Vorhergehendes Ausbildungsverhältnis steht sachgrundloser Befristung nicht entgegen

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 20.02.2012

Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist ohne sachlichen Grund nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer zuvor nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber gestanden hat (§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG). Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass ein Ausbildungsverhältnis kein Arbeitsverhältnis in diesem Sinne ist. Ein Arbeitgeber darf daher auch einen in seinem eigenen Unternehmen ausgebildeten Azubi anschließend in ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis übernehmen (z.B. LAG Niedersachsen, Urt. vom 04.07.2003 - 16 Sa 103/03, BeckRS 2003, 41429).

Nach dem Wechsel im Vorsitz des Siebten Senats des BAG waren Zweifel aufgekommen, ob das BAG diese Rechtsprechung bestätigen würde. Jedenfalls hatte der Senat auf eine Nichtzulassungsbeschwerde die Revision zugelassen, um diese Rechtsfrage selbst entscheiden zu können.

Das Urteil vom 21.09.2011 (7 AZR 375/10, BeckRS 2012, 66253) liegt jetzt vor. Es bestätigt die bisherige Rechtsprechung und bekräftigt zugleich die neue Linie des Senats in Bezug auf die Auslegung des Merkmals "zuvor". Die Leit- und Orientierungssätze des Gerichts lauten:

1. Ein Berufsausbildungsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis i. S. des Vorbeschäftigungsverbots für eine sachgrundlose Befristung in § 14 II 2 TzBfG. (amtlicher Leitsatz)

2. Ein Berufsausbildungsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis iSd. Vorbeschäftigungsverbots für eine sachgrundlose Befristung in § 14 II 2 TzBfG.

3. Durch Berufsausbildungsvertrag begründete Berufsausbildungsverhältnisse und durch Arbeitsvertrag begründete Arbeitsverhältnisse sind nicht generell gleichzusetzen. Für die Frage, ob ein Berufsausbildungsverhältnis mit einem Arbeitsverhältnis gleichzusetzen ist, kommt es vielmehr nach § 10 II BBiG auf den jeweiligen Gesetzeszweck an.

4. Der Zweck des Vorbeschäftigungsverbots in § 14 II 2 TzBfG besteht darin zu verhindern, dass die in § 14 II 1 TzBfG eröffnete Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung zu sog. Befristungsketten missbraucht werden kann. Der Gesetzeszweck erfordert es nicht, Berufsausbildungsverhältnisse mit Arbeitsverhältnissen iSv. § 14 II 2 TzBfG gleichzusetzen. Diesem Auslegungsergebnis steht der besondere Sachgrund der sog. Absolventenbefristung in § 14 II 2 Nr. 2 TzBfG nicht entgegen.

5. Eine Vorbeschäftigung iSv. § 14 II 2 TzBfG ist nicht gegeben, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Erwägungen.

6. Ein unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot birgt strukturell die Gefahr, als arbeitsrechtliches Einstellungshindernis die Berufswahlfreiheit und die Berufsausübungsfreiheit des Arbeitnehmers unverhältnismäßig zu begrenzen. Das verstieße gegen Art. 12 I GG. Die Verfassungswidrigkeit von § 14 II 2 TzBfG lässt sich jedenfalls durch eine verfassungskonforme Auslegung vermeiden. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 I 1 GG kommt erst in Betracht, wenn eine verfassungskonforme Auslegung nach keiner Auslegungsmethode gelungen ist.  (2 bis 6 Orientierungssätze des Gerichts)

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