OVG Münster: E-Zigaretten sind keine Arzneimittel, sondern Genussmittel

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 28.03.2012

Nach einem Bericht auf presseportal.de hat das OVG Münster am 20.3.2012 im Vorfeld eines Eilverfahrens dem Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter in Nordrhein-Westfalen den rechtlichen Hinweis erteilt, dass die "Warnung" des Ministeriums vor E-Zigaretten in der Pressemitteilung vom 16.12.2011 sowie der Erlass des Ministeriums an die nachgeordneten Behörden rechtswidrig sei (s. dazu im Einzelnen hier). Konkret geht es um die E-Zigarette SNOKE®, bei der es sich nach Ansicht des OVG nun doch nicht um ein Arzneimittel, sondern um ein Genussmittel handeln soll.

 

Man kann gespannt sein, wie das OVG diese Auffassung begründen wird. Im Arzneimittelrecht gibt es nämlich die Katogorie "Genussmittel" bislang nicht.

 

Es bleibt dabei: Eine höchst umstrittene Rechtsfrage, bei der das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen ist.

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32 Kommentare

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" Man kann gespannt sein, wie das OVG diese Auffassung begründen wird. Im Arzneimittelrecht gibt es nämlich die Katogorie "Genussmittel" bislang nicht.  " " "   "2  "

 

Hr. Patzak - man muß da nicht gespannt sein, der gesunde Menschenverstand genügt gegen Lobbyisten, Prediger der Enthaltsamkeit und eine steuerorientierte Legislative und deren willfährige Exekutive :

Ein Genußmittel gehört nicht in die Apotheke. Und weil die E- Zigarette eines ist, hat sie dort nichts zu suchen. Sehen Sie - war doch nicht schwer, oder ?

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So wie ich das sehe sind Sie ein Gegner der e-Zigarette, auch aufgrund Ihres letzten Blogs. Schade, Objektivität und Unvoreingenommenheit ist halt wichtig wenn man einen Blog in diesem Rahmen erstellt. So ist dieser Blog nicht ernst zu nehmen.

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Wie bitte? Genussmittel gibt es nicht im Arzneimittelrecht?
Herr Patzak, sie sind Staatsanwalt und ich bin erstaunt, dass sie nicht verstanden haben, dass man hier von zwei Kategorien spricht, die nebeneinander stehen und das eine keine Unterkategorie vom anderen ist...
Zumal: Sie äußern sich öffentlich eindeutig parteiisch, was mir ziemlich befangen aussieht.

Wenn sie das überall so handhaben, sind ihre Urteile nicht das, was sie zwingend sein müssen.

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Sehr geehrter Herr Patzak,

ein Mensch mit Ihrer Bildung und Beruf sollte zwingendst eine proffesionelle Objektivität aufweisen.

Das einzige was hier höchst umstritten ist, ist der Umgang und die Willkür mancher Behörden und Politiker/inen mit mündigen Bürgern.

 

Mit bestem Gruß

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(zitat)Konkret geht es um die E-Zigarette SNOKE®(zitat ende)

 

Es geht nicht um die E-Zigarette SNOKE® sondern um den Erlass vom 16.12.2012 Sie als Staatsanwalt sollten das doch richtig Lesen können.

Da die Pressemeldung von Snoke erstellt wurde ist es doch ganz logisch das es Werbewirksam von der Firma erstellt wird.

 

Alles Wichtige steht oberhalb in der Pressemeldung und nur das ist Relevant

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Selbstverständlich gigt es den Begriff "Genussmittel" im Arzneimittelrecht nicht. Genussmittel wie Alkohol, Kaffee und jetzt wohl auch nikotinhaltige Liquids fallen unter das Lebensmittelrecht, sie sind aber keine eigenständige Kategorie. Das sollten Sie als Volljurist doch eigentlich wissen...

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Man sollte es auch mal von der Seite betrachten, dass es unsinnig im Sinne der Volksgesundheit ist, dem Raucher eine Alternative vorzuenthalten, die ihn möglicherweise zu einem Umstieg weg von der Giftlast der normalen Zigarette bringt. Natürlich ist zu bedenken, dass Sicherheitsvorkehrungen vorhanden sein müssen - wie sie auch bei Haushaltsreinigern mit leckeren Zitronen auf der Abbildung zwingend vorhanden sein müss(t)en. Doch Hürden aufzubauen, um ein Produkt aus dem freien Warenverkehr herauszuhalten und damit eine geringere Umsteigerrate zu provozieren (durch höhere Kosten, lange Nichtverfügbarkeit wg.Zulassung, geringere Dichte der Verkaufsstellen, Apothekenimage) schadet allen, denn die Menge des Passivrauchs, der Lungenkrebstoten etc. wird dadurch nicht in dem Maße geringer, wie es bei freier Verfügbarkeit der Fall sein würde.

Moralisch ist es für mich ein Problem, dass genau jene, die angeblich die Gesundheit fördern wollen und an der Krankheit verdienen, dieses Genussmittel in ihren Krallen haben wollen. Ein Arzneimittel ist, was Krankheiten heilt und eine Einstufung der E-Zigarette als Arzneimittel wäre ebenso unsinnig, wie Knoblauchkapseln, grüner Tee, Muskat oder Koffein als selbiges. Ich bin froh, dass wenigstens die Gerichte diese Ansicht teilen und nicht ebenfalls auf reine Polemik setzen wie es in Politik und Zeitungen der Fall ist.

 

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1. Es ist nicht meine Absicht, Verbraucher von E-Zigaretten zu kriminalisieren. Es geht schlicht und einfach um die Auslegung des Arzneimittelgesetzes. Und ich komme halt - wie viele andere auch - zum Ergebnis, dass das AMG auf E-Zigaretten Anwendung findet. Ob mir das gefällt oder nicht, habe ich zu keinem Zeitpunkt gesagt!

 

2. Ich bin mir bewusst, dass ich aus einer Presseerklärung zitiert habe (siehe auch http://blog.beck.de/2012/03/28/ovg-muenster-e-zigaretten-sind-keine-arzneimittel-sondern-genussmittel). Sollte das OVG tatsächlich den Begriff "Genussmittel" verwendet haben, wäre das deshalb spannend, weil "Genussmittel" nicht zum Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 3 AMG zählen. Dort sind z.B. 

- Lebensmittel,

- kosmetische Mittel,

- Tabakerzeugnisse (hierzu dürften E-Zigaretten nicht gehören, vgl. Volkmer Pharma 2012, 11)

aufgezählt. Worunter subsumiert nun das OVG die E-Zigaretten?

Auch hier geht es um die Auslegung des AMG. Kommt man zum Ergebnis, dass E-Zigaretten dem Arzneimittelbegriff unterfallen und kein Ausschlusstatbestand nach § 2 Abs. 3 AMG vorliegt, ist die Folge zwingend. Dann wäre es Aufgabe des Gesetzgebers, das zu ändern!

Sehr geehrter Herr Patzak,

 

berufen wir uns doch einfach auf geltendes EU-Recht und schon ist das Thema erledigt :)

Ein einzelner Staat hat sich nicht darüber hinwegzusetzen.

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Sehr geehrter Herr Patzak,

Sie schreiben:

.....Und ich komme halt - wie viele andere auch - zum Ergebnis, dass das AMG auf E-Zigaretten Anwendung findet.........

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie Ihr Ergebnis näher erläutern würden.

Hat die sogenannte E-Zigarette für Sie eine heilende Wirkung?

Vielen Dank im Voraus.

 

Mit bestem Gruß

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Das Oberverwaltungsgericht Münster betrachtet die E-Zigaretten als Genussmittel - und nicht wie Steffens als Arzneimittel. Damit wäre dem Verbot die Grundlage entzogen.Nur soviel zur :Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse." Wer ein Genußmittel zum Arzneimittel erklärt, um taktische Ziele zu verfolgen, mißbraucht seine Macht und seinen Verstand. Wäre die E-Zigarette ein "Arzneimittel", so wäre *selbstverständlich* die normale Zigarette auch eines. Im weiteren Sinne der Cognac auch, usw. usw. Die Konsequenzen wären absurd. Solche Tricksereien, Winkelzüge und Taschenspielertricks im öffentlichen Raum disqualifizieren denjenigen für sein Amt, genauso wie ein Aufsatz mit schlechter Argumentation eine schlechte Note nach sich zieht. Gut, daß er zurückgepfiffen wird. Peinlich, daß er zurückgepfiffen und erst zur Vernunft gebracht, gezwungen werden muß.Dem Verband des eZigarettenhandels (VdeH) liegt ein Antwortschreiben des Bundesgesundheitsministeriums vor, wonach die Einstufung nikotinhaltiger Liquids als Arzneimittel nicht als verbindliche Weisung an die Länder zu verstehen ist. Damit ist auch die Interpretation nicht zulässig, dass die Bundesregierung die elektrische Zigarette oder Teile derselben verboten habe.Wie wäre es, wenn dort auch aufgelistet wäre, wer diese Zuordnung ebenfalls für RECHTSWIDRIG hält, als da wären: der Europäische Gerichtshof, drei mal das Bundesverwaltungsgericht, höchstdekorierte Rechtsmediziner, die Autoren der Beck´schen Texte (Reihe mit juristischen Kommentaren), eine ganze Reihe erfahrenener Staats- und Rechtsanwälte. Darüber hinaus könnte auch der Hinweis nicht schaden, dass die E-Zigarette in fast ganz Europa NICHT zu den Arzneimitteln zählt (z.B. in Frankreich, Italien, Spanien etc. etc.), in Großbritannien von den Gesundheitsbehörden als bessere Alternative zum Tabakkonsum ausdrücklich empfohlen wird und in Den Haag / Holland gerade ein Gericht entschieden hat, dass eine Zuordnung zum AMG rechtswidrig ist. Aber wer will schon ausgewogene Berichterstattung erwarten, wenn Millarden an Tabak-Steuern auf dem Spiel stehen

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Gigaziggi schrieb:

Wer ein Genußmittel zum Arzneimittel erklärt, um taktische Ziele zu verfolgen, mißbraucht seine Macht und seinen Verstand. W&¨re die E-Zigarette ein "Arzneimittel", so wäre *selbstverständlich* die normale Zigarette auch eines. Im weiteren Sinne der Cognac auch, usw. usw

 

Kleiner aber feiner Unterschied...Tabak und damit Zigratten werden im AMG explizit als Ausnahme erwähnt vgl. §2 Abs. 3 Nr. 3 AMG http://www.gesetze-im-internet.de/amg_1976/__2.html was für E-Zigretten nicht gilt....und da ist der Gesetzgeber gefordert....

 

 

bombjack

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? Das mag ja sein , hiebei gehts aber um kein Tabakerzeugnisse im Sinne des § 3 des Vorläufigen Tabakgesetzes, sondern um nikotinhaltige Liquids, also wenn nun alle nikotinhaltigen Produkte als Tabakprodukte geführt werden dann sollte die Kartoffel weil nikotinhaltig auch als Tabakprodukt nach AMG geführt werden?

 

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Hier wird doch versucht weil es sich um ein "nikotinhaltiges" Liquid handelt 

§ 2

 (die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen)anzuwenden. Da bededeut das die nikotinhaltige Kartoffel auch unter das AMG fällt und von daher  dann ein Arzneimittel ist?

Kein § aus dem AMG rechtfertig die Einstufung des nikotinhaltigen Liquids und die Elektrische Zigarette als Arzneimittel

Offensichtlich sieht das OVG das genauso und das ist auch gut so.

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Hallo Herr Patzak,

 

einfach mal im Lebensmittelgesetz nachlesen, dort werden Genußmittel behandelt und somit sind diese gleichzeitig Lebensmittel - also Ausschlußgrund AMG §2 vorhanden. Auch findet man im Lebensmittelgesetz den Passus, das alles was der Mensch aufnimmt, egal ob gegessen, getrunken oder inhaliert darunter fallen kann...

 

Schönen Gruß

Sven 

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Kaffee hat hat eine ähnliche Wirkung auf den Körper wie Nikotin, ist nicht als Genussmittel eingestuft sondern als Genussmittel.

Genussmittel dürfen anders als Lebensmittel anteilig Giftstoffe enthalten und dienen nicht der Ernährung, als Staatsanwalt sollten Sie aber solche dinge als Grunswissen kennen.

 

Rauchen galt schon immer als Genussmittel, aus diesem Grund wurde es auch aus dem Arzneimittelgesetz ausgenommen, warum kann man theoretisch nun aber Ezigaretten bzw deren Liquids als Genussmittel einstufen?

Das ist ganz einfach, der Grossteil der Liquids ist zugelassener Lebensmittelzusatzstoff, E1520 sowie E422 also  Propylenglykol und Glyzerin nach DAB.

Lediglich die Zugabe von Nikotin steht dem entgegen wobei in den Genussmitteln ja wieder giftstoffe zulässig sind.

 

Im übrgigen konnten in 40 Gutachten/Studien keine Gesundheitsschädigung nachgewiesen werden, nichtmal die viel Zitierte Chest Studie und der dort veränderte FeNo wert weist darauf hin da sich die Werte der Raucher binnen 5 minuten an die der Nichtraucher angenähert hat.

Wir Dampfer nehmen übrigens nicht nur die angeblich negativen Studien auseinander sondern hinterfragen ebenso die positiven Studien, leider sind wir überwiegend keine Mediziner und so ist es leider nur Laienwissen aber immerhin mit logischem Menschenverstand.

 

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Soweit ich das verstehe, würde das AMG sogar eine Einstufung der E-Zigarette unter Arzneimittel zulassen, die heilende/therapeutische Wirkung wird jedoch vom EuGH gefordert, so dass es vor ein paar Jahren dazu kommen konnte, dass Deutschland Knoblauchkapseln als apothekenpflichtiges Arzneimittel einstufte und das in höchster Instanz gekippt wurde (ich hoffe den Sachverhalt hier grob aber korrekt wiederzugeben).
Sich allein auf die pharmakologische Wirkung zu verlassen würde zu weit gehen, und viele Produkte des täglichen Lebens zum Arzneimittel machen, ein Beispiel sei die Becel-Debatte (cholesterinsenkende Margarine). Zwar nicht allein zu diesem Zweck existent, aber perfekt geeignet, dies zu umschiffen, ist nun das "Präsentationsarzneimittel", was jeden Stoff treffen kann, sofern er als "gesund", "heilend" etc. beworben wird.
Dass es eine Schande ist, dass einige zwielichtige Händler mit solchen Heilsversprechen arbeiten, darüber braucht man wohl nicht zu diskutieren. Auch ist sicher nicht verkehrt, Qualitätskontrollen zur Pflicht zu machen, doch ist für mich nicht ersichtlich, weshalb ein Genussmittel strenger kontrolliert werden sollte als unsere Lebensmittel. Wendet man das AMG auf E-Zigaretten an, weicht man damit lediglich den Arzneimittelbegriff weiter auf und erweist den Menschen einen Bärendienst.
Nach dem Urteil bin ich wieder zuversichtlicher, dass letztendlich gesunder Menschenverstand siegen wird. Polemik wie der von Fr. Dr. Pötschke-Langer beschworene "sichere Hafen der Apotheke" hat hier nichts zu suchen.

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Hr. Patzak schrieb :

 

" 1. Es ist nicht meine Absicht, Verbraucher von E-Zigaretten zu kriminalisieren. Es geht schlicht und einfach um die Auslegung des Arzneimittelgesetzes. Und ich komme halt - wie viele andere auch - zum Ergebnis, dass das AMG auf E-Zigaretten Anwendung findet. Ob mir das gefällt oder nicht, habe ich zu keinem Zeitpunkt gesagt! "

 

Dafür gibt es keinen der Logik zugänglichen Grund. Auch echte Tabakwaren würden qualitativ kein Arzneimittel mit irgendeiner therapeutischen Funktion werden, sollte für sie urplötzlich das AMG Anwendung finden. Für Tabakwaren gilt die Außnahme nicht deshalb, weil sie ein Arzneimittel sein könnten, sondern nur deshalb, weil sie von unzähligen Menschen als das benutzt werden, was sie sind :

Ein ( gefährliches ) Genußmittel - und keine Arznei. Für die elektrische Variante muß demzufolge die gleiche Rechtslogik anzuwenden sein, insbesondere deshalb, weil das Produkt als konkurrierendes Genußmittel zur Tabakzigarette angeboten wird.

Nur wenn nachweislich die elektrische Zigarette gefährlicher als das Original wäre, könnte sie ggf. außer Verkehr gezogen werden - sollten also nachweisbare akute Gefahren bestehen, wofür es keinerlei Anhaltspunkte gibt bisher. Wie Sie unschwer erkennen können, wäre sie dann erst recht kein Arzneimittel. Ist sie allerdings ( weit ) weniger gesundheitsschädlich als das Original, dann existiert umso weniger ein Grund sie aus dem Verkehr zu ziehen, wenn man parallel das ( weit ) gefährlichere Original frei verkäuflich am Markt belässt. Eine Auflösung dieses, für manche Protagonisten als " Dilemma " erscheinende Problem, ist somit nur über Winkelzüge und Taschenspielertricks in der " Rechts "-sprechung möglich - nicht jedoch auf Basis der innewohnenden Sinnhaftigkeit von Rechtsvorschriften.

 

" 2. Ich bin mir bewusst, dass ich aus einer Presseerklärung zitiert habe (siehe auch http://blog.beck.de/2012/03/28/ovg-muenster-e-zigaretten-sind-keine-arzneimittel-sondern-genussmittel). Sollte das OVG tatsächlich den Begriff "Genussmittel" verwendet haben, wäre das deshalb spannend, weil "Genussmittel" nicht zum Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 3 AMG zählen. Dort sind z.B. 

- Lebensmittel,

- kosmetische Mittel,

- Tabakerzeugnisse (hierzu dürften E-Zigaretten nicht gehören, vgl. Volkmer Pharma 2012, 11)

aufgezählt. Worunter subsumiert nun das OVG die E-Zigaretten? "

 

Sie zäumen das Pferd verkehrt auf. Es gibt diverse Produkte, die hinsichtlich einer pharmak. / immu. / metabol. Wirkung auf den menschlichen Körper einen Teilaspekt der Arzneimitteldefinition erfüllen. Trotzdem erfüllen sie keine therapeutische Funktion - oder sie ist kaum meßbar, nicht nachweisbar / umstritten - oder ihr therapeutischer Nutzen steht im Mißverhältnis zu ihren Risiken und Nebenwirkungen. Bspw. Rotwein, Schokolade, Kaffee, Tee etc. Deshalb unterliegen diese und ähnliche Produkte nicht dem AMG. Um ein qualitativ vergleichbares Produkt handelt es sich bei der elektrischen Zigarette.

P.S. : Ich bin übrigens juristischer Volllaie. Ich benutze mein gesundes Rechtsempfinden. ;-)

 

 

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Die Argumente in Bezug auf die Einstufung nicotinhaltiger Liquids als Funktions- und/oder Präsentationsarzneimittel nach § 2 Abs. 1 AMG dürften an anderer Stelle bereits in hinreichendem Maße ausgetauscht worden sein. Ohne darauf erneut vertieft eingehen zu wollen, hier nur soviel:

Dem Konsum nicotinhaltiger Liquids kann nach der einschlägigen überwiegenden Verkehrsanschauung (jenseits eines möglichen Einsatzes der E-Zigarette als Entwöhnungsmittel) eine therapeutische Komponente im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG kaum abgesprochen werden. Sie liegt namentlich in dem auf dem Nicotin-Zusatz basierenden Potential des Erzeugnisses zur „Linderung“ (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG) der durch die auf Grund regelmäßigen Zigarettenkonsums erworbene Nicotin-Abhängigkeit (ICD-10 F17.2 [Abhängigkeitssyndrom], F17.3 [Entzugssyndrom]) hervorgerufenen krankhaften Beschwerden (Stichworte: „Lungenschmacht“, Nachtschweiß pp.). Anders ist es nämlich kaum zu erklären, weshalb Konsumenten der E-Zigarette bei der Auswahl ihrer Verdampfer-Flüssigkeit auf den Zusatz des gewohnten Suchtstoffs Nicotin besonderen Wert legen und gerade nicht durchweg auf ebenfalls am Markt erhältliche (lediglich aromatisierte) 0,0-mg-Liquids zurückgreifen.

 

Kollege Patzak ist daher durchaus zurecht gespannt auf die Entscheidung des OVG. Denn der Begriff des „Genussmittels“ hat (bislang) keinen Eingang in die Aufzählung der Ausschlusstatbestände nach § 2 Abs. 3 AMG gefunden. Und auch im Lebensmittel-Begriff nach § 2 Abs. 2 LFGB (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG) sucht man das „Genussmittel“ vergebens. Danach sind „Lebensmittel […solche...] im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.“ Die Vorschrift des Art. 2 UAbs. 3 schließt indessen wiederum Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG und 92/73/EWG des Rates ausdrücklich aus dem Lebensmittel-Begriff der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 aus. Der Umstand, dass „Genussmittel“ in § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 LFGB angesprochen werden, ändert damit letztlich nichts daran, dass diese Produktkategorie in den Ausnahmetatbeständen des § 2 Abs. 3 AMG keine Erwähnung findet und sich deshalb auf dieser Grundlage ein „Ausweg aus dem Arzneimittelbegriff“ wohl kaum wird finden lassen.

 

Abschließend noch folgender Hinweis: Die tägliche Praxis lehrt, dass rechtliche Hinweise der Gerichte weder Anlass für voreilige Kritik noch für euphoriegespeiste Siegesgewissheit bieten. Den Parteien eines Rechtsstreits eröffnen sie vielmehr die Möglichkeit, bestimmte rechtliche Aspekte näher als bislang geschehen zu beleuchten; für die Zaungäste erhöhen sie die Spannung. Dabei sollte es sein Bewenden haben.

@ Hr. Volkmer :

Ihre Argumentation ist weder stringent noch konsistent. Ein anzuerkennender therapeutischer Nutzen ist mit dem Ziel eines Therapieerfolges unter Abwägung des Nutzen gegen die Risiken verknüpft. Dies wäre hier ein Entzug vom Nikotin = nicht vorgesehen als Genußsubstitut der Tabakzigarette. Oder : Milderung von Auswirkungen des Tabakkonsums, wie ihr erwähnter " Nachtschweiß " oder die " Lungenschmacht ". Da ein völliger Entzug unter dieser Prämisse vom Abhängigen nicht erwünscht / vorgesehen wäre, würde die " Medikation " ( im Gegensatz zum Nikotinpflaster ) mit einem Nikotinliquid eine dauerhafte sein müssen - diese " Therapie " gegen den Nachtschweiß ( ... ) und die Lungenschmacht stünde jedoch in keinem Verhältnis zu dem Gefahrenpotential des Nervengiftes Nikotin bei dauerhaften Konsum, um da das Etikett " Arzneimittel " verantwortlich draufzukleben....

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@ Rainer C.:

Und genau aus diesem Grund wird man regelmäßig zur Einstufung als "bedenkliches Arzneimittel" kommen ...

Mathias.Volkmer schrieb:
@ Rainer C.: Und genau aus diesem Grund wird man regelmäßig zur Einstufung als "bedenkliches Arzneimittel" kommen ...

Eben nicht ! Genauso wenig, wie man regelmäßig ( ... ) Rotwein als bedenkliches Arzneimittel einstufen wird, weil man sich a) damit sinnlos betrinken oder b) durch dosierten Verbrauch eventuell der arteriellen Verkalkung vorbeugen kann. :-)

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Rainer C. schrieb:

Mathias.Volkmer schrieb:
@ Rainer C.: Und genau aus diesem Grund wird man regelmäßig zur Einstufung als "bedenkliches Arzneimittel" kommen ...

Eben nicht ! Genauso wenig, wie man regelmäßig ( ... ) Rotwein als bedenkliches Arzneimittel einstufen wird, weil man sich a) damit sinnlos betrinken oder b) durch dosierten Verbrauch eventuell der arteriellen Verkalkung vorbeugen kann. :-)

Und an dieser Stelle wird der kleine, aber feine Unterschied zwischen Nicotin-Liquids und bspw. Rotwein offenbar: Es kommt eben nicht darauf an, was man mit einem Erzeugnis alles anstellen kann (Stichwort: Klebstoff schnüffeln). Entscheidend ist nach geltender Rechtslage vielmehr, ob sich bei einer hinreichend großen Gruppe von Konsumenten eine entsprechende Verbrauchergewohnheit etabliert hat.

Mathias.Volkmer schrieb:
Und an dieser Stelle wird der kleine, aber feine Unterschied zwischen Nicotin-Liquids und bspw. Rotwein offenbar: Es kommt eben nicht darauf an, was man mit einem Erzeugnis alles anstellen kann (Stichwort: Klebstoff schnüffeln). Entscheidend ist nach geltender Rechtslage vielmehr, ob sich bei einer hinreichend großen Gruppe von Konsumenten eine entsprechende Verbrauchergewohnheit etabliert hat.

Schade, dass sie nicht auf meine Argumentation eingegangen sind.

Aber um auf Ihre einzugehen: Es gibt (leider) durchaus eine hinreichend große Gruppe, die aklkoholabhängig ist. Die Folgen sind weitaus drastischer als bei einer Nikotinabhängigkeit, sowohl für den Einzelnen als auch für die Volkswirtschaft. Also ist auch diese Argument ein wenig fragwürdig.

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Mathias.Volkmer schrieb:
Rainer C. schrieb:

Mathias.Volkmer schrieb:
@ Rainer C.: Und genau aus diesem Grund wird man regelmäßig zur Einstufung als "bedenkliches Arzneimittel" kommen ...

Eben nicht ! Genauso wenig, wie man regelmäßig ( ... ) Rotwein als bedenkliches Arzneimittel einstufen wird, weil man sich a) damit sinnlos betrinken oder b) durch dosierten Verbrauch eventuell der arteriellen Verkalkung vorbeugen kann. :-)

Und an dieser Stelle wird der kleine, aber feine Unterschied zwischen Nicotin-Liquids und bspw. Rotwein offenbar: Es kommt eben nicht darauf an, was man mit einem Erzeugnis alles anstellen kann (Stichwort: Klebstoff schnüffeln). Entscheidend ist nach geltender Rechtslage vielmehr, ob sich bei einer hinreichend großen Gruppe von Konsumenten eine entsprechende Verbrauchergewohnheit etabliert hat.

Die " hinreichend große Gruppe von Konsumenten " besteht. Und weil sie besteht, gilt für Nikotinsüchtige das AMG nicht. Man ist nämlich nicht süchtig nach Tabak oder nach Rauch um des Rauches willen. Die Namensnennung des Gesetzes ist dabei eine irrelevante Formalie. Tatsächlich geht es um den Nikotinkonsum. Die Befriedigung des Nikotinkonsums erfolgt für den E- Dampfer lediglich über einen wahrscheinlich sehr viel risikoärmeren Weg. Er zählt also dem Sinne nach immer noch zur Gruppe, für welche die Ausnahme vom AMG zu gelten hat. Praktisch gesehen tauscht er nur das Werkzeug aus zum gleichen Zweck, vergleichbar des Umstieges vom harten Schnaps auf ein Bierchen. :-)

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@Dr. Mathias Volkmer

Mit Ihrer Argumentation könnte man sofort alle Produkte mit Alkohol unter das AMG stellen, was bekanntlich nicht zur  Diskussion steht. Vorher kommt also die Motivation, die sogenannte E-Zigarette unter das AMG zu stellen.

Mit bestem Gruß

 

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Sehr geehrter Herr Dr. Volkmer,

ihre Argumentation kann ich leider nicht nachvollziehen. Ich nutze das im Liquid enthaltene Nikotin nicht zur Linderung meiner Nikotinentzugscheinungen sondern zur (genussvollen) Befriedigung meiner Nikotinsucht. Das ist ein elementarer Unterschied. Wie schon mehrfach geschrieben wenn man die Möglichkeit zur Suchtbefriedigung als Kriterium zur Einstufung als Arzneimittel betrachtet, dann müssten alle alkoholhaltigen Produkte sofort als Arzneimittel eingestuft werden. Was ich mit der Nutzung der e-Zigarette vermeide ist die Einnahme von unzähligen zusätzlichen Schadstoffen, die durch den Verbrennungsprozess von Tabak enstehen sowie deren Verbreitung an Dritte (das gefährlichste am Passivrauch einer Zigarette ist nicht der ausgeatmete Rauch sondern die nicht inhalierten Verbennungsprodukte). Aber auch die bewusste Schadstoffminimierung rechtfertigt keine Definition als Heilmittel. Eine Einstufung als Funktionsarzneimittel halte ich daher für nicht haltbar und das wird ja auch in den aktuellen Beck'schen Kommentaren so gesehen.

 

Wenn ein Hersteller hingegen explizit mit einer Rauchentwöhung oder einer Linderung von Entzugserscheinungen für Momente, in denen der Gebrauch eine normale Zigarette nicht erlaubt ist, wirbt dann handelt es sich zweifelsfrei um ein Präsentationsarzneimittel.

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Die allgemeine Verkehrsauffassung ist unter den Konsumenten jedoch die eines Genussmittels und nur einige wenige Shops bieten E-Zigaretten mit dem Versprechen der Rauchentwöhnung an. Sollte sich also tatsächlich das Gericht der Ansicht anschließen, dass es sich um ein Arzneimittel iSd AMG handelt, so müsse zumindest nach dem dual use-Prinzip der allgemeinen Verkehrsauffassung Rechnung getragen werden, wenn ich mich nicht irre.

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Sehr geehrter Herr Dr. Mathias Volkmer,

Sie schreiben:

……. Entscheidend ist nach geltender Rechtslage vielmehr, ob sich bei einer hinreichend großen Gruppe von Konsumenten eine entsprechende Verbrauchergewohnheit etabliert hat.

Diesen Punkt finde ich sehr interessant.  Daraus ergibt sich die Frage:

Ab wann ist eine Konsumentengruppe groß genug um ein Genussmittel zu etablieren?

Könnten Sie dies bitte weiter erläutern?

Vielen Dank im Voraus.

Mit bestem Gruß

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Jaco schrieb:

Daraus ergibt sich die Frage:

Ab wann ist eine Konsumentengruppe groß genug um ein Genussmittel zu etablieren?

Nach der Systematik des Arzneimittelgesetzes stellt sich die Frage so (leider) nicht. Zunächst müssen Sie prüfen, ob eine Verkehrsauffassung existiert, die für eine Einstufung des Erzeugnisses als Arzneimittel spricht. Erst dann kommt man zu den Ausnahmetatbeständen nach § 2 Abs. 3 AMG.

Mit Fragen nach konkreten Zahlen erwischen Sie Juristen allerdings regelmäßig auf dem falschen Fuß. Allgemein gebräuchlich ist eine Formulierung, die sich etwa in einem Urteil des BVerwG vom 24.11.1995 (NVwZ-RR 1995, 625) findet. Danach soll es ausreichen, wenn es sich um einen "beachtlichen Teil der Verbraucher" handelt. Grundlage einer solchen Beurteilung kann ein demoskopisches Gutachten sein (dazu ausführlich Kloesel/Cyran § 2 AMG Anm. 49). Häufig wird man aber die einschlägige Verkehrsauffassung auch ohne sachverständige Hilfe beurteilen können.

Freundliche Grüße

Sehr geehrter Herr Patzak, sehr geehrter Herr Volkmer,

 

ich bin wohl nicht der einzige, der Ihre Arumentationen nicht verstanden hat - auch das  VG Köln hatte damit wohl ein Problem: Mit dem Urteil 7 K 3169/11 wurde hier in einem rechtskräftigen Urteil die E-Zigarette - auch mit nikotinhaltigen Liquids - als Genussmittel und nicht als Arzneimittel definiert. Berufung ist natürlich möglich - beim OVG Münster ;-)

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