Bundespräsident Wulff beschert uns eine Premiere: Erstmalige Anwendung des Art. 60 Abs. 4 GG

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 16.02.2012

Wegen eines Anfangsverdachts der Vorteilsannahme, § 331 StGB, wird erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland  von einer Staatsanwaltschaft die Aufhebung der Immunität des amtierenden Bundespräsidenten beantragt.

Während die Staatsanwaltschaft Hannover in den vergangenen Tagen schon kritisiert wurde, Wulff werde - anders als normale Beamte - geschont, sind die Implikationen einer Immunitätsaufhebung des Bundespräsidenten schon erheblich. 

Natürlich hat auch Wulff die Unschuldsvermutung auf seiner Seite, jedoch fragt sich nun wirklich, wie er noch "business as usual" als erster Repräsentant des Staates betreiben kann, wenn Staatsanwälte gegen ihn ermitteln. Eine Durchsuchung seines Büros oder Beschlagnahme seines Computers, keine leichte Vorstellung, dass er dann noch die nötige moralische Autorität als Präsident hätte.

Was meinen die Blogleser dazu?

"Cool bleiben, Anfangsverdacht ist schließlich nur Anfangsverdacht, wahrscheinlich wird das Verfahren sowieso wieder eingestellt"

oder

"Skandal, Ermittlungsverfahren gegen den Bundespräsidenten, das geht nicht, Wulff muss spätestens jetzt zurücktreten"

Erklärung der StA Hannover.

Politische Reaktionen (SZ-Bericht)

Zum Verfahren: Artikel bei juraexamen.info

Vielleicht spielen ja auch Überlegungen zum "Ehrensold" nach einem evtl. Rücktritt eine Rolle.

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9 Kommentare

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Das interessante ist doch, ich denke schon, dass die Sachen alle eingestellt werden. !53 StPO. Würde man jetzt schon wissen, dass das alles eingestellt wird, wäre der Aufschrei nicht so groß gewesen, dass er zurücktreten müßte. Also ist er, der Argumentation folgend, einzig aufgrund der Medien zurückgetreten. Eine vierte Staatsgewalt hat sich etabliert.

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Nein, eine Einstellung nach § 153 StPO (geringe Schuld)  ist nicht zu erwarten, eine Einstellung nach § 153a StPO (wie bei Kohl) wäre keine Reinwaschung.  Ich würde es etwas anders sehen, wenn das Verfahren nach § 170 II StPO (insb. wenn dies aus rechtlichen Gründen geschieht)  eingestellt wird. Aber entscheidend für mich: Wulff war hart ("jeden Anschein vermeiden") gegen Glogowski und Rau, diesen Maßstab muss er nun auch gegen sich gelten lassen. Und diesen Maßstab dürfen auch die Medien anlegen.

 

@ Prof. H. Müller

 

Der strafrechtliche Strang entfällt.

 

Nur was ist jetzt, heute, 5. März 2012, angesagt: die Ehrensöldnerei des Herrn Wulff, MP a.D. et BP a.D., wegen Abgangs aus angeblich "politischen" Gründen, 545 € täglich netto unversteuert bis zur Löffelabgabe und für (so nannte das mit Blick auf "Weimarer Zustände" Wolfgang Abendroth) die in der "Verfassung nicht vorgesehen Person", hier die Ex-BP-Gattin iHv 327 € netto p.d. auch lebenslang, dazu noch volles Trossprogramm (dessen Kosten ich nicht kenne)?

 

Da denk ich schon, daß Ihr Kollege Prof. v. Arnim richtig liegt, wenn er auf "persönliche Gründe" abhebt ... und Sie

deuten oben etwas an, was m.E. "juristische Gründe" sind

(Einmaligkeit des angesagten "impeachments" gegen BP-Wulff...)

 

Ich weiß: "ein weites Feld" ... vielleicht sogar für ein der "Weimarer" Fürstenenteignungscampagne 1926 analoges Volksreferendum? 

 

Jedenfalls halte ich den Wulff´schen Ehrensöldnerdrops

für noch nicht gelutscht;-)

 

freundliche Grüße

 

Richard Albrecht, 050312

http://wissenschaftsakademie.net

 

 

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Wulff ist aus politischen Gründen zurückgetreten.

Die Ausführungen des Herrn von Arnim sind mit dem logischen Fehler behaftet, dass selbiger aus dem Vorliegen persönlicher Gründe die unzulässige Schlussfolgerung zieht, dass politische Gründe nicht vorgelegen hätten. Auch bei einem Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen kann zugleich ein persönlicher Grund vorliegen, ohne dass die Ehrensoldberechtigung dadurch in Frage gestellt würde.

Das Versagen der politischen Gründe in manchen Kommentaren scheint mir vom Wunsch beseelt zu sein, Wulff möge keinen Ehrensold erhalten.

 

 

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Wenn das politische Gründe sind/waren, dann sind unpolitische Gründe für einen Rücktritt nicht denkbar (mir fallen jedenfalls keine ein). Jeder Rücktritt aus Gründen, die nicht in der Gesundheit liegen, wäre dann ein politischer - dann macht aber der Wortlaut des Gesetzes keinen Sinn, weil er leer liefe.

 

Und ja verdammt noch mal, ich bin allerdings dafür, dass er keinen Ehrensold bekommt: Wir haben hier (mal wieder) einen Politiker, der das ihm anvertraute Amt (MinPräs)  dazu mißbraucht hat, sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen (jendenfalls nach jetzigem Informationsstand). Und als dieser persönliche Vorteil herauskommt, wird er wütend, schlägt über die Stränge, sagt "Aber Mimimi!" in die Mikrofone, tritt zurück und nimmt sämtliche Vorteile seiner beiden (dann ex-)Ämter mit, die er vorher noch mit harschen Worten kritisiert hatte. Wasser predigen, Schampus saufen oder Doppelzüngigkeit sind noch viel zu freundliche Ausdrücke dafür - und das bei einer Größenordnung der Zahlungen, von denen viele Menschen in Deutschland nur träumen können.

 

Wenn ich mir anschaue, welche Maßstäbe Wulff selbst an Amtsvorgänger angelegt und deren Rücktritt wegen deutlich kleinerer Verfehlungen gefordert hat, dann hätte ihm klar sein müssen, der er den von ihm selbst aufgestellten Anforderungen des Amtes weder gewachsen ist, noch gewachsen war und auch nie würde gewachsen sein. Wenn das ein kleiner Hilfarbeiter machen würde…

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Rücktritt, weil der Bundespräsident lieber Rosen züchten möchte, statt seinen Amtspflichten nachzukommen, wäre zum Beispiel eindeutig KEIN "politischer Grund".

 

Dass er das Amt des Ministerpräsidenten dazu missbraucht oder auch nur benutzt hätte, um sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen, ist auch knapp ein Jahr später immer noch nicht erwiesen. Verständlich, dass mancher Kommentator bei der überbordenden Medienkampagne den Überblick verloren hat.

 

"deutlich kleinere Verfehlungen"???

 

Eine Geburtstagsfeier für 150.000 EUR, Dutzende Freiflüge auf Kosten der WestLB sollen "deutlich kleiner" als, ja was denn, eigentlich sein? 400 EUR Logiskosten beim Oktoberfest. Im nachhinein unverständlich, dass Johannes Rau aus der Affäre einfach so herausgekommen ist. Rau hatte das große Glück, dass schwarzen Kassen der CDU zur selben Zeit eben der größere Skandal waren und die links-liberale Presse lieber die andere Sau durchs Dorf getrieben hat.

 

Dass Wulffs uralte Zitate herausgekramt werden, verwundert mich. Habe ich in Bezug auf andere Politiker, die in der Kritik stehen, noch nie erlebt, Als Oppositionspolitiker hat man doch geradezu die Aufgabe, verbal auf die Pauke zu hauen. Wenn seine damaligen Aussagen ihm heute zum Nachteil geraten sollen, heisst das doch wohl im Umkehrschluss: wenn er gegenüber Verfehlungen anderer besonders lax gewesen wäre, er sich selber ebenfalls umfangreichere Verfehlungen leisten dürfte als der Durchschnittspolitiker? Mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar.

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Juristen bezweifeln, dass der Prozess gegen Christian Wulff rechtmäßig ist. Staatsrechtler Martin Kriele spricht von „unfasslichen Vorgängen“ – und erklärt, warum der Ex-Bundespräsident trotzdem nicht auf Schadenersatz hoffen darf.

 

Martin Kriele: Wenn das alles so stimmt, wie FOCUS Online ermittelt hat – und davon gehe ich mal aus –, dann wurde der Bundespräsident nicht zum Rücktritt gezwungen, weil Anhaltspunkte für Korruption vorlagen, sondern weil die Presse diesen Anschein erweckt hatte. Dann haben wir es tatsächlich mit einem Fall von Amtspflichtverletzung zu tun, der das Land Niedersachsen zum Schadenersatz verpflichtet, nach Artikel 34 des Grundgesetzes.

Die Staatsanwaltschaft sah sich gezwungen, 34 Ermittlungsverfahren einzustellen. Zu ihnen war es gekommen, weil die Presse den Anschein von Bestechung oder Vorteilsnahme konstruiert hatte, um dann erklären zu können, es dürfe nicht mal ein solcher Anschein entstehen. Die Presse, nicht Wulff, hat den Anschein entstehen lassen. Hätte sie ordentlich recherchiert, hätte sie selbst herausgefunden, dass die Vorwürfe haltlos sind.

 

 

http://www.focus.de/politik/deutschland/wulff-unter-druck/prozess-gegen-ex-bundespraesident-kann-wulff-das-land-niedersachsen-auf-schadenersatz-verklagen_id_3418767.html

 

 

 

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