Enttaufen geht nicht

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 03.02.2012
Rechtsgebiete: religiöse KindererziehungTaufeFamilienrecht7|4957 Aufrufe

 

Die Eltern waren geschieden, hatten aber das gemeinsame Sorgerecht behalten.

 

Gegen den Willen des Vaters lies sie das Kind katholisch taufen.

 

Er klagte daraufhin vor dem Verwaltungsgereicht gegen die katholische Pfarrgemeinde mit dem Antrag, die Taufe für nichtig zu erklären.

 

Die Klage blieb in zwei Instanzen erfolglos.

 

Zu den innerkirchlichen Angelegenheiten, die entweder überhaupt nicht der staatlichen Gerichtsbarkeit unterliegen oder aber hinsichtlich derer die Justiziabilität eingeschränkt ist, zählten die kirchliche Lehre und Verkündigung, die innerkirchliche Organisation ebenso wie das kirchliche Amtsrecht. Zu dem Kern innerkirchlicher Angelegenheiten wie Lehre und Verkündigung zählen insbesondere die Sakramente, wie z.B. die Taufe.

 

Nachdem nur eine Wirksamkeits- und keine Rechtmäßigkeitskontrolle stattfinde, sei

für die Entscheidung über die Wirksamkeit der Taufe unerheblich, ob angelegentlich

ihrer Durchführung gegen staatliche Vorschriften des Sorgerechts verstoßen worden

sei. Die Folgen solcher Verstöße ergäben sich aus dem Recht der elterlichen Sorge

nach §§ 1626 ff. BGB. Die Wirksamkeit der Taufe als Sakrament bleibe indes unberührt.

 

Die vom Kläger geäußerte Befürchtung, seine Tochter könne infolge der Taufe der erhöhten Gefahr eines Missbrauchs ausgesetzt sein, entbehrt jeder Grundlage.

 

BayVGH v. 16.01.2012 - 7 ZB 11.1569, Hinweis hier gefunden

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7 Kommentare

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Mal so unter uns und passend dazu das Fallbeispiel, das ich im Prüfungsfach Kirchenrecht (Zweites Examen) bekommen hatte:

Eine geschiedene Mutter kommt zu Ihnen, weil sie ihr Kind taufen lassen möchte. Was haben Sie zu beachten?

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Dass man die Mutter fragt, ob sie das alleinige Sorgerecht über das Kind hat und wenn nicht, dass dann die Zustimmung des Vaters zur Taufe eingeholt werden muss.

Hinzu kam, dass ich zu der Zeit im Zweiten Examen war, als das "automatische gemeinsame Sorgerecht" ziemlich neu war, sodass man mit Ausführungen darüber zusätzlich punkten konnte.

Nicht zuletzt ist zu klären, welches Alter das Kind hat, da es mit 14 Jahren religionsmündig ist, über die Taufe also selbst entscheiden kann, aber bereits mit 12 Jahren nicht mehr gegen seinen Willen getauft werden darf.

Und wenn das Alles geregelt ist, könnte man wie bei jeder anderen Taufe kirchenrechtlich weitermachen mit Art. 177-183 KO (EKvW).

 

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Nach dem Alter kann man das Kind ja selber fragen, aber reichen in Hinblick auf das Sorgerecht die Angaben der Mutter, oder muss das nachgewiesen werden?

 

Und wenn die Angaben falsch sind, hat das Auswirkungen? Verwaltungsrechtlich nicht, wie der Ausgangspost zeigt, aber kirchenrechtlich? Der Verstoss gegen das 8. Gebot wird ja vermutlich als solches nicht vom Kirchenrecht sanktioniert?

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Ich würde aus meiner beruflichen Erfahrung sagen, dass das mit den Angaben Einschätzungssache ist, zumal die meisten Menschen wissen, dass eine Lüge dazu ja auch ein Betrug ist. Die meisten Leute sind ehrlich und würden eher den seelsorglichen Hinweis nutzen in der Hoffnung auf Unterstützung: "Möchte das Kind taufen lassen, aber...".

 

Die Lüge im Sinne der Sünde hat natürlich keine kirchenrechtlichen Auswirkungen, die falschen Angaben möglicherweise schon. Ich würde dies dem Presbyterium mitteilen und von dort aus geht es dann ggf. Richtung Superintendent und Landeskirchenamt weiter, allerdings weiß ich nicht, welche Folgen dieser Formalweg hat.

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Die Alleinsorge können die Mutter oder der Vater eines Kindes (ehemals) verheirateter Eltern anhand der entsprechenden Ausfertigung des maßgeblichen Urteils bzw. Beschlusses hierzu nachweisen.

Bei Kindern, deren Eltern nicht verheiratet waren, kann die Mutter eine aktuelle Bescheinigung des Jugendamtes über das Nichtvorliegen von Sorgeerklärungen vorlegen.

Sofern das Familiengericht weitere Entscheidungen zum Sorgerecht getroffen hat, wird der alleinsorgebehauptende Elternteil diese mit der entsprechenden Entscheidungsausfertigung nachweisen können.

Legt derjenige Elternteil, der Alleinsorge behauptet, keinen entsprechenden Nachweis vor, muss m.E. vom gemeinsamen Sorgerecht der Eltern ausgegangen werden.

Wieso im Ausgangsfall das Kind überhaupt getauft wurde, ist aus meiner Sicht nicht nicht nachvollziehbar. Einem Elternteil anscheinend blind zu glauben halte ich für grob verfehlt; bei Grundstücksgeschäfte schaut man ja auch vorher ins Grundbuch.

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Da tun sich in der Tat interessante Fragen auf:

- Wenn es für die Wirksamkeit anscheinend unerheblich ist, ob sich der "zuführende" Elternteil an anscheinend kirchlich nicht beachtliche "bloß weltlich-staatliche Vorschriften des Sorgerechts" hält, bleibt offen, ob dann nicht vielmehr der weltliche Sorgerechtstatus überhaupt relevant dafür ist, dass die Eltern (Mehrzahl!) ihr Kind zur Taufe bringen?

- Darf der "Durchführende" der Taufe solche Anscheinseltern akzeptieren ohne Einfluß auf das Sakrament?

- Wer sind im kirchlichen Sinne "die Eltern", die ein Kind zur Taufe bringen? Ist es für die Taufe egal, wer der "zuführende" des evtl. Minderjährigen ist?

- Spielt das Gebot, Vater und Mutter zu achten, ein Rolle bei der Zuführung zu einer Taufe? Und verstößt nicht eine einseitige, weltliche Regeln mißachtende Zuführung gegen solche kirchlichen "Gebote"?

- Könnte es bei solchen Fällen sein, dass es einen "geschlechtsspezifischen" Nenner der zuführenden zu solcherart veranlaßten Taufen gibt? Gibt es vergleichbare Fälle, wo ein Vater gegen den Willen der gleichfalls sorgeberechtigten Mutter eine Taufe durchführen konnte?

- Kann man hier von einer Zwangstaufe sprechen?

Oder ist es ganz profan-weltlich: Bei der Kirchensteuer zählen später bloß die Köpfe der akquirierten Kinderseelen und nicht die Lauterkeit der Zuführenden und Durchführenden einer Taufe?

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