Tödlicher Schuss auf Benno Ohnesorg - war es doch Totschlag oder gar Mord?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 22.01.2012

Im Mai 2009 kam ans Licht, dass der Polizeibeamte Karl-Heinz Kurras, der am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschoss, ein Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit war. Prof. von Heintschel-Heinegg hat dazu einen Beitrag hier im Blog geschrieben (hier)

Zur Erinnerung: Kurras hatte damals zunächst eine Notwehrsituation behauptet (die damalige vom Springer-Verlag dominierte Presse hatte dies unreflektiert als wahr verbreitet) und als diese Rechtfertigung sich nicht mehr halten ließ, eine versehentliche Schussabgabe in bedrängter Situation. Vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung wurde er mit kaum nachvollziehbarer Begründung rechtskräftig freigesprochen.

Nun gibt es laut einem im morgigen Spiegel erscheinenden Artikel Foto- und Filmhinweise darauf, dass Kurras vorsätzlich geschossen hat. Angeblich gibt es auch Hinweise darauf, dass Polizei und sogar Ärzte des Klinikums Moabit  damals aktiv an Vertuschungsmaßnahmen beteiligt waren (Quelle)

Auf Spiegel Online findet sich ein Interview mit dem Rechercheur des Spiegel, Peter Wensierski (hier). Die dort gezeigten Filmsequenzen und Fotos sind aber ohne eingehenderes Studium nicht sehr aussagekräftig.

Natürlich, diese Ereignisse sind mittlerweile 45 Jahre her und nur, wenn man Heimtücke oder ein anderes Mordmerkmal bejaht, wäre eine neue Anklage gegen Kurras  möglich.

 

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9 Kommentare

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Natürlich, diese Ereignisse sind mittlerweile 45 Jahre her und nur, wenn man Heimtücke oder ein anderes Mordmerkmal bejaht, wäre eine neue Anklage gegen Kurras möglich.

Von der Verjährungsfrage abgesehen scheint mir naheliegend, auch für einen Mordvorwurf Strafklageverbrauch (ne bis in idem, Art. 103 Abs. 3 GG) anzunehmen, da es sich um das selbe äußere Geschehen handelt (prozessualer Tatbegriff). Dann würde der Weg zu einer neuen Anklage am ehesten über § 362 Nr. 2 StPO führen.

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Auf einen Wehrlosen, der gerade zusammengeknüppelt wird, gezielt zuzugehen und diesem unbedrängt in den Kopf zu schießen - wenn das keine Heimtücke ist, was dann?

Unabhängig von der justiziellen Aufarbeitung: Der 2. Juni 1967 ist ein historisches Datum in der noch nicht so alten Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, das nicht nur das Denken und Fühlen der damaligen Studenten in ganz Deutschland maßgeblich beeinflusste. Es wäre fatal, wenn sich die Recherchen des SPIEGEL bestätigen würden.

Wer die Zeit nicht erlebt und/oder noch nicht "Der Baader Meinhof Komplex" von Stefan Aust in der 2008 erschienenen aktualisierten Fassung gelesen  hat, empfehle ich zumindest die S. 77 ff aus diesem aktuellem Anlass nachzulesen.

Sehr geehrter OG,

Sie haben wohl Recht, zunächst müsste die Wiederaufnahmehürde genommen werden. Und ob die dazu erforderlichen Feststellungen zu § 362 Nr.2 StPO getroffen werden können, steht in den Sternen.

Sehr geehrter Mein Name,

nachdem das Gericht damals nicht einmal die Voraussetzungen einer Fahrlässigkeit angenommen hat, also wohl ein unverschuldetes Abfeuern der Waffe annahm, würde ich befürchten, dass man auch die subj. Voraussetzungen der Heimtücke nicht ohne Weiteres bejaht...

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

Ich halte Aust, der die Detungshoheit für die RAF beansprucht, für keine besonders zuverlässige Quelle. Schon seine Rivalität zu seiner vormaligen Autoren-Kollegin Meinhoff verzerrt die Perspektive, und auch sonst hat der Mann wohl einige Kompromisse machen müssen. Aust ist als Journalist hochumstritten, höflich ausgedrückt.

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"Die Diskussionen um die „Militanz” wurden dabei auch vor dem Hintergrund der Verfassungsschutzaktivitäten geführt, dessen Aktionen, wie die Bereitstellung einer Bombe für die Gruppe „Tupamaros West-Berlin” für einen (gescheiterten) Anschlag auf das jüdische Gemeindehaus in Berlin 1968, auch Anlass zur grundsätzlichen Ablehnung politischer Gewalt waren." (wikipedia)

 

Wenn die angeblichen Ordnungshüter Jugendliche drangsalieren und ihnen Bomben zugänglich machen, kann wohl kaum die Rede sein von Rechtsstaatlichkeit?!

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Sehr geehrter Herr Kompa,

Ihre kritische Sicht zu Aust teile ich. Jedoch ist die Bedeutung des 2. Juni 1967, insbesondere die Tötung Benno Ohnesorgs, für die spätere Entwicklung der Militanz von Teilen der Studentenbewegung und wohl auch ihrer selbst ernannten Avantgarde RAF kaum zu bestreiten. Ich vermute auch aufgrund einer Recherche anhand zweitgenössischer Zeitungsberichte, dass der (selbst für die Springerpresse überraschende) Freispruch Kurras´ eine nicht unwesentliche Rolle gespielt hat für eine spätere pauschale Ablehnung der Justiz durch die Protagonisten der Bewegung.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

Die Aussage mit dem versehentlichen Schuss meinte doch nur den zweiten Schuss und der erste sollte Notwehr gewesen sein, oder fahr ich den falschen Dampfer?

 

Als Mordmerkmal käme evtl. Mordlust oder ein ähnlich gelagerter niedriger Beweggrund in Betracht, sofern die Informationen aus Wikipedia stimmen. Er hat wohl ggü jemanden angedeutet, dass es eine gezielte Hinrichtung gewesen wäre und scheint auch generell der Ansicht zu sein, dass er jeden, der ihm im Weg steht umnieten darf. Da müsste man genauer recherchieren.

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