LAG Hessen: Fristlose Kündigung wegen privater Nutzung des Diensthandys

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 03.04.2012

Der Kläger ist seit 1985 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt, zuletzt als Hubwagenfahrer (rund 3.000 Euro brutto). Zu dienstlichen Zwecken hat die Arbeitgeberin ihm ein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt. Bei der Entgegennahme des Geräts unterschrieb der Kläger folgenden vorgedruckten Text:

„Bitte beachten Sie, dass die Weitergabe des Handys an Dritte nicht zulässig ist. Die o.g. Telefon-Nr. ist nur für die dienstliche Verwendung vorgesehen. Für private Gespräche ist die private DuoBill Pin-Nr. zu verwenden“.

Während eines Urlaubs im Februar 2012 verursachte der Kläger durch private Telefonate aus dem Ausland Gesprächskosten in Höhe von fast 1.000 Euro, die er über die dienstliche Telefonnummer geführt hatte. Eine Überprüfung ergab, dass der Kläger auch schon früher in größerem Umfang private Telefonate über die dienstliche Nummer statt über die "DuoBill"-Nummer geführt hatte. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich.

Das Hessische LAG hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen (Urt. vom 25.07.0201117 Sa 153/11, NZA-RR 2012, 76): Die missbräuchliche Nutzung des Mobiltelefons rechtfertige im konkreten Fall eine außerordentliche Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) auch ohne vorherige Abmahnung. Der Kläger habe nicht schon auf Grund des Verhaltens der Beklagten in der Vergangenheit davon ausgehen dürfen, diese dulde die Privatnutzung des Diensthandys im Dienstmodus und die Führung privater Telefonate im Ausland auf ihre Kosten. Unterbliebene oder verzögerte Kontrolle allein führe nicht zum Abmahnungserfordernis. Jeder Arbeitnehmer habe sich so zu verhalten, dass es um seinetwillen einer Kontrolle nicht bedarf. Offen bleiben könne, ob es der Beklagten technisch möglich gewesen wäre, die Nutzung bestimmter Funktionen im Dienstmodus zu verhindern. Der Kläger habe nicht erwarten können, technisch etwa verhinderbarer Missbrauch werde geduldet oder aber von der Beklagten noch nicht als schwerer und das Vertragsverhältnis gefährdender Pflichtverstoß angesehen.

 

 

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Der Lesefluss stockte unwillkürlich, als ich im Urteil auf folgenden Gedankengang zur hier ausgesprochenen Verdachtskündigung stieß:

Der Arbeitnehmer wandte ein, er habe wegen Ähnlichkeit der Ziffernfolge bei den PINs die Auslandsgespräche nur aus Versehen auf dienstliche Rechnung geführt. Dazu sagt das LAG, dass dem Arbeitnehmer, wenn das stimmen sollte, auf seiner privaten Mobilfunkrechnung das Fehlen der teuren Auslandsgespräche hätte auffallen müssen. In einem solchen Fall hätte er nachträglich Meldung machen müssen. Dieses habe er aber unterlassen. Das sei aber naütrlich kein vom LAG geschaffener Kündigungsgrund anstelle des Grundes, dessentwegen die Kündigung ausgesprochen wurde, sondern widerlege die Behauptung des Arbeitnehmers, nur aus Versehen gehandelt zu haben. Die Auslandsgespräche seien daher vorsätzlich im Dienstmodus geführt worden.

Ist das nicht ein Verstoß gegen Denkgesetze? Ob dem Arbeitnehmer - ein Versehen beim Telefonieren einmal angenommen - später das Fehlen der teuren Auslandsgespräche auf der privaten Mobilfunkrechnung auffiel oder nicht, kann das LAG doch nicht wissen. Es kann ebenso nicht wissen, ob der Arbeitnehmer eine nachträgliche Meldung der Telefonate dann vorgenommen hätte, wenn er - ein Versehen beim Telefonieren abermals angenommen - das Fehlen der entsprechenden Rechnungsposten auf seiner privaten Rechnung bemerkt hätte. Das ist also eine Gleichung mit mehreren Unbekannten. Das LAG zieht daraus den (Trug?-)Schluss: Wer versehentlich den Betriebsmodus einschaltet, dem fällt dieses Versehen später auf. Sobald jemandem dieses Versehen auffällt, meldet er es nachträglich seinem Arbeitgeber. Es liegt aber keine Meldung beim Arbeitgeber vor. Also müssen die Gespräche vorsätzlich geführt worden sein.  - Etwas zugespitzt müsste ich mit dieser Logik auf eine an der Kasse begangene Vorsatztat eines Supermarktkunden schileßen dürfen, der zu Hause merkt, dass er zu viel Wechselgeld zurückbekam, es aber nicht zurückbringt. Oder aus einer von einem Unfallflüchtigen begangenen fahrlässigen Körperverletzung eine vorsätzliche machen mit der "Begründung", ein Fahrlässigkeitstäter hätte sich nicht entfernt, sondern Hilfe geleistet.

 

 

 

 

 

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