Der Bundespräsident und das Vertragsrecht

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 07.01.2012

In den letzten Tagen wurde viel über das Verhalten des Bundespräsidenten geschrieben; dazu sei hier nichts gesagt. Mir geht aber eine Äußerung des Bundespräsidenten aus seinem ARD/ZDF-Interview nicht aus dem Kopf.

Der Bundespräsident wörtlich zu den Vertragsverhandlungen mit der BW-Bank über seinen Hauskredit:

"Denn wenn Sie am 25. November sich geeinigt haben und die Bank das eingebucht hat, sich dafür abgesichert hat, dann ist der Vertrag geschlossen. Am 25.11.! Dass der dann noch sozusagen vertraglich unterschrieben wird, die Bank mir das zuschickt, ich das zurückschicke, ist eine Durchführung, die aber gar nicht notwendig ist, weil ein mündlicher Vertragsschluss reichen würde. Es gilt auch Handschlagqualität in diesem Bereich, wenn man sich mit einer Bank verständigt."
http://www.n-tv.de/politik/Wulff-Interview-im-Wortlaut-article5138936.html

Der Text ist rätselhaft und bedarf vor allem deshalb einer Klarstellung, als er für viele VerbraucherInnen (und manchen Jurastudierenden) unter Umständen irreführend sein könnte.

Verbraucherdarlehensverträge bedürfen nach § 492 Abs. 1 BGB der Schriftform. Der Schriftform ist genügt, wenn Antrag und Annahme durch die Vertragsparteien jeweils getrennt schriftlich erklärt werden ( § 492 Abs. 1 S. 2 BGB). Mündliche abgeschlossene Verbraucherdarlehensverträge wären somit grundsätzlich formnichtig (§ 494 BGB als lex specialis ggü. § 125 S. 1 BGB).

Worauf der Bundespräsident evtl. anspielt, ist die Rechtsprechung zur treuwidrigen Berufung auf formnichtige Verträge. In diese Richtung zielt zumindest sein Hinweis auf die "Handschlagqualität". In der Tat können zB besonders schwere Pflichtverletzungen die Berufung auf die Formnichtigkeit unzulässig machen (dazu etwa Armbrüster, NJW 2007, 3317 ff. und Hagen, DNotZ 2010, 644, 652 ff.). Aber das sind sehr seltene, eng auszulegende Ausnahmetatbestände in der Nähe der Arglist.

Grundsätzlich wird man einem Kredinstitut nicht verwehren können, dass es nach mündlichen Vorverhandlungen aus sachlichen Gründen doch noch vom Abschluß  eines  (schriftlichen) Vertrages Abstand nehmen oder diesen modifizieren möchte (man denke etwa an kurzfristige Zinsänderungen oder Zweifel der Geschäftsführung an der Opportunität eines Vertrages mit dem Bundespräsidenten).

Insofern sind die Ausführungen des gelernten Anwalts und heutigen Bundespräsidenten gerade wegen seines juristisch gefärbten Lebenslaufs ergänzungsbedürftig.

 

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23 Kommentare

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Wenn man darüber nachdenkt, ist es in der Tat unerträglich, dass ein gelernter Jurist so erschreckenden und gefährlichen Unsinn von sich gibt. Was bringen die den Studierenden in Osnabrück eigentlich bei?

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Herr Professor Hoeren hat m.E. zu Recht auf eine neue Deutung des Wulff-Textes verwiesen. Wulff scheint zu meinen, dass losgelöst von § 492 BGB der "Handschlag" eines Bankers schon für sich rechtlich bindend ist. Und genau das hat der Herr Professor dankenswerterweise als mißglückte Fehldeutung der Rechtsprechung zum treuwidrigen Verweis auf Formwidrigkeit entlarvt. Chapeau!

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Vielleicht hält sich unser verehrter BP als über allen stehendes Staatsoberhaupt auch einfach nicht für einen profanen Verbraucher :)

 

Er interpretiert ja offenbar so einige Sachen anders als ein Großteil der Mehrheit (, wobei das Mehrheitskriterium natürlich nicht viel über die Qualität aussagt) und auch anders als einige Juristen. Ansonsten lag sein Schwerpunkt vielleicht eher im Verwaltungsrecht. Und als er studiert hat, gab es die verbraucherschützende Regelung vermutlich noch nicht. Irgendeine mehr oder weniger, eher letzteres, überzeugende Erklärung wird ihm wohl auch dazu wieder einfallen.

 

Es ist jedenfalls gut für ihn, dass er sicher nicht mehr im Anwaltsberuf tätig sein muss. Ob seine ehemalige Kanzlei ihn weiterhin groß auf dem Schild stehen lassen will? Ich würde mir das gut überlegen.

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@Gast 1:

In den letzten Kammernachrichten stand Herr Wulff unter "Ausgeschiedene Kammermitglieder". Und auch im Internetauftritt seiner ehemaligen Kanzlei findet man ihn neuerdings nicht mehr.

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Hallo Herr Prof. Hören,

die Nichtigkeitgeit eines entgegen § 492 Abs. 1 BGB ohne Schriftform geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrags bestimmt sich aber nicht nach § 125 Satz 1 BGB, sondern nach § 494 Abs. 1 und 2 BGB. Danach ist zwar gemäß § 494 Abs. 1 BGB der Verbraucherdarlehensvertrag nicht, jedoch sieht § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB einen Heilung vor, soweit der Verbraucher das Darlehen erhält. Allerdings, und da bin ich ganz ihrer Meinung, wird sich keine Bank auf eine solche Vorgehensweise einlassen, da § 494 Abs. 2 Satz 2 BGB eine "Strafe" für die Bank dahingehend vorsieht, dass aus dem nunmehr wirksamen Verbraucherdarlehensvertrag nur noch die gesetzlichen Zinsen geschuldet sind.

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Hierzu vielleicht noch die Erläuterungen der beauftragten Anwaltskanzlei:

"Die Einigung zwischen der BW-Bank und Herrn Wulff
über den langfristigen Zinssatz und die übrigen Kreditkonditionen erfolgte am 25. November
2011. In Folge dieser wirtschaftlichen Einigung hat die BW-Bank den schriftlichen Vertrag
Anfang Dezember vorbereitet, unterzeichnet und am 12. Dezember 2011 Herrn Wulff zur
Gegenzeichnung übersandt. Er hat die Verträge seinerseits am 21. Dezember 2011 unterzeichnet.
[Hervorhebung durch Verfasser]"

http://www.redeker.de/downloads/pm/pm20120105.pdf

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Mit der Anwendung von § 125 BGB (der von § 494 BGB vollinhaltlich verdrängt wird) macht Herr Hoeren nun seinerseits einen Fehler, den man jedem Jurastudenten um die Ohren hauen würde.

Dem Jurastudenten würde man es im Übrigen auch als Fehler ankreiden, nichts zur Heilung nach § 494 Abs. 2 BGB gesagt zu haben, wenn das Darlehen  -  wie hier  -  bereits ausgezahlt war und nachträglich die Vertragsbedingungen modifiziert werden.

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@ Gast2: da muss ich Ihnen zustimmen. Auch, wenn sich im Ergebnis nicht viel ändert, würde dies doch einen Punktabzug geben. Weiterhin ist es auch nicht richtig, dass die getrennte Unterzeichnung von Angebot und Annahme genügen. Dies gilt nur für die notarielle Beurkundung (arg. e contrario § 128 BGB). Bei der Schriftform ist es lediglich möglich bei mehreren gleichlautenden Urkunden die ausgetauscht werden sollte nur eine zu unterzeichnen, siehe § 126 Abs. 2 BGB.

 

 

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PS: Und vielleicht kommt mal jmd. auf die Idee, dass Herr Wulff sich einfach nicht über das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in Kenntnis gesetz hat, das die Schriftform erst eingeführt hat. Vorher war das Darlehen nämlich ein Realkontrakt und kein Konsensualvertrag, der einer Schriftform bedurfte. Und nur weil jmd. als Anwalt mal tätig war heißt das ja nicht, dass er alles für die Vergangenheit und die Gegenwart wissen muss. Klar war das ein unqualifizierter Kommentar, aber daraus jetzt einen Elefanten machen, halte ich doch für sehr überspitzt.

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Hallo Gast007,

es ergibt sich aus § 492 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass Antrag und Annahme getrennt schriftlich erklärt werden können.

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Um Mißverständnisse wie bei Gast007 auszuschließen, habe ich oben noch einmal § 492 Abs. 1 S. 2 BGB) in den Text integriert. Und ich habe auch noch den Verweis auf § 494 Abs. 1 BGB  als lex specialis eingefügt (§ 125 könnte allenfalls zum Tragen kommen, wenn der Darlehensvertrag Teil eines Grundstückskaufvertrages gewesen wäre).

Zur Heilung wegen Valutierung (§ 494 Abs. 2 BGB) war hier nichts zu sagen; denn auf den Akt der Valutierung bezog sich die Aussage  des Bundespräsidenten nicht.

Gruss TH

Herr Prof. Hoeren verweist auf § 125 BGB und § 494 BGB als lex specialis. Weiß jemand freundlicherweise, wann wo welcher Vertrag geschlossen worden ist? Ich habe das als japanischer Wissenschaftler die Übersicht verloren. Wann hat der Präsident sein Haus gekauft? Wurden Darlehen und Kaufvertrag zusammen geschlossen?

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Sehr geehrter Herr Kanata,

nach meinem Kenntnistand war das Haus schon gekauft, als die BW-Bank - nachträglich - den Kredit bewilligte. Insofern liegt hier der wohl seltene Fall eines Zusammenspiels von § 125 BGB und § 494 BGB hier nicht vor. Herzlichen Gruss TH

An Gast007 (zu Kommentar 11):

Ihr Hinweis auf die Rechtszustände vor Inkrafttreten von §§ 492 ff. hat mich nachdenklich gestimt.

 

§ 492 BGB beruht letztendlich auf Art. 4 der Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit 

(zu finden unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31987L0102:D...)

(allerdings sei auch auf die Einschränkung des Anwendungsbereichs der RL für Hausfinanzierugen verwiesen; Art. 2 I lit. a).

Das alte Verbraucherkreditgesetz trat in Deutschland erst am 1. Januar 1991 in Kraft. Zu dem Zeitpunkt hatte der Bundespräsident seine juristische Ausbildung bereits abgeschlossen. Evtl. ging er also tatsächlich von der alten Rechtslage aus der Zeit während seines Studiums aus. Ich recherchiere mal weiter. Schönen Sonntag TH

Die zivilrechtliche Analyse, die den BuPrä hier bei einem juristischen Fehlgriff "erwischt", versäumt es m. E., den nicht-juristischen Kern des Sachverhalts zu berücksichtigen: Es ging darum, ob der BuPrä den neuen Kredit mit der Bw-Bank als Reaktion auf die ihm am 28.11. erreichende Anfrage der BILD vereinbarte oder nicht. Denn das ist ja der Vorwurf: Der BuPräs habe sich erst um den neuen Kredit gekümmert, als die BILD schon berichten wollte.

Wurden schon am 25.11. die maßgeblichen Konditionen (sprich: Zinsen) eines neuen Kredits ausgemacht, also drei Tage vor der Bild-Anfrage, dann war der neue Kredit keine Reaktion auf die BILD-Anfrage. Deshalb kommt es m. E. für das Argument des BuPrä nicht auf den Zeitpunkt des wirksamen Vertragsschlusses an.

Also: Entscheidend für die Argumentation ist nicht der hier diskutierte Fehler in der ziviljuristischen Bewertung der Vertragswirksamkeit, sondern das Datum der Vereinbarung der Zinsen.

Interessant ist dazu aber der Ablauf der Behauptungen über dieses Datum , wie er in der FAS heute berichtet wird:

"Zunächst hatte Wulffs Anwalt schriftlich mitgeteilt, die Zinsen für das zweite BW-Bank-Darlehen seien Anfang Dezember vereinbart worden. Das wurde dieser Zeitung auch am 30. Dezember noch so bestätigt. Kurz darauf wurde das Datum korrigiert, man habe sich am 27. November geeinigt, hieß es. Das wäre einen Tag vor der Anfrage der "Bild"-Zeitung gewesen. Die "FAS" wies darauf hin, dass es sich beim 27. November um einen Sonntag gehandelt habe. Daraufhin erfolgte die korrigierte Festlegung , die Zinsen für das Darlehen seien am 25. November vereinbart worden. (...) Die Bank bestätigte das vom Anwalt genannte Datum. Und auch dem Präsidenten war es am Mittwoch in seinem Interview wichtig, sich auf den 25. November festzulegen." (Lohse, FAS, 8. Januar, Seite 3)

Diese  mehrfache Korrektur des Datums löst jedenfalls bei mir den Verdacht aus, hier werde geschummelt, um den Termin vor die Bild-Anfrage zu legen. Peinlich  ist dabei die erste Korrektur auf einen Sonntag. Aber wenn es die BW-Bank am Ende bestätigt, dass man sich auf die maßgeblichen Konditionen bereits am 25.11. geeinigt habe, dann kommt man dagegen wohl erst einmal kaum an.

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Aber wenn es die BW-Bank am Ende bestätigt, dass man sich auf die maßgeblichen Konditionen bereits am 25.11. geeinigt habe, dann kommt man dagegen wohl erst einmal kaum an.

Es wird sich bei den mehreren Tausend Beschäftigten des LBBW-Konzerns im Notfall sicher ein armer Hund oder treuer Parteisoldat finden, der eine solche Erklärung abgibt.

Aber, wie Wulf schon sagte: "nicht alles, was juristisch rechtens ist, ist auch richtig". Das Herumgeeiere mit den Terminen passt jedenfalls genau zur bisherigen Salamitaktik, nur das zuzugeben, was nicht mehr widerlegt werden kann.

Das ist das eigentlich Verheerende (neben den Zinsen, von denen ein normaler Häuslebauer nur träumen kann), die verkürzte oder falsche Darstellung der rechtlichen Aspekte des Vertragsabschlusses durch einen juristisch Ausgebildeten setzt dem Ganzen nur noch die Krone auf.

(Wulff: Dass der dann noch sozusagen vertraglich unterschrieben wird, die Bank mir das zuschickt, ich das zurückschicke, ist eine Durchführung, die aber gar nicht notwendig ist, weil ein mündlicher Vertragsschluss reichen würde). 

Wer als Volljurist in einem Interview am 06.01.12 tatsächlich noch nicht weiss, dass es sich bei dem (angeblich am 25.11.) geschlossenen Bank-Vertrag um einen Verbraucherdarlehensvertrag handelt, der zur Wirksamkeit der Schriftform bedarf, liest weder eine Zeitung, noch bildet dieser sich als Rechtsanwalt fort.  

Das oftmals bösartige "Umspielen" von Wahrheit und Klarheit mag Juristen heute kennzeichnen, ein solcher Kandidat ist jedoch für das höchste deutsche Amt gänzlich ungeeignet. Da kommt es noch nicht einmal auf eine besondere Fachkenntnis, sondern in erster Linie auf ein Mindestmaß an Glaubwürdigkeit an.

 

 

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Das Interview war nicht am 06.01., sondern am 04.01.12.

 

Wulff war seit 1994 nicht mehr als Anwalt tätig.

 

Und warum kann von den Hypothekenzinsen kein normaler Häuslebauer träumen? Das gilt doch nur für das vorhergehende rollierende Geldmarktdarlehen?!

 

Musste die Bank Wulff darauf aufmerksam machen, dass der Vertrag zur Rechtswirksamkeit der Schriftform bedürfe, mit der Folge, dass bei Unterlassen dieses Hinweises ein Anspruch Wulffs auf Schadensersatz aus vorvertraglichem Vertrauensverhältnisses (§§ 280, 311 BGB) bestünde?

 

Wenn schon ein Professor sich irrt, möchte ich das Herrn Wulff auch zubilligen.

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Es geht nicht darum, seit wann Herr Wulff nicht mehr als Anwalt praktiziert, offensichtlich aber dennoch ein Kanzleischild mit seinem Namen äußerst lange duldet; sondern es ist völlig unglaubhaft, dass er mit der Thematik erst im Interview am 04.01.12 betraut worden sein soll und alle vorhergehenden Gesprächpartner sowie dessen Anwalt Herrn Wulff über die Qualität genau dieses Kredits, der ja im Problemfeld stand,  nicht aufgeklärt haben sollen. Und ja auch die Bank nicht ?? Und er selbst denkt darüber auch keine Sekunde nach ?? - Gänzlich unglaubhaft.

 

 

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Es gibt gestandene Juristen, die, obwohl seit 30 Jahren im Beruf tätig - allerdings nicht im Zivilrecht - ebenfalls eingestanden haben, von der betreffenden Gesetzesänderung nichts gewusst zu haben.

Als Anwalt tatsächlich zu praktizieren oder nur ein Kanzleischild zu dulden, ohne jemals eine Akte bearbeitet zu haben, ist schon ein Unterschied.

Da es völlig undenkbar ist, dass Wulff hier wissentlich eine mit der Rechtslage nicht in Einklang zu bringende Rechtsauffassung geäußert hat, ist es durchaus glaubhaft, dass er seine Rechtsauffassung für die richtige gehalten hat. Zum Lügner stempelt das ihn nicht.

Im übrigen stimme ich Herrn Prof. Müller zu: man war sich am 25.11. einig, alles was danach folgte, war "reine Formsache", manchmal auch als "Korinthenkackerei" bezeichnet.

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