Kündigung, weil andere Arbeitnehmer mit Eigenkündigung drohen?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 03.05.2012
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtAuflösungsantragDruckkündigung1|8939 Aufrufe

Da herrscht ja ein tolles Betriebsklima: Der Kläger war als Vertriebsingenieur bei der Beklagten tätig. Im Februar 2011 kündigte die Arbeitgeberin mit der Begründung, zwei eng mit dem Kläger zusammenarbeitende Arbeitskollegen aus dem Vertrieb, die für hohen Umsatz sorgten, hätten gedroht, bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers selbst zu kündigen.

Druckkündigung bedarf konkreter Darlegungen ...

Die Kündigungsschutzklage hatte sowohl in erster Instanz als auch vor dem LAG Schleswig-Holstein Erfolg (Urt. vom 20.03.2012 - 2 Sa 331/11): Wenn der Arbeitgeber sich zur Begründung seiner Kündigung auf eine Drucksituation berufe, müsse er im Einzelnen darlegen, welche konkreten Maßnahmen er ergriffen habe, um die Drucksituation in den Griff zu bekommen. Der Hinweis auf allgemeine Gespräche reiche nicht aus.

... kann aber ausnahmsweise gerechtfertigt sein.

Allgemein gilt: Das bloße – objektiv nicht gerechtfertigte – Verlangen Dritter, einem bestimmten Arbeitnehmer zu kündigen, ist für sich genommen nicht ohne weiteres geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen (BAG, Urt. vom 19.06.1986 - 2 AZR 563/85, NZA 1987, 21; Urt. vom 31.1.1996 - 2 AZR 185/95, NZA 1996, 581). Grundsätzlich hat der Arbeitgeber sich schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen und alles ihm Zumutbare zu versuchen, um Dritte von deren Drohung abzubringen (ArbG Hamburg, Urt. vom 23.2.2005 - 18 Ca 131/04, NZA-RR 2005, 306). Nur dann, wenn diese Versuche des Arbeitgebers keinen Erfolg haben, die Belegschaft also beispielsweise ernsthaft die Zusammenarbeit mit dem betroffenen Arbeitnehmer verweigert, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein.

Auflösungsantrag erfolgreich

Wegen anderer Unstimmigkeiten im Arbeitsverhältnis hat das Gericht im konkreten Einzelfall das Arbeitsverhältnis jedoch auf Antrag der Arbeitgeberin gem. §§ 9, 10 KSchG aufgelöst.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

Die Druckkündigung kommt nur in einer arbeitsrechtlichen Grenzsituation in Betracht:

Sie setzt voraus, dass der Druck auf den Arbeitgeber durch Dritte (hier: andere Arbeitnehmer) massiv und existenzbedrohend ist. Das befürchtete Ausscheiden umsatzstarker Mitarbeiter reicht dafür keineswegs aus.

Weiter ist erforderlich, dass der Arbeitgeber alles in seiner Macht Stehende unternimmt, um die Druckausübenden von ihrer Drohung abzubringen: Der Arbeitgeber muss ernsthaft versuchen, in dem Konflikt zu vermitteln; er hat sich schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen.

Außerdem haben mildere Mittel Vorrang: Ist eine Versetzng oder eine Änderungskündigung möglich, scheidet die Druckkündigung per se aus. All dies ist durch den Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess vorzutragen.

Entgegen der Ansicht des BAG (Urt. vom 04.10.1990 - 2 AZR 201/90, NZA 1991, 468) ist eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers als Wirksamkeitsvoraussetzung der Druckkündigung zu fordern: Vergleichbar der Situation bei der Verdachtskündigung ist der Arbeitgeber auch hier zu einer vollständigen Aufklärung der Ursachen des Drucks verpflichtet, um kompetent moderieren bzw. abgestuft reagieren zu können. Allein auf diesem Weg kann dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden ultima-ratio-Prinzip Genüge getan werden.

  

3

Kommentar hinzufügen