International Forum on EU Competition Law – Tag 2

von Dr. Rolf Hempel, veröffentlicht am 16.03.2012

Am 15.03.2012 hatte ich über den ersten Tag des International Forum on EU Competition Law der Studienvereinigung Kartellrecht e.V. in Brüssel berichtet. Hier nun ein kurzer Bericht über den zweiten Tag (15.03.2012):

Inzwischen sind die Folien zu den Vorträgen auch auf der Internetseite der Studienvereinigung veröffentlicht.

Den Auftakt am 15.03.2011 machte Professor Hellwig mit einem Vortrag zu Economic Justifications of Rebates by Dominant Undertakings. Er nahm sich den British Airways-Fall vor und zerpflückte die Argumentation von Kommission und Gerichtshof. Sein Argument ging im Kern dahin, dass die Kommission und der Gerichtshof bei der Beurteilung des zur Prüfung stehenden nicht-linearen Rabattsystems die Unsicherheit des Reisebüros darüber nicht berücksichtigt hätten, ob die für einen höheren Rabatt maßgebliche Umsatzschwelle am Ende des Monats auch erreicht werden wird. Eine Prüfung, die diese Unsicherheit nicht berücksichtigte, sei wie Hamlet ohne den Prinzen von Dänemark. Es müsse eine genauere Prüfung stattfinden. Der Co-Referent Lademann forderte weitere Grundlagenforschung zu retroaktiven Rabatten. Aus beiden Referaten wurde mehr als deutlich, dass zum Thema der Rabattgewährung durch Marktbeherrscher viele Fragen offen sind. Je komplizierter allerdings der Maßstab, desto schwerer handhabbar wird Art. 102 AEUV. Irgendwann wird der Punkt erreicht sein, an dem die Kommission einem Unternehmen keinen Verschuldensvorwurf mehr machen kann, weil das Unternehmen weder die Tatsachen, die für die Bewertung maßgeblich sind, kennt noch den rechtlichen Maßstab nachvollziehen kann.

Es folgte eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zwischen dem Deputy Assistant Attorney General des US Department of Justice Scott Hammond, dem Präsidenten des Bundeskartellamts Mundt, der Wettbewerbskommissarin des kanadischen Bureau of Competition Melanie Aitken, dem Präsidenten der Schweizer Wettbewerbskommission Professor Martenet und dem Stellvertretenden Generaldirektor für Antitrust der GD Wettbewerb Madero Villarejo zum Thema Successes and Challenges of the International Prosecution of Cartel Offences. Behandelt wurden Punkte wie die internationale Kooperation zwischen den Behörden u.a. bei der Abstimmung von dawn raids, die Vorgehensweise beim Eingang von Bonusanträgen und die Berücksichtigung von durch andere Kartellbehörden verhängten Sanktionen. Herr Mundt wiederholte die Androhung des Bundeskartellamts, Fälle im Rahmen des ECN an die Kommission zu verweisen, wenn die betroffenen Unternehmen versuchten, sich unter Berufung auf die BGH-Rechtsprechung durch gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen der Verhängung eines Bußgeldes nach deutschem Recht zu entziehen. Die Kommission sekundierte dem Bundeskartellamt: Herr Madero hielt es für möglich, dass die Kommission solche in einem sehr späten Verfahrensstadium erfolgende Verweisungen annehmen würde, um für eine effektive Durchsetzung des EG-Kartellrechts zu sorgen.

Zum Abschluss berichtete der Stellvertretende Generaldirektor für Fusionskontrolle der GD Wettbewerb Langeheine über Recent Developments in European Merger Control. Er ging auf die aktuelle Kritik an der Schwerfälligkeit des Anmeldesystems bei der Kommission ein und versprach, dass die Kommission die Kritik ernst nehme und prüfen werde. In der GD Wettbewerb ist man sich bewusst, dass manche das Verfahren bei der Kommission plastisch (aber auch sehr treffend) wie folgt beschreiben: "the best system for complex cases and the worst system for simple cases". Jeder, der schon einmal z.B. für eine private equity-Transaktion ohne irgendwelche horizontalen und vertikalen Auswirkungen für die Kommission ein Formblatt CO ausgefüllt hat, wo beim Bundeskartellamt ein nicht mehr als vierseitiger Brief ausreicht, wird dem beipflichten können. Ausführlich stellte Herr Langeheine den Deutsche Börse / NYSE-Fall dar, bevor er nach der Behandlung weiterer besonderer Fälle das bereits am Vortag behandelte Thema der Minderheitsbeteiligungen aufgriff. Es bleibt abzuwarten, ob die Kommission auf die Idee kommt, den Wischiwaschi-Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB in die FKVO übernehmen zu wollen. Erstrebenswert ist das nicht.

Bei blauem Himmel und frühsommerlichen Temperaturen hätte ich dann im schönen Park der Place du Petit Sablon gern noch etwas in die Sonne gesessen und mir danach auf dem Grasmarkt eine Lütticher Zuckerwaffel gekauft. Aber vielleicht klappt es beim nächsten International Forum on EU Competition Law.

 

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen