Kollektiver Rechtsschutz im Kartellrecht: UK auf der Überholspur

von Dr. Rolf Hempel, veröffentlicht am 25.04.2012

Es gibt Neuigkeiten zu einem meiner Lieblingsthemen – zum kollektiven Rechtsschutz im Kartellrecht. Ich hatte ja schon gelegentlich zu den verschiedenen Entwicklungen auf EU-Ebene und in Deutschland berichtet (zuletzt vgl. hier).

Ihrer Majestät Department for Business Innovation & Skills (BIS) bereichert die heiße Diskussion in Europa jetzt mit einer gestern eingeleiteten Konsultation zum privaten Rechtsschutz im Kartellrecht mit einigen heißen Vorschlägen.

Zum Thema des kollektiven Rechtsschutzes schlägt BIS im Konsultationspapier die Einführung einer opt-out class action vor und nimmt damit die Gegenposition zur in den Organen der EU und vielen Mitgliedstaaten herrschenden Meinung ein. Dort werden opt-out class actions jedenfalls nicht als erstrebenswerte "business innovation" angesehen, sondern eher als Frankenstein-Monster.

Offensichtlich möchte sich das Vereinigte Königreich im europäischen Wettbewerb um den Cartel Plaintiff Choice Award für das klägerfreundlichste Forum in der EU ein Alleinstellungsmerkmal verschaffen. Schon jetzt konkurrieren in Europa die englischen und die deutschen Gerichte um die Gunst der Kartellschadensersatzkläger.  

Die Konsultation läuft bis 24.07.2012.

 

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2 Kommentare

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Das Papier enthält über den kollektiven Rechtschutz hinausgehend natürlich auch noch weitere interessante Anregungen, die private Schadensersatzklagen insgesamt erleichtern sollen (dazu gestern Peyer). Sie betreffen u. a. Anreize für die Parteien, sich schnell im Vergleichsweg zu einigen, das Beweisproblem hinsichtlich der Höhe des kartellbedingten Preisaufschlags sowie die "Stadtwerke Uelzen"-Problematik:

- "Calderbank Offers" (vgl. Part 36 der Civil Procedure Rules): Macht der Beklagte im Verfahren ein Vergleichsangebot, das der Kläger ablehnt, und geht der im endgültigen Urteil zugesprochene Schadensersatz nicht über das Calderbank-Angebot (benannt nach Calderbank v Calderbank [1975] 2 All ER 333) hinaus, so kann der Beklagte mit Rücksicht auf sein Vergleichsangebot verlangen, dass die nach dem Zeitpunkt der Ablehnung des Angebots noch entstandenen Kosten dem (im Übrigen siegreichen) Kläger auferlegt werden.

- Vermutungsregel betreffend die Höhe einer kartellbedingten Preisüberhöhung (20 Prozent).

- Verhältnis von behördlicher und privater Durchsetzung: Das Papier diskutiert eingehend die Frage, ob die Rolle des OFT dahingehend gestärkt werden sollte, dass es neben einem Bußgeld zusätzlich Abhilfemaßnahmen soll anordnen können, die den von den Kartellgeschädigten erlittenen Schaden kompensieren. Der BGH hatte eine entsprechende Kompetenz des Bundeskartellamts in einem obiter dictum zum Stadtwerke Uelzen-Beschluss bejaht. Im Referentenentwurf zur 8. GWB-Novelle ist mit dem neuen § 32 Absatz 2a GWB-Entw. jetzt eine ausdrückliche Regelung in diesem Sinne vorgesehen. Das BIS zeigt sich hier sehr kritisch. Es hat Angst vor einer Überlastung des OFT sowie vor etwaigen (Dritt-)Klagen enttäuschter Kartellgeschädigter, die mit der vom OFT vorgegebenen Entschädigung unzufrieden sind. Der mögliche Kompromiss: Das OFT kann den Verletzer verpflichten, ein Verfahren zur Wiedergutmachung der verursachten Schäden ins Werk zu setzen.

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