Die Bekenntnisse der GD Wettbewerb zur privaten Kartellrechtsdurchsetzung

von Dr. Rolf Hempel, veröffentlicht am 27.02.2012

In einer am 17.02.2012 in Brüssel gehaltenen Rede hat Generaldirektor Italianer ganz grundsätzlich zu verschiedenen aktuellen Fragen der privaten Kartellrechtsdurchsetzung Stellung genommen und – deswegen ist die Rede lesenswert – die Position der GD Wettbewerb in diesem Bereich zusammengefasst:

 

  1. Die GD Wettbewerb sieht die behördliche und die private Kartellrechtsdurchsetzung als sich gegenseitig ergänzend an. Sie beschränkt den Sinn und Zweck der privaten Kartellrechtsdurchsetzung allerdings auf die Erreichung von Kompensation – im Gegensatz zur Abschreckung. Diesen Zungenschlag hatte schon das Weißbuch der Europäischen Kommission aus dem Jahre 2008. Vor zehn Jahren hat die Generaldirektion Wettbewerb dies noch anders gesehen.
  2. Die Kommission wird in diesem Jahr einen Gesetzgebungsvorschlag machen, der auch Regelungen zum Verhältnis zwischen privater und behördlicher Kartellrechtsdurchsetzung enthalten und insbesondere einer Beeinträchtigung des Funktionierens der Kronzeugenregelungen der Kommission und der Kartellbehörden der Mitgliedsstaaten vorbeugen soll. Generaldirektor Italianer gibt uns noch keinen Ausblick, wie eine solche Regelung aussehen könnte. Man kann sich dies jedoch leicht vorstellen. Akteneinsicht von Geschädigten in Kronzeugenanträge wird es nach dieser Regelung nicht geben.
  3. Generaldirektor Italianer berichtet den aktuellen Stand zum Dauerbrenner "Collective redress". Nach Durchführung einer Konsultation im letzten Jahr wird sich die Kommission jetzt selbst auf einen bestimmten Weg einigen müssen. Das Europäische Parlament hatte deutlich gemacht, dass es sich ein sog. horizontales Instrument und kein sektorspezifisches – kartellrechtliches – Instrument des kollektiven Rechtschutzes vorstellt.
  4. Die Kommission hatte im letzten Jahr ebenfalls eine Konsultation zu einem Diskussionspapier zur Schadensberechnung durchgeführt. Generaldirektor Italianer kündigt die Veröffentlichung der endgültigen Version des Papiers an. In dem Diskussionspapier wird auch die Frage der Schadensweiterwälzung angesprochen. In dieser Frage hatte sich der Bundesgerichtshof erst im letzten Jahr einer bahnbrechenden Entscheidung festgelegt (BGH vom 28.06.2011, KZR 75/10 – ORWI, wir berichteten).
  5. Kein Thema der privaten Kartellrechtsdurchsetzung ist die Compliance. Generaldirektor Italianer hat es in seiner Rede dennoch angesprochen und für Compliance-Programme in den Unternehmen Werbung gemacht. Er hat allerdings auch klar festgehalten, dass die Existenz von Compliance-Programmen bei der Bußgeldbemessung (als mildernder oder gar strafschärfender Faktor) unberücksichtigt bleibt. Compliance-Programme helfen also nicht, wenn das Kind schon in den (kartellrechtlichen) Brunnen gefallen ist. Sie helfen aber sehr wohl, das Risiko eines Abstürzens in den Brunnen zu verringern.
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