Generalanwalt: Kein Auskunftsanspruch für abgelehnte Bewerber, aber ….

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 15.01.2012

 

Hat ein im Bewerbungsverfahren erfolglos gebliebener Bewerber Anspruch auf Auskunft über die letztlich erfolgte Einstellung, insbesondere über die für diese Einstellung maßgeblichen Kriterien? Für die Prüfung und Vorbereitung einer eventuellen Diskriminierungsklage wäre das eine wesentliche Erleichterung. Das BAG sah einen solchen Anspruch im nationalen Recht nicht begründet, wollte aber nicht ausschließen, dass sich aus dem europäischen Recht etwas anderes ergibt und legte die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, Frau Meister, ist in Russland geboren und lebt inzwischen in Deutschland. Sie hatte sich auf eine Stelle für „eine[m/r] erfahrene[n] Softwareentwickler/-in" beworben, allerdings ohne Erfolg. Eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhielt sie nicht. Auch wurden ihr die Gründe der Ablehnung nicht erläutert. Frau Meister war der Auffassung, sie sei wegen ihres Geschlechts, ihrer Herkunft und ihres Alters benachteiligt worden, und erhob Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG. Nunmehr liegen die Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi (vom 12.1.2012, C-415/10) vor. Er spricht sich dafür aus, einen Auskunftsanspruch des abgelehnten Bewerbers zu verneinen. Weder der Wortlaut noch der Sinn der europäischen Antidiskriminierungs-Richtlinien ließen es zu, dass einem Stellenbewerber im Fall seiner Nichtberücksichtigung ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Auskunft eingeräumt werden muss, ob und aufgrund welcher Kriterien er einen anderen Bewerber eingestellt hat. Dies gelte auch dann, wenn der betreffende Bewerber darlegt, dass er die Voraussetzungen für die vom Arbeitgeber geschriebene Stelle erfüllt. Allerdings leitet der Generalanwalt aus den Richtlinien ab, dass das nationale Gericht die Auskunftsverweigerung differenziert beurteilen muss, indem es nicht nur allein das Fehlen einer Antwort des Arbeitgebers berücksichtigt, sondern dieses vielmehr in seinen weiteren tatsächlichen Zusammenhang stellt. Insoweit könne das nationale Gericht Gesichtspunkte heranziehen wie 

 

·        die offensichtliche Entsprechung von Bewerberqualifikation und Arbeitsstelle,

·        die unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch und

·        das eventuelle erneute Unterbleiben einer Einladung desselben Bewerbers seitens des Arbeitgebers zu einem Vorstellungsgespräch, wenn der Arbeitgeber eine zweite Bewerberauswahl für dieselbe Stelle durchgeführt hat.

In diesen Fällen soll offenbar eine Beweislastumkehr zum Nachteil des Arbeitgeber (§ 22 AGG) in Betracht kommen. Damit wäre allerdings eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit geschaffen. Man darf gespannt sein, ob der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts auch in diesem Punkt folgt. Mit einer Entscheidung ist in Kürze zu rechnen. 

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