihm drohte neben einer Geldbuße die Verhängung eines Regelfahrverbots. Ein Unfallgeschehen, bei dem etwa die Vertretung des Betroffenen gegen Dritte in Betracht gekommen wäre, lag nicht vor. Es bestand daher kein sinnvoller Grund für die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Wahrnehmung „außergerichtlicher“ Angelegenheiten, die nicht die Verteidigung des Betroffenen im Verfahren gegenüber der Bußgeldbehörde umfassen sollten. Entsprechend gestaltete sich auch das Vorgehen von Rechtsanwalt Sch. eindeutig als Verteidigerverhalten. Er nahm zunächst Akteneinsicht, nahm die Zustellung des Bußgeldbescheides an ihn hin, ohne etwa auf ein nicht vorhandenes Verteidigerverhältnis hinzuweisen, legte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein, bat um ergänzende Akteneinsicht zur Einspruchsbegründung und beantragte alsdann die Beiziehung der Lebensakte des benutzen Geschwindigkeitsmessgerätes, um für den Betroffenen zu prüfen, ob Eichungen und Wartungsarbeiten in regelmäßigen Abständen vorgenommen worden sind. All dies stellt nicht nur typisches Verteidigerverhalten dar, sondern diente auch ersichtlich ausschließlich dem Zweck der Verteidigung des Betroffenen in dem Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde. Rechtsanwalt Sch. trat ferner ohne Anzeige einer etwaigen Veränderung des Mandats aufgrund der ihm erteilten ursprünglichen Vollmacht auch im gerichtlichen Verfahren als Verteidiger des Betroffenen auf. Auch die Rechtsbeschwerde selber zieht nicht in Zweifel, dass Rechtsanwalt Sch. schon im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde als Verteidiger von dem Betroffenen beauftragt worden und als solcher aufgetreten ist. Dazu wird sinngemäß ausgeführt, dass eine so genannte „Verjährungsfalle“ schon deswegen ausscheide, weil der Verteidiger ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass er zum Empfang von Bußgeldbescheiden - wie in der Vollmacht unter Nr. 8 ausgeführt - nicht berechtigt sei. Nach alledem bestehen beim Senat keine Zweifel, dass Rechtsanwalt Sch. von Anfang an Verteidiger des Betroffenen und nur der rechtsirrigen Ansicht war, er könne auch als solcher durch einen entsprechenden Passus in der zu den Akten gereichten Vollmacht gleichwohl entgegen § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG seine kraft Gesetzes bestehende Zustellungsvollmacht für den Betroffenen ausschließen. Ein solcher Ausschluss ist aber nicht möglich, solange das Verteidigungsverhältnis besteht (vgl. OLG Dresden, DAR 2005, 572; Seitz in Göhler, OWiG 15. Aufl., § 51 Rdn. 44 a m. N.).

 

 

Wer sich für derartige Probleme vertieft interessiert, der sollte mal im VollMachtsBlog nachsehen, dem einzig echt amtlichen Blog  rund ums Thema "Vollmacht". 

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3 Kommentare

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Hinweis: Bin kein Wortklauber, Pixelkrämer oder Rechtsanwalt: Aber im Beschluss kommt noch der Klarname von Herr Sch. vor...

 

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Der Vollmachtsblog hat seine Arbeit doch schon seit geraumer Zeit eingestellt.

 

Vielleicht ist der dortige Verfasser mit dem Frisieren neuer Vollmachtsurkunden beschäftigt.

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